KdiH

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37.2.15. Princeton (New Jersey), Princeton University, Firestone Library, Cotsen Children’s Library (CTSN) 40765

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1430.

Lokalisierung:

(Nieder-?)Österreich.

Besitzgeschichte:

Die Handschrift hat einen Augsburger Renaissance-Einband von 1577 (vgl. die Einbandstempel EBDB r003563 und r003557). Auf dem 1577 eingefügten Vorsatzblatt Ir ein radierter Eintrag mit Signatur Va oder Vu 15. Ende des 19. Jahrhunderts in die Sammlung des Grafen Johann Nepomuk von Wilczek (1837–1922) auf Burg Kreuzenstein (Korneuburg/Niederösterreich) gelangt (Provenienz aufgrund der Ir eingetragenen Inv.Nr. 28091 ermittelt durch Regina Cermann; zu Kreuzensteiner Handschriften vgl. Franz Lackner: Handschriften aus der Burg Kreuzenstein in der Österreichischen Nationalbibliothek. Codices manuscripti 27/28 [1999], S. 9–36). Verkauft über Nicolas Rauch, Genf, Auktion 5 (24. November 1953); später über das Antiquariat Reiss & Sohn, Königstein im Taunus, in das Antiquariaat FORUM (Sebastiaan S. Hesselink) gelangt (Les Enluminures. Catalogue 209 [1998] Nr. 19). Danach im Besitz von Lloyd E. Cotsen, Los Angeles, amerikanischer Kunstsammler und Gründer mehrerer Stiftungen, der 1997 seine Sammlung illustrierter Kinderbücher der Firestone-Library der Princeton University vermachte und die Handschrift nachträglich in den Sammlungskontext einfügte.

Inhalt: (für grundlegende Hilfe zur Bestimmung der Texte 2 bis 6 danke ich Gisela Kornrumpf und Regina Cermann):
1. 1ra–70vb Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch

Hs. Pr; Prolog, Buch I–IV

2. 71ra–137va Österreichischer Bibelübersetzer, Auszüge aus Proverbia, Ecclesiastes, Sapientia und Jesus Sirach, deutsch, mit Glosse; darin u. a. der Traktat ›Von der juden jrrsal‹

genannt bei Gisela Kornrumpf, in: 2VL 11 (2004) Sp. 1097–1110, insb. Sp. 1107 f.; dies.: Österreichischer Bibelübersetzer. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. Zweite, vollständig überarbeitete Auflage. Bd. 8 (2010), S. 682–684, hier S. 683 f.

3. 137va–139va ›Lehre vom Haushaben‹ (Ps.-Bernhard von Clairvaux, ›Epistola ad Raymundum‹, deutsch)

Übersetzung A, vgl. Volker Zimmermann: ›Lehre vom Haushaben‹. In: 2VL 5 (1985) Sp. 662–667; die Übersetzung ist möglicherweise dem Österreichischen Bibelübersetzer zuzuschreiben; dazu Gisela Kornrumpf, in: 2VL 11 (2004), Sp. 1104

4. 139va–172rb Österreichischer Bibelübersetzer, ›Von unsers herren marter‹ (Auszug aus dem ›Klosterneuburger Evangelienwerk‹, Erstfassung)

siehe oben zu Text 2

5. 172rb–175va Österreichischer Bibelübersetzer, ›Ein besonder urkund von unsers herren urstend‹, nach dem ›Nikodemus-Evangelium‹ (Auszug aus dem ›Klosterneuburger Evangelienwerk‹, Erstfassung)

siehe oben zu Text 2

6. 177ra–305ra Bruder Berthold, ›Rechtssumme‹

Überlieferung bei: Helmut Weck: Die ›Rechtssumme‹ Bruder Bertholds. Eine deutsche abecedarische Bearbeitung der ›Summa Confessorum‹ des Johannes von Freiburg. Die handschriftliche Überlieferung. Tübin-gen 1982 (Texte und Textgeschichte 6), ohne diese Handschrift; weitere Textzeugen siehe Handschriftencensus

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 306 Blätter (moderne Zählung, Blatt 306 ist ein neuzeitliches Nachstoßblatt; unbeschrieben ferner 176r–v, 186r–v), ca. 380 × 270 mm, zweispaltig, drei Schreiber, I: 1r–166v, Bastarda, 38–55 Zeilen, Text 1 mit roten Überschriften und Stricheln, Initialen meist über zwei bis drei Zeilen in wechselnden Farben, gelegentlich figural ornamentiert (29vb Tiergroteske und Rankenstab, 40va Bogenschütze, 44ra Gesichtsprofil), Initialen und Ranken sind gelegentlich nicht ausgeführt bzw. nur umzeichnet; Text 2–4 rubriziert bis 155v, danach ohne Rubrizierung, Platz für Initialen ausgespart; II: 167r–175v, Bastarda, 49–57 Zeilen, rubriziert, Platz für Initialen ausgespart; III (der Namenseintrag [?] Achacius 185v am Ende des Registers dürfte sich kaum auf den Schreiber beziehen): 177r–305r, Bastarda, 48–55 Zeilen, rubriziert, Initialen über zwei bis neun Zeilen, gelegentlich (z. B. 187ra, 227ra–b) mit mehrfarbigem Fleuronné und anderer Ornamentik.

Schreibsprache:

bairisch-österreichisch.

II. Bildausstattung:

Zu Text 1 96 kolorierte Federzeichnungen (Blattangaben siehe Bildthemen und Bildstellenübersicht). Zwei Hände. Die Illustration zur Vorrede 1rb wurde eingeklebt: eine Deckfarbenminiatur von dritter Hand.

Format und Anordnung:

viertelseitig in unterschiedlichen Größen zwischen dem Text. Ungerahmt (1ra mit Pinselstricheinfassung), die lineare Einfassung der Textspalte gibt zwar eine gedachte Bildrandung vor, doch greift die Bildanlage häufig auf die Randstege aus. 19rb versehentlich vom Schreiber kein Bildraum freigehalten, der Zeichner fügt die Illustration zu I,26 (Drei Edelsteine) am oberen Blattrand ein.

Bildaufbau und -ausführung:

weiche Vorzeichnung mit brauner Feder (die zweite Hand mit schwarzer Feder), flächige, nicht sehr sorgfältige Kolorierung in lavierten, oft unterschiedlich dick nebeneinander aufgetragenen oder tonig neben- und ineinander gesetzten Farben, unter Einbeziehung des weißen Papiergrunds zur plastischen Modellierung. Die Figuren agieren auf einem flächig grün kolorierten, mit gelegentlichen kurzen und langen, gebogten Federstrichen für Grasbewuchs besetzten Bodenstück, das manchmal mit der Feder lappig umzeichnet ist, oft auch ohne durchgehende Umrisse bleibt. Kulissen bilden Bäume mit kräftigen, kurvig umzeichneten, gelb (oder grün) kolorierten Stämmen und bauschigen Kronen, der Himmel ist nur manchmal in blau-gelben Pinselstreifen angegeben.

Die Figuren sind unperspektivisch nebeneinander plaziert, eine räumliche Hintereinanderstaffelung gelingt nur selten, in der figurenreichen Darstellung zu I,16 (Esel, Löwe und Wölfe) etwa verteilt der Zeichner die Akteure völlig frei im Raum, so daß man das Bild drehen müßte, um das jeweilige Fabeltier in der richtigen Position betrachten zu können. Ein zweiter Zeichner scheint gelegentlich Tierfiguren zugefügt zu haben, ohne dabei stets mit dem Fabelthema vertraut gewesen zu sein (3rb der heraldische Adler, vgl. auch 9rb, 17vb, 28vb, 31vb, 48vb, 58vb). Tiere wie Menschen sind in der Regel naiv, fast kindlich gezeichnet, bei den menschlichen Figuren fällt die Wahl sehr modischer Kleidung mit ausladenden und weit schwingenden Zaddelärmeln auf. Unter den Tieren werden dem Fuchs einmal (36ra, zu II,20 Fuchs und Affe) nicht dem Fabeltext entlehnte, offenbar spontan durch andere Fuchs-Motivik inspirierte Attribute beigegeben: Aus seinem umgebundenen Schultertuch schaut mindestens ein Gänsekopf heraus. Der Adler ist an beiden Stellen seines Vorkommens (2rb, 63vb) bekrönt.

Fast modern wirkt die Lösung, in unbelebte Objekte Gesichter nicht einfach einzuzeichnen, sondern die Konturlinie eines Bodenstücks in ein menschliches Gesichtsprofil zu transformieren (29va, 59vb, 61rb). Singulär in der Überlieferung: Einzelnen Szenen wird ein (unbeschriftetes) Spruchband beigegeben, wohl um auf die mündliche Unterweisungssituation hinzuweisen (3rb, 4rb, 14vb, 18vb).

Bildthemen:

In der Deutung der Bildthemen ist die Handschrift dem Münchener Cgm 254 sehr verwandt, verzichtet aber auf Simultandarstellungen (Ausnahme: 17ra [zu I,23 Fuchs und Schlange], hier auch abweichend vom Cgm 254) und auf die anspruchsvollen Sphärenzirkel zur Darstellung von Himmelsphänomenen. Auch die eingeklebte Vorredenillustration 1rb entspricht Cgm 254 (ein in Umarmung stehendes Paar, dazu Wurm, Heuschrecke und Käfer). Insbesondere bei der Darstellung der abstrakten Protagonisten zeigt sich die Nähe sehr deutlich, allerdings auch hier mit individuellen Varianten; z. B. 23va (zu II,1) die Seele in Gestalt eines Kindes, das dem Mund des am Boden liegenden Mannes entweicht; 25vb (zu II,8) Wille anders als Cgm 254 als junger Mann in modischer Kleidung, der einem (durch seinen Kinnbart als der ältere markierten) anderen Mann gegenübertritt (vgl. London, 51v [Nr. 37.2.7.]); 27rb (zu II,10) Begierde und Verständigkeit als Paar: Nebeneinander auf einer Bank sitzen und debattieren ein junger Mann in geistlichem Ornat (Mitra und Stab, der hier nicht in einem Kreuz, sondern in einer Flamme[?] endet) und eine Frau mit markanter Pelzkappe wie im Cgm 254; 47vb (zu III,4) Fortuna nicht als Frau, sondern als Jüngling (ohne Kugel als Standfläche), er tritt gestikulierend auf den besitzgierigen Mann zu, der mit Geldbeutel in der Hand auf einem Podesthocker sitzt. – 18vb (zu I,25) Ohr und Auge als separierte Körperteile, jedoch nicht in einen Landschaftsraum, sondern auf eine dunkelrosa getünchte Fläche plaziert.

Farben:

kräftige Grün-, Ocker- und Brauntöne, dazu Gelb, Grau, Schwarz, Blau, Rosa, wenig Rot.

Literatur:

Manuscrits enluminés […] Vente aux enchères à Genève 2, Place du Port. Mardi 24 et mercredi 25 Novembre 1953. Nicolas Rauch S.A. Catalogue 5, S. 8. Nr. 11, Taf. 4 (27rb. 8vb. 34rb. 17vb. 25vb); A Newly Discovered Illustrated Manuscript of the Cyrillus-Fables in Ulrich von Pottenstein’s Middle High German Translation from the Collection of a Continental Nobleman. Antiquariaat FORUM & Les Enluminures.’t Goy-Houton 1998 (Studies on Illuminated Manuscripts of the Middle Ages and the Renaissance, First Series 1), zahlreiche Abb. (8rb. 1ra. 43vb. 27rb. 33vb. 23vb. 18vb. 13rb. 23v–24r. 58vb. 17vb. 29va. 52vb. 64rb. Einband. 61r. 25vb).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXXIIb: 24r. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Mann klettert, von Affe und Rabe beäugt, am Mastbaum hoch; Fuchss hockt vor Affe, der mit Zepter in der Hand auf einem Thronstuhl sitzt (Fabel II,6. Affe am Schiffsmast und Rabe / Affe auf dem Thron und Fuchs).

Abb. 110: 63r. Ulrich von Pottenstein, Cyrillusfabeln, deutsch: Pfau mit gespreiztem Rad vor einer sich ringelnden Natter (Fabel III,26. Gebärende Natter).

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Taf. XXXIIb.
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Abb. 110.