99.0.5. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 19
Bearbeitet von Gabriel Viehhauser
KdiH-Band 9
Mitte 13. Jahrhundert (nach
Bairisch-ostalemannischer Sprachraum.
Wie aus dem gemalten Exlibris im inneren Vorderdeckel mit der Jahreszahl 1568 hervorgeht, befand sich die Handschrift zu dieser Zeit im Besitz des Sebald Müllner von Zweiraden, der dem Münchener Hof Herzog Wilhelms V. als fürstlicher Rat, Küchen- und Hofmeister angehörte. Dieser schenkte die Handschrift im Jahr 1578 der Münchner Hofbibliothek, wie am unteren Rand des hinteren Deckelspiegels vermerkt ist.
1. | 1r–70v |
Wolfram von Eschenbach, ›Parzival‹
Handschrift G
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2. | 71r–74r | Wolfram von Eschenbach, ›Titurel‹ |
74v | Federproben | |
3. | 75r |
Drei Prosatexte: ›Der nackte Bote‹, ›Die ertrunkene Seele‹, ›Ritter Poppe und Graf Wernart von Lewenperch‹
Nachtrag einer Hand aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der dritte Text unvollständig
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4. | 75v | Wolfram von Eschenbach, zwei Tagelieder (›Den morgenblic‹, ›Sîne klâwen‹) |
Pergament, 75 Blätter, 295–300 × 210 mm, Textualis, sechs Schreiber und ein Nachtragsschreiber (I: 1ra–32vc, Z. 44 und 71ra–74rc, II: 32vc, Z. 45–54vc, III: 55ra–68va, Z. 3, 69rb, Z. 11 und 69vc–70vc, IV: 68va, Z. 4–69rb, Z. 10, V: 69rb, Z. 12–69vb, VI: 75v, VII: 75r, Schreiber I ist auch Hauptschreiber des Cgm 51, aus dem gleichen Skriptorium stammen zudem die Fragmente Cgm 194/III und vermutlich auch Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. a VI 56), dreispaltig (außer 75r: zweispaltig und 75v: einspaltig), 52–79 Zeilen, Initialen in Rot, Blau, Rosa und dunkler Tintenfarbe, zwei Großinitialen (1r zu Textbeginn und 15v zur Verschleierung eines Pergamentschadens).
bairisch-ostalemannisch.
Zwölf in Deckfarben und Gold ausgeführte Illustrationen (Bl. 49 und 50).
Die Bilder befinden sich auf einem eigens in den Text eingeschobenen Doppelblatt. Die vier Seiten sind jeweils horizontal durch ocker-orangerote Querbalken dreigeteilt. Für diese Anordnung der Bildseiten wurden unterschiedliche Vorbilder vermutet, etwa Skizzen für Wandteppiche (
Eine ähnliche Anordnung in Register zeigt auch das Bildprogramm der Münchner ›Tristan‹-Handschrift Cgm 51, die (wie das ›Parzival‹-Fragment 17 [Cgm 194/III] und vielleicht auch Fragment 20 des ›Wilhelm von Orlens‹ von Rudolf von Ems [Salzburg, Stiftsbibliothek St. Peter, Cod. a VI 56]) im selben Skriptorium erstellt worden ist (siehe dazu künftig die Stoffgruppen 129. und 138.).
Im Gegensatz zum Bildprogramm des Cgm 51, das stark auf Dynamik ausgelegt ist, sind die Bilder des ›Parzival‹ deutlich auf bildliche Geschlossenheit und Symmetrien hin konzipiert, welche auch durch die Bildabfolge noch betont werden.
So weisen die Seiten mit den drei Registern in mehrfacher Hinsicht eine rhythmische Gliederung auf. Das betrifft zunächst die Bildhintergründe, die auf 49r von oben nach unten grün, gold und blau gestaltet sind, auf der entsprechenden Versoseite gold, grün und blau (vgl. hierzu
Jede Bildseite scheint zudem zwar auf ein bestimmtes Thema zentriert (
Auch innerhalb der einzelnen Bildseiten zeigt sich ein auffälliges Bemühen um Symmetrie, mit deren Hilfe offensichtlich Korrespondenzen und Kontraste verdeutlicht werden sollen (
Die wichtigsten der dargestellten Figuren sind in der Regel mit Textbändern versehen, die deren Namen tragen (in manchen Fällen ist die Ausführung des Namenszugs unterblieben). Zum Teil sind die Namen auch in den Querbalken der Bilder festgehalten.
Die Bilder zeigen Szenen aus dem Schlussteil des Parzival. Ob weitere Illustrationen vorgesehen waren oder verloren gegangen sind (entsprechende Vermutungen bereits bei
Die erste Bildseite stellt die Versöhnung zwischen Artus und dem König Gramoflanz am Heerlager von Joflanze dar, die sich in drei Bildern vollzieht, wobei sich die beiden Kontrahenten auch kompositorisch immer mehr aufeinander zubewegen. Den Höhepunkt stellt schließlich im dritten Bild der Versöhnungskuss zwischen Orgeluse und Gramoflanz vor dem versammelten Artushof dar sowie, im auf der nächsten Seite folgenden vierten Bild, ein Festbankett, die erste von drei Tafelszenen des Bildzyklus.
Danach folgen in den Bildern 5 und 6 zwei Darstellungen, die den Kampf von Parzival mit dessen Halbbruder Feirefiz sehr textgetreu in Szene setzen: In Bild 5 tragen die beiden Kontrahenten Helme, die ein gegenseitiges Erkennen verhindern. Gezeigt wird genau der Moment, in dem – durch Gottes Eingreifen bedingt – Parzivals Schwert zerspringt. In Bild 6 sind die beiden Kontrahenten in der darauf folgenden Kampfpause ohne Helm gezeigt, der Moment ihres Erkennens wird durch die Namensbänder unterstrichen, die die beiden Brüder in ihren Händen halten. Im siebenten Bild gelangen Parzival und Feirefiz an den Artushof, worauf im achten Bild erneut eine Tafelszene mit einem Festbankett folgt. Bei diesem Bankett befindet sich die textgetreu mit Eberzähnen dargestellte Gralbotin Kundrie zu Füßen von Parzival, den sie offensichtlich für ihre Beschuldigungen um Verzeihung bittet. Insbesondere für diese Szene wurden Anklänge an christliche Ikonografien wie die Fußwaschungsszene und zum Teil auch die Übertragung entsprechender religiöser Sinngehalte auf den ›Parzival‹-Text vermutet.
In Bild 9 reiten Parzival und Feirefiz gemeinsam mit Kundrie zur Gralburg, dort folgt, auf der nächsten Seite in Bild 10 dargestellt, eine dritte Tafelszene. In Bild 11 ist die Szene festgehalten, wie Parzival nach Jahren der Trennung wieder auf seine Frau und seine zwei Söhne trifft (anders als im Text findet diese Begegnung auf offenem Feld zu Pferd statt). Im zwölften Bild sind schließlich zwei Szenen vereint: Auf der linken Seite die Taufe des Feirefiz, auf der rechten Seite eine so nicht im Text vorkommende Szene, in der Feirefiz, offenbar den heidnischen Göttern abschwörend, eine Götzenstatue zerschlägt. Auch mit diesem finalen Bild wird eine letztlich eigenständige Akzentuierung des Textes im Bildprogramm ersichtlich, die auf eine Hervorhebung der religiösen Komponente hinausläuft.
Rot, Grün, Gold, Blau, Rosa, Braun.
Archivbeschreibung Erich Petzet (1906); Handschriftencensus; Parzival-Projekt