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47. ›Gesta Romanorum‹

Bearbeitet von Peter Schmidt

KdiH-Band 6

Unter dem Werktitel ›Gesta Romanorum‹ verbirgt sich eine in lateinischer Sprache wie auch in den Volkssprachen äußerst unfest überlieferte Sammlung von moralisierenden Exempeln. Wenn auch der bereits im Mittelalter gängige Titel einen durchgehenden Bezug der Exempelstoffe zur römischen Geschichte nahelegt, sind doch die Erzählungen nur zum Teil auf antike Sagen und Historiographie zurückzuführen und werden daneben aus vielfältigen anderen Stoffkreisen (Bibel, Hagiographie, Fabeln, Naturkunde und vieles mehr) gespeist. Sie fanden zumeist auf dem Weg über ältere Kompendien Eingang in die ›Gesta Romanorum‹, welche ihrerseits in stetigem Stoffaustausch mit anderen Exempelsammlungen ihren Bestand ständig veränderten.

Wann und wo erstmals eine frühe Fassung derartiger ›Gesta‹ zusammengestellt worden ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; in der Forschung werden englische, eher aber deutsche Entstehungskontexte vor der Mitte des 14. Jahrhunderts diskutiert (den Terminus ante quo liefert die älteste datierte Handschrift Innsbruck, Universitätsbibliothek, Cod. lat. 310 von 1342). Unbestritten ist die intendierte Bestimmung der ›Gesta‹ als Stofffundus für die geistliche Unterweisung, speziell für den franziskanischen Predigtgebrauch. Die Überlieferung in lateinischer Sprache ist äußerst umfangreich (Weiske [1992] kennt über 300 Handschriften). Nach Herkunft und Bestand gliedert die Forschung auf der Basis der Untersuchungen Oesterleys (1872) die Korpusüberlieferung in eine recht einheitliche »insulare Gruppe« (maximal 103 Kapitel) und eine sehr uneinheitliche, in weitere Untergruppen zu differenzierende »kontinentale Gruppe«. In sämtlichen Bestandsgruppen gehen die ›Gesta Romanorum‹ signifikant häufig, jedoch in unterschiedlichen Formen, Überlieferungsgemeinschaften mit den ›Sieben weisen Meistern‹ (siehe Stoffgruppe 119.) ein. Ob dies auf einen gemeinsamen Entstehungskontext, gar auf ein und denselben Verfasser zurückgeht – wie Hommers (1968, S. 16 f.) und Roth (2004, Bd. 1, S. 199–204) meinen belegen zu können – oder ein sekundäres Überlieferungsphänomen ist (Weiske [1992] Bd. 1, S. 26), bleibt nach wie vor offen. Neben der Korpusüberlieferung existieren umfangreiche, noch nicht systematisch erfasste Streuüberlieferungen und zahlreiche Adaptationen von Exempeln aus den ›Gesta Romanorum‹ in anderen Werkzusammenhängen. Einzelne Stoffe entwickeln, aus dem Sammlungszusammenhang herausgelöst, eine eigenständige literarische Existenz (z. B. Apollonius von Tyrus, siehe Stoffgruppe 7.).

Die volkssprachige Rezeption konzentriert sich auf den deutschen Raum; bekannt sind 59 Handschriften von Korpusbearbeitungen seit dem 14. Jahrhundert (Handschriftencensus Stand 8/2014); englische Übersetzungen sind deutlich rarer überliefert (Weiske kennt nur vier Handschriften), die niederländische Tradierung beginnt erst mit dem Frühdruck (Gouda: Gerard Leeu, 1481); ins Französische finden die ›Gesta Romanorum‹ als Sammlung erst mit dem Druck ›Le violier des histoires Rommaines‹ (Paris: Jean de la Garde, 1521) Eingang.

Die deutsche Korpusüberlieferung ist ebenso offen und unfest wie die lateinische, für sie ist der enge Überlieferungszusammenhang mit den ›Sieben weisen Meistern‹ gleichermaßen prägend. Die Varianten bewegen sich zwischen einem nahezu völligen Verschmelzen beider Texte und einem bloßen Hintereinanderstellen: In den Handschriften der deutschen Fassung IIa–c (Hommers) bzw. a (Gerdes) etwa werden die Geschichten der ›Sieben weisen Meister‹ zwischen zwei Blöcke von Erzählungen der ›Gesta Romanorum‹ eingeschoben und damit so »einverleibt«, dass sie sich als eigenständiger Text nicht von den ›Gesta‹ absetzen. Anders die Handschriften der deutschen Fassungen IIIa–b (Hommers) bzw. g (Gerdes): Sie beginnen mit einer Redaktion der ›Sieben weisen Meister‹; eine Auswahl von ›Gesta‹-Erzählungen schließt sich gewissermaßen als Anhang an.

Die Betrachtung der bebilderten oder zur Bebilderung vorgesehenen Textzeugen beider Werke ergibt einen auffallend stark konturierten Befund: Überraschend ist zunächst die Feststellung, dass die ›Gesta Romanorum‹ in der deutschsprachigen wie in der lateinischen Rezeption – zumindest als Korpus – gar keinen nennenswerten Anreiz zur Illustrierung boten.

Die wenigen durchgängig bebilderten oder zur Bebilderung vorgesehen Codices gehören sämtlich genau den Redaktionen (Gerdes g / Hommers IIIa, IIIb, IIIc) an, in der eine ›Gesta‹-Auswahl die ›Sieben weisen Meister‹ nur ergänzt. Für die Entscheidung zugunsten einer Bildausstattung scheinen hier die ›Sieben weisen Meister‹ mit ihrem narrativen Rahmen ausschlaggebend gewesen zu sein. Deshalb sind Handschriften dieses Typs im vorliegenden Katalog in der Stoffgruppe 119. ›Sieben weise Meister‹ beschrieben.

In anderen Textkombinationen, in denen die ›Sieben weisen Meistern‹ nicht so vorrangig in Erscheinung treten, ist die Bebilderung der ›Gesta‹ nur für drei Handschriften der Redaktion a (bzw. IIc) belegt und zudem äußerst rudimentär: Die beiden in Landshut entstandenen Schwesterhandschriften München, Universitätsbibliothek 4o Cod. ms. 480 und 4o Cod. ms. 481 (Nr. 47.0.2. und Nr. 47.0.3.) tragen einem der Verehrung des heiligen Eustachius geschuldeten Gebrauchsinteresse Rechnung; nur in ihnen ist die Eustachius-Legende programmatisch an den Anfang der Exempelreihe gerückt und zudem mit einem Bildpaar illustriert worden. Auf die Relevanz dieser Legende für den ursprünglichen Gebrauchszusammenhang beider Handschriften deuten weitere Indizien: In 4o Cod. ms. 480 wird zwischen den Benutzernotizen auf den Schlussblättern auch der Legendentext erneut anzitiert (370v oben), in 4o Cod. ms. 481 findet sich auf der allerersten Seite (Rectoseite des Eingangsbildes) aus unerfindlichen Gründen ein von Schreiberhand sorgfältig eingetragenes weiteres Exzerpt des Textes.

Keinerlei Konzept verraten die Bildbeigaben, mit denen 1466 vielleicht der Schreiber Lienhart Frölich selbst seine Abschrift ausgestattet hat (Nr. 47.0.1.).

Auch den deutschsprachigen ›Gesta‹-Inkunabeln fehlt eine auf sie bezogene Bebilderung; während die niederländische, 1481 in Gouda gedruckte Übersetzung (GW 10889) mit sieben Holzschnitten versehen wurde (ebenso der Neudruck Zwolle: Peter van Os, 1484 [GW 10891]: neun Holzschnitte) und der französische Druck ›Le violier des histoires Rommaines‹ (siehe oben) 48 Holzschnitte enthält, sind in der deutschsprachigen Drucküberlieferung nur diejenigen Fassungen illustriert, die der Redaktion g bzw. IIIa/IIIc entsprechen.

Editionen:

Eine kritische Edition fehlt. Abdruck nach München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 54: Gesta Romanorum. Das ist Der Roemer Tat. Hrsg. von Adelbert Keller. Quedlinburg/Leipzig 1841 (Bibliothek der gesammten deutsche National-Literatur von der ältesten bis auf die neuere Zeit 23).

Literatur zu den Illustrationen:

Hermann Oesterley (Hrsg.): Gesta Romanorum. Berlin 1872 (Nachdruck Hildesheim/New York 1980). – Peter Hommers: Gesta romanorum deutsch. Untersuchungen zur Überlieferung und Redaktionengliederung. Diss. München. Markdorf 1968. – Udo Gerdes: Gesta Romanorum. In: 2VL 3 (1981), Sp. 25–31. – Bodo Gotzkowsky: Volksbücher, Prosaromane, Renaissancenovellen, Versdichtungen und Schwankbücher. Bibliographie der deutsche Drucke. Teil 1: Drucke des 15. und 16. Jahrhunderts. Baden-Baden 1991 (Bibliotheca Bibliographica Aureliana 125), S. 277–306. – Brigitte Weiske: Gesta romanorum. 2 Bde. Tübingen 1992 (Fortuna vitrea 4). – Detlef Roth: ›Historia septem sapientum‹. Überlieferung und textgeschichtliche Edition. 2 Bde. Tübingen 2004 (MTU 126–127).

Siehe auch:
  • Nr. 51.10. Heiligenleben. Eustachius
  • Nr. 119. ›Sieben weise Meister‹