KdiH

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99.0.3. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 339

Bearbeitet von Gabriel Viehhauser

KdiH-Band 9

Datierung:

Um 1455.

Lokalisierung:

Elsass (Werkstatt Diebold Lauber).

Besitzgeschichte:

Die Handschrift wurde bei der Katalogisierung 1581 im Inventar der Heiliggeistbibliothek Heidelberg verzeichnet und befand sich von 1623 bis 1816 in der vatikanischen Bibliothek in Rom (Miller/Zimmermann [2007]).

Inhalt:
1r–4r Kapitel- bzw. Bildüberschriftenverzeichnis
5r–604r Wolfram von Eschenbach, ›Parzival‹
Handschrift n
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 609 + zehn Blätter in zwei Bänden, 280 × 190 mm, Bastarda, eine Hand, einspaltig, 20–25 Zeilen, Zierinitiale am Textbeginn über die ganze Seitenlänge, Farblombarden (zwei- bis vierzeilig, nach Bildseiten vier- bis sechszeilig), rote Überschriften und Capitulumzeichen, rubrizierte Majuskeln jeweils am Versbeginn, Bildseiten mit Blattweisern.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

64 ganzseitige kolorierte Federzeichnungen, davon eine Eingangsillustration und 63 Bilder mit Überschriften und Zählung (fallweise stehen Zählung und Überschrift auf dem dem Bild vorangehenden Blatt). Die Illustrationen sind dem sogenannten Meister O der Lauber-Werkstatt zuzuordnen (Saurma-Jeltsch [2001] Bd. 1, S. 133).

Format und Anordnung:

Die Bilder sind in der für die Lauber-Werkstätte typischen Weise ganzseitig und ohne Umrandung ausgeführt und mit Bildüberschriften sowie mit einer Zählung versehen, wodurch die Bilder wie eine Art Eingangsseite zum nachfolgenden Abschnitt wirken.

Bis auf geringfügige Ausnahmen weist die Handschrift Bilder an denselben Textstellen auf wie Handschrift o (Nr. 99.0.2.) in der rekonstruierten Fassung vor der Bildberaubung (Bild auf 403r: Verschiebung um einen Vers gegenüber n; an zwei Stellen, an denen o Bilder aufweist, hat n nur Überschriften, aber keine Illustrationen; die Bilder auf 27r und 96r begegnen nur in n). Wie auch textgeschichtlich, so gibt es also auch im Bildprogramm einen engen Zusammenhang der beiden Handschriften. Beide Handschriften illustrieren zudem (bis auf eine Ausnahme) alle Textstellen, die auch in dem weniger umfangreichen Programm von m (Nr. 99.0.7.) mit Bildern oder Überschriften versehen wurden.

Sehr wahrscheinlich stellt das Programm von n und o daher eine Erweiterung eines ursprünglichen Bildprogramms dar, wie es in m erscheint. Während dieses sich, wie die Positionierung der Illustrationen verrät, vermutlich an einem älteren Großgliederungssystem des Textes aus der ›Parzival‹-Überlieferung orientiert hat, sind in der Erweiterung auch überlieferungsgeschichtlich weniger prominente Einschnitte mit Illustrationen versehen worden.

Bildaufbau und -ausführung:

Für gewöhnlich bildet eine grün lavierte Fläche den Untergrund, sowohl in Innen- als auch in Außenszenen. Die Figuren sind zumeist in unnatürlichen, nach Bedeutung sortierten Größenverhältnissen wiedergegeben, ebenso sind die Köpfe unnatürlich groß. In der Figurendarstellung gibt es eine Vorliebe für achsial angeordnete Paare von Einzelfiguren. Bei Kampfszenen wird mit Vorliebe der Schwertkampf von unberittenen Kontrahenten zu Fuß dargestellt.

Bildthemen:

Ausführliche Bildthemenliste bei Saurma-Jeltsch (2001).

Wie in Handschrift o (Nr. 99.0.2.) können im Bildprogramm grob zwei Typen unterschieden werden: Handlungsbezogene Bilder und so genannte Situationsetiketten (Saurma-Jeltsch [2001] Bd. 1, S. 82–84), die weniger zur Handlungsillustration als zur Darstellung typischer, wohl als ›höfisch‹ empfundener Szenen dienen. Zum Teil lassen sich diese Situationsetiketten sogar zu kleineren Parallelsequenzen zusammenordnen (etwa: Ausfahrt des Helden – Kampf – Ankunft des Helden), die sich gar nicht aus dem Textbezug, sondern bloß aus der bildlichen Abfolge ergeben (Saurma-Jeltsch [1992] S. 142).

Diese Zweiteilung lässt sich in n bereits im Überschriftenprogramm verfolgen und sehr wahrscheinlich auf die überlieferungsgeschichtlichen Verhältnisse zurückführen: Während in einer ursprünglicheren Schicht, die teilweise noch in m (Nr. 99.0.7.) ersichtlich ist, das Bildprogramm auf einer inhaltsbezogenen Gliederung aufbaut, wurde das Programm in n und o offensichtlich durch Situationsetiketten erweitert; auch einige der ursprünglichen Einschnitte wurden im Sinne dieser Situationsetiketten umgestaltet. Da die Überschriftenprogramme von n und o diesbezüglich weitgehende Übereinstimmungen zeigen, ist für diesen Schritt mit einer gemeinsamen Vorstufe (eventuell auch nur in Form eines Gliederungskonzepts) zu rechnen, die in den einzelnen Handschriften aber noch individuell weiter ausgestaltet wurde.

Schon das Eingangsbild (5v) zeigt eine Ausfahrtsszene, die zwar zum im Text erzählten Aufbruch Gahmurets aus seiner Heimat passt, sich aber auch allgemein als Kennzeichnung des Texts als Ritterroman interpretieren lässt. Die zwölf weiteren Bilder zur Gahmuret-Vorgeschichte (12r–83v) lassen sich als Situationsetiketten verstehen und zeigen keinen über die Überschrift hinausgehenden signifikanten Textbezug. Zum Teil scheint die Differenz zwischen unterschiedlichen Figuren bei der bildlichen Umsetzung wenig Bedeutung gehabt zu haben, so sind etwa Herzeloyde und Belakane mit dem gleichen Königinnen-Figurentypus dargestellt.

In der ersten Parzival-Partie, die mit 20 Bildern illustriert ist (87r–237v), sind die Darstellungen zum Teil noch weniger konkret als die der Schwesterhandschrift o (Nr. 99.0.2.), etwa bei der sehr allgemein gehaltenen Darstellung von Parzivals Aufwachsen in der Waldeinöde Soltanie (87r). Auffällig textbezogen bleibt allein die Darstellung von Parzivals Aufeinandertreffen mit Sigune, welche dem Text entsprechend auf einer Linde sitzt und dort ihren toten Ritter Schionatulander im Arm hält (185v). Die Tötung von Ither, die Befreiung Pelrapeires und die Kämpfe vor Parzivals Ankunft am Artushof sind wie in o Teil des durch die Überschriften vorgegebenen Bildprogramms, aber zumeist lediglich indirekt oder mit allgemeinen Darstellungen thematisiert. Wie in o ist die Beschuldigung Parzivals durch Kundrie nicht ins Bild gesetzt, stattdessen aber die Kampfansage Kingrimursels an Gawan.

Auch die acht Bilder zur ersten Gawan-Partie (250v–313v) lassen sich als Situationsetiketten verstehen, besonders charakteristisch ist hier etwa die Illustration auf 271r, bei der das gern um ritterschafft an Gawan, mit der im Überschriftentext Lyypauts Hilfeansuchen aus dem Text zusammengefasst wird, als der Wunsch nach einem (für die Abfassungszeit des ›Parzival‹ unzeitgemäßen) Ritterschlag uminterpretiert wird (Stamm-Saurma [1987] S. 49).

Die ersten beiden Bilder der zweiten Parzival-Partie (320r und 329v) zeigen dieselben auffälligen Abweichungen vom Text, die auch in o erscheinen und daher mutmaßlich bereits durch das Überschriftenprogramm einer gemeinsamen Vorlage von n und o vorgegeben wurden: Das Gespräch des Erzählers mit Frau Aventiure wird zum innererzählweltlichen Gespräch von Gawan mit Sigune umgedeutet, die Begegnung mit dem bußfertigen grauen Ritter zur Kampfszene. Vier weitere Gesprächsszenen zu diesem Abschnitt (335r–366r) verraten keine über die Überschriften hinausgehende Textkenntnis.

Die elf Bilder der zweiten Gawan-Partie (377v–481v) zeigen erneut die Lauber-typische Tendenz zur Entdramatisierung: Die Beziehung zwischen Gawan und Orgeluse ist anders als im Text weitgehend als unproblematisch dargestellt, die zentrale Schastel-Marveile-Episode ist nicht direkt ins Bild gesetzt worden. Mit fünf Bildern ist der Schluss illustriert (499r–582r), die Szenen sind allgemein und nach der Manier des Zeichners gehalten, so ist etwa die abschließende Erlösung von Anfortas als schlichtes Gespräch zweier sich gegenüberstehender Einzelfiguren gestaltet.

Farben:

Rot, Blau, Grün, Rosa.

Literatur:

Bartsch (1887) S. 81; Wegener (1927) S. 46; Miller/Zimmermann (2007) S. 125–127. – Kautzsch (1895) S. 106f.; Benziger (1914b) S. 27–33, 48–52; Stammler (1962b) S. 142; Frühmorgen-Voss (1975c) S. 21; Becker (1977) S. 80–82; Traband (1982) S. 85; Schirok (1985) S. 5, 42–79, 186–191; Mittler/Werner (1986) S. 86f.; Stamm-Saurma (1987) S. 66; Flood (1989) S. 202f.; Saurma-Jeltsch (1992) S. 146–149; Ott (1992c) S. 123; Ott (1995) S. 96; Saurma-Jeltsch (1999) S. 253, 283, 291f.; Zimmermann (1999) S. 147f.; Drecoll (2000) S. 24f.; Saurma-Jeltsch (2001); Stephan-Chlustin (2004) S. 41–200; Obermaier (2005); Ernst (2006) S. 165; Viehhauser-Mery (2009); Klein (2011) S. 946; Schirok (2011) Bd. 1, S. 345–349; Schmitz (2012)S. 235–237; Meyer (2015) S. 198–206; Ohlendorf (2017) S. 37–44, 178–246.

Abb. 207: 271r. Ritterschlag.

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Abb. 207.