KdiH

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100.3.1. London, The British Library, Egerton 1900

Bearbeitet von Pia Rudolph

KdiH-Band 10

Datierung:

Ca. 1465.

Lokalisierung:

Nürnberg.

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer war Gabriel Muffel (156r; zur Entstehung der Handschrift siehe Untergruppeneinleitung 100.3.); bis ins 19. Jahrhundert vermutlich im Besitz der Familie Muffel; bis 9.2.1861 bei Henri Tross (Paris), der die Handschrift an die British Library verkaufte (IVr).

Inhalt:
1. 2r–151r Niccolò da Poggibonsi, ›Libro d’Oltramare‹, deutsch
2. 151v–153v Itinerarium
Liste der Entfernungen bzw. Reisedauer von Prag nach Nürnberg, quer durch Europa nach Jerusalem und zurück bis Skandinavien
3. 154r–v Praktische Ratschläge für Pilger
4. 155r–v Die 72 Sprachen des Turmes zu Babel
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier (Bl. 1 und 156 Pergament), IV + 156 + IV Blätter, 215 × 155 mm, Bastarda, eine Hand (I: 2r–151r), die ergänzenden Texte 2–4 von verschiedenen Händen (II: 151v–154v, III: 155r–v, IV: 155vb; der Verweis auf Gabriel Muffel auf 156r von einer weiteren Hand; keine stimmt nach Cossar [1985, S. 2] mit der Hand Muffels überein), einspaltig (155r–v zweispaltig), Platz für Initialen frei (2r, 3r), zweizeilige rote Lombarden, Cadellen, Rubrizierungen, schwarze Kreuze am Rand bei der Ablassliste.

Schreibsprache:

bairisch.

II. Bildausstattung:

149 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1. Eine Werkstatt?

Format und Anordnung:

Etwa die Hälfte der Illustrationen füllt eine halbe Seite aus, daneben gibt es zahlreiche ganzseitige Darstellungen oder Bilder in kleinerem Format. Oft ragen Türme seitlich am Textrand empor oder es ist Platz im Text frei, der durch die Abbildung genutzt wird (14r, 76v).

Bildaufbau und -ausführung:

Detailliert werden komplizierte architektonische Strukturen wiedergegeben (z. B. verschachtelte und gestaffelte Städte, halboffene Tempel mit Kuppeln, Fußböden mit Fliesenmustern, Mauergevierte 123r, Brunnen mit Seilwinde 135r, dreistöckiger Zierbrunnen 67v etc.), wobei manche Gebäudeteile nach vorne oder hinten klappen können, und dadurch die Perspektive nicht völlig eingehalten ist. Viele Farben lockern die Ansichten der Gebäude auf, ebenso besondere Details wie zugemauerte Eingänge (12v, 48r) oder Fenster (51r), verschiedene Säulenformen etc. Gebäude erheben sich auf grünen oder braungrünen Streifen, Hügeln oder Felsen. Bei Hafenstädten ist das Wasser himmelblau mit kleinen Wellen, darin ankern Einmaster mit gerefften Segeln; zwei Mastbrüche mit im Wasser schwimmenden Segeln sind ebenfalls zu sehen (101v, 143v).

Ferner gibt es Bäume mit verzweigten Ästen und grünen Laubkugeln, vielleicht Olivenbäume, Sträucher, Lilien im Baumgarten (47r), die Zypresse des Kreuzesholzes (66v), die Palme, die sich zu Mariae Kirche neigt (117v), pardis opffel (138v) und einen Tattelpaum (139r). Bei den Tieren sind die Zeichnungen detailreich und gemäß der Beschreibung im Text wiedergegeben: Auf einer ganzen Seite ist ein schwarzer Elefant zu sehen, der auf seinem Rücken einen übergroßen Turm mit neun bewaffneten Soldaten trägt (110r); die Giraffe (110v), die geis babrine (111r), der Widder, der gegen den Steinbock kämpft (140r); der Strauß nimmt fast eine Seite ein, trägt ein Hufeisen im Schnabel, hat zweipaarige Hufe und hat ein großes Ei gelegt (111v). Menschen werden selten abgebildet, nur Kain und Abel (97r) sowie Judas am Baum hängend (40v) und ein Turmbläser in rotem Kleid (103r); Gott erscheint Moses im brennenden Dornbusch als Gesicht mit braunen Haaren und Bart (126v).

Bildthemen:

Eine Bildthemenliste liefern Cossar (1985) S. 31f. und Betschart (1996) S. 281–287. Es gibt 40 Abbildungen zur Reise selbst sowie Bilder zu 25 bedeutenden Stätten des Alten und 84 des Neuen Testaments.

Hervorzuheben sind Dauits Castell (29v), die Kirche do sant mathis wart zwelfpot gemacht (33r), kunig Salomonis wonung (37r). Selten ist die Darstellung der Brücke vor Damaskus (91r) oder eines Aquädukts (71r), ebenso der Bau der Arche (98v). Bemerkenswert ist auch die Abbildung der Grabeskirche in Jerusalem, wo deutlich die beiden verschlossenen Tore im Langhaus zu erkennen sind – eines zugemauert, das andere mit zwei Schlössern versehen –, der eigentliche Eingang führt über eine Rampe zu einer hochgelegenen Öffnung auf der Giebelseite (12v). Damit zeigt sich großes Interesse an den fremden Stätten.

Dass der Schwerpunkt des Illustrationsprogramms auf architektonischen Darstellungen ohne Figuren liegt, ist auch für die bebilderten, italienischen Fassungen zu beobachten (Moore [2009] S. 409f.). Der Reisende ging mit dem Anspruch vor, seine Eindrücke genau im Text wiederzugeben, der wohl von Anfang an mit Illustrationen geplant war (Moore [2009] S. 402, 405).

Farben:

Türkisblau, Hellblau, Rot, Hellrot, Grün, Hellgrün, Gelb, Grau- und Brauntöne.

Literatur:

Priebsch 2 (1901) S. 75f. (Nr. 97). – Cossar (1985); Hausherr (1987/88) S. 58; Betschart (1996) S. 278–288; Moore (2009) S. 403–405; Moore (2013) S. 381–385.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus; John Lowden: Treasures known and unknown in the British Library, Catalogue of Illuminated Manuscripts Virtual Exhibitions (2007) [unter Egerton 1900: Muffel’s travelogue]

Abb. 4: 12v. Grabeskirche.

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Abb. 4.