44.2.1. Strasbourg, Bibliothèque nationale et universitaire, ms. 739 (olim L als. 96ª)
Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser
KdiH-Band 6
Vollendet nicht vor 1391 (vgl. die rückblickenden Datierungen 1v und 6v).
Straßburg, Johanniterkommende zum Grünen Wörth.
Nach der Zerstörung der Kommende zum Grünen Wörth im Zuge der Verstärkung der Straßburger Stadtbefestigungen im Jahr 1633 befand sich der Kodex weiterhin im Besitz der Johanniterbibliothek, die 1686/87 in die Kirche St. Marx übersiedelte; vgl. das Kupferstich-Exlibris im vorderen Innendeckel (wohl 17. Jahrhundert): in quadratischem Rahmen und zwei Registern zweifache Ansicht des Klosters zum Grünen Wörth von verschiedenen Seiten, mit Schrift am oberen Bildrand: Domus ordinis S. Joannis Hierosolymitani ad uiridem Insulam Dicta Argentinae Anno 1633 destructa. Mit der Auflösung der Bibliothek im Verlauf der Französischen Revolution gelangte die Handschrift an ihren heutigen Standort.
1. | 1r–4r | Bericht des Bruders Claus von Lófen (Nikolaus von Löwen) über die Stiftung eines Altars und einer Pfründe für tägliche Messen zu Ehren des Hl. Jacobus als Ausgleich für eine nicht geleistete Pilgerfahrt nach Santiago durch den Straßburger Bürger Heinrich Blankhart von Lófen (Löwen) und seine Ehefrau Luckart, Verzeichnis der Messen und Kollekten am Jakobsaltar (2rv) und der Verwendung einer Geldstiftung desselben Ehepaares von 80 Straßburger Pfund für verschiedene Bauten auf dem Grünen Wörth (2v–3r) |
2. | 4v–5r | Ältere Geschichte der Stiftung auf dem Grünen Wörth (erste Stiftung 1150 durch Marschalk Wernher von Hüneburg [5v sein Wappen]) |
3. | 6r–6v | (a) Vorrede über die drei Memorialbücher und (b) Brief Bruder Conrads von Brunsberg, Meister des Johanniterordens in Deutschland, vom Jahr 1385 über Verbleib und Verwendung der Bücher |
4. | 7r–9r |
Einleitung und Inhaltsverzeichnis
Ausgabe Text 1–4: |
5.–16. Zwölf Traktate, die dem Gottesfreund vom Oberland zugeschrieben werden: | ||
5. | 9v–20v | ›Buch von dem fünfzehnjährigen Knaben‹ |
6. | 20v–46r | ›Buͦch von dem gevangen ritter‹ |
7. | 46r–61v | ›Von den beiden Klausnerinnen Ursula und Adelheid‹ |
8. | 61v–69v | ›Von zweier bayerischen Klosterfrauen Leben (Margret und Katharine)‹ |
9. | 69v–77r | ›Buch von der geistlichen Stiege‹ |
10. | 77v–81v | ›Buch von der geistlichen Leiter‹ |
11. | 81v–87r | ›Buch von dem fűnckelin in der selen‹ |
12. | 87r–89r | ›Eine letze (lectio) an einen jungen Ordensbruder‹ |
13. | 89r–96r | ›Buͦch von eime eiginwilligen weltwisen manne‹ |
14. | 96r–103r | ›Buoch von einre offenbarunge‹ an den Gottesfreund vom Oberland‹ (›Sendschreiben an die Christenheit‹) |
15. | 103r–105v | ›Materie von eime jungen weltlichen wolgefrúnden manne‹ (›Geschichte eines jungen Weltkindes‹) |
16. | 105v–106v |
›Ein tovele des lieben frúnt gottes in oͤberlant […] dem gemeinen volke zuͦ einre Warnungen‹ (›Wie man den Tag beginnen und schließen soll‹)
Ausgabe Text 5: |
17.–20. Vier Traktate Rulman Merswins: | ||
17. | 106v–111r | ›Bannerbüchlein‹ |
18. | 111r–119r | ›Buͦch von den drien durchbrúchen‹ |
19. | 119r–122r | ›Sieben Werke der Barmherzigkeit‹ |
20. | 122r–130r |
›Buͦch von den fúrkomenen gnoden und von der verdienlichen gnoden‹, Exzerptbearbeitung der oberdeutschen Übersetzung von Ruusbroecs ›Die chierheit van der gheestelijker brulocht‹
Ausgabe Text 17: |
21. | 130v–131v |
Vorwort zu den drei folgenden Texten; Inhaltsverzeichnis zum ›Neunfelsenbuch‹
Ausgabe: |
22. | 131v–192r |
Rulman Merswin, ›Neunfelsenbuch‹
Ausgaben: |
23. | 192v–229r |
›Buch von den zwei Mannen‹, dem Gottesfreund vom Oberland zugeschrieben.
Ausgabe: |
24. | 229r–262v |
›Meisterbuch‹, dem Gottesfreund vom Oberland zugeschrieben.
Ausgaben: |
25. | 262v–272r |
›Dialog eines Klosterbruders mit einem jungen Priester namens Walther‹, dem Gottesfreund vom Oberland zugeschrieben.
Ausgabe: |
26. | 272r–273r |
Gebet und ein gar nútzliche letze allen den der sich got mit sunderheite anegenummen het […], gegeben einer Jungfrau von ihrem Beichtiger
Ausgabe: |
27. | 273r–v |
Gebet und Ermahnung über das Leiden unseres Herren für alle Menschen
aus dem ›Schürebrand‹; vgl. das sog. ›Briefbuch‹ (oben Einleitung) |
28. | 273v–274v |
Warnende Lehre Bruder Johannes Taulers an einen Freund zur Zeit des großen Erdbebens 1356
Ausgabe: |
29. | 274v–280v |
Sechs Gebete in Versen, Gedicht über die Endzeit, Gedicht über den Tod; 276r Notiz über den Tod Conrads von Brunsberg 1390
Ausgabe: |
Pergament, 280 Blätter, 295 × 205 mm, Bleistiftzählung der recto-Seiten, Vorsatzblatt unbeschrieben (von neuzeitlicher Hand: Memorial [Urk. Buch] des Klosters zm Gr. Wörth zu Strasburg), 5v Wappenbild ohne Schrift, 276v leer, Textualis, vier Hände (
Die einzelnen Teile sind nicht ganz gleichzeitig entstanden: die ersten 16 Traktate (Blätter 7–130) bereits zwischen 1382 und 1385; der zweite Teil (Blätter 131–280 und 1–6 mit den einleitenden Texten) wurden um/nach 1391 hinzugefügt; vgl.
alemannisch (elsässisch).
Vier große Filigraninitialen in feiner Zeichnung und Farbgebung, zum Teil figuriert, vier kleinere und einfachere, ein Wappenbild. Der Buchschmuck betrifft fast ausschließlich die nachträglich an den Beginn gesetzte halbe Lage (Bl. 1–6) mit den Eingangstexten (oben Nrn. 1–3) des Memoriale, die die pietätvolle Erinnerung an die Gründung der Institution betreffen. Die in das Dekor integrierten Wappen stellen wie die ganzseitige Wappendarstellung den Bezug zur Institution bzw. zu den Stiftern her. Die erste Schmuckinitiale nimmt mit der Darstellung des Hl. Jakob direkt Bezug auf den einleitenden Text über die Stiftung des Jakobsaltars. Die mystisch-aszetischen Traktate selbst sind ohne Illustrierung.
1r D-Initiale, 14zeilig, 80 × 88 mm, gerahmt in rotem und blauem Fleuronnée mit zweiseitigen Fadenranken mit Knospen- und Perlenbesatz, Buchstabenkörper in je vier abwechselnd rote und blaue Felder geteilt, darin Figurengrotesken als Drolerien (Menschenköpfe auf Vogelkörpern in grauer Zeichnung, Gefieder weiß, gelb und grün), im Buchstabeninneren auf goldenem Grund der Hl. Jakob als sitzende Figur in zarter grauer Konturierung, mit leicht nach links gewendetem Kopf, grauem Haar und Bart, Nimbus, violettem Mantel und blauem Kleid in feiner Fältelung, mit Pilgerstab in der Rechten, Muschel in der erhobenen Linken (»Jacobus peregrinus«; vgl.
Die Initialen gehören nach Motivik und Aufbau in die seit dem 14. Jahrhundert entwickelte oberrheinische Tradition, die auch von der Lauber-Werkstatt aufgenommen wurde (vgl.
Die Jacobus-Initiale 1r und die Initiale 2r weisen etwas andere Fleuronnée-Muster, Rahmung und Konturierung der Figuren als die anderen Initialen auf.
5v ganzseitiges Wappenbild in kräftigen Deckfarben: Breiter Leistenrahmen blau mit helleren Blattranken und weißen Blüten, rotes Innenfeld mit dunkelroten Blattranken und gelbem Blütendekor, darauf das Wappen des ersten Stifters, Marschalk Wernher von Hüneburg (zwei Felder: oben rechts auf schwarzem Grund ein grau-silbriger, ursprünglich weißer Schwanenkopf, unten einfarbig grau-silbrig-gelb – ursprünglich golden – und darüber grauer Helm mit schwarzen Zierranken und zwei grau-silbrigen Schwanenköpfen).
Vier einfachere, blau-rote Fleuronnée-Initialen: 2v (D, sechszeilig); 4v (D, sechszeilig, Buchstabenkörper rot-blau, mit zwei weiß ausgesparten Tierfiguren als Drolerien, Binnenraum viergeteilt mit rotem und grauem Fleuronnée); 192v (zwei blaue D-Initialen, dreizeilig, mit rotem Fleuronnée und Rankenausläufern); 276r (A-Initiale rot, dreizeilig, mit goldenem Fleuronnée).
Helles und dunkleres Rot, Dunkel- und Mittelblau, Violett, Gold, Grau, Silbrig-Grau (oxidiert), Gelb, Grün, Weiß, Schwarz.
Taf. 44.Ia: 1r. Rulman Merswin / Nikolaus von Löwen, ›Großes deutsches Memorial‹: D- Initiale mit Drolerien, im Innern Jacobus d. Ä.