KdiH

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96a.0.1. Colmar, Bibliothèque municipale, Ms. 495

Bearbeitet von Sarah Glenn DeMaris

KdiH-Band 9

Datierung:

Um 1465 (Hamburger [1998b] S. 280).

Lokalisierung:

Dominikanerinnenkloster Unterlinden, Colmar.

Besitzgeschichte:

Im Kloster Unterlinden bis zu dessen Aufhebung 1792. Danach im Besitz einer ehemaligen Schwester des Klosters, Henriette Spies aus Schlettstadt (Familienwappen auf der Rectoseite des Vorsatzblattes, 1r, 2r, 42r, Rectoseite des Nachsatzblattes; siehe auch Leroy [2000–2001] S. 255) bis zu ihrem Tod, nachdem die Handschrift über Louis Maimbourg († 1854) und Wendelin Meyblum († 1885), beide Pfarrer in Colmar, schließlich in Obhut des Colmarer Bibliothekars Louis Philippe Hugot kam, der Mai 1857 den ›Liber miraculorum‹ in eine Liste von Maimbourgs Handschriften aufnahm (Ingold [1897a] S. 88f. und Ingold [1897b] S. 99f.). Danach wohl in Vorgängerinstitutionen der Stadtbibliothek Colmar.

Inhalt:
1. 1r–29v ›Liber miraculorum‹, abwechselnd lateinisch mit deutscher Übersetzung
2. 30r–41r Gebete an Maria, organisiert nach den Stunden, deutsch
3. 41r–42v Texte über den Altar
41r–42r Weihe und Ablässe, deutsch; 42v Stifter, lateinisch
4. 42v Zwei Nachträge, lateinisch
Überführung des Altars an die Colmarer Dominikaner; Gebet an Maria
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament (Vorsatzblatt Papier), I + 42 + I Blätter, 125 × 90 mm, Textura, eine Hand (zwei Nachträge in zwei weiteren Händen, beide Bastarda), einspaltig, acht bis 17 Zeilen, eine fünfzeilige J-Initiale mit Blattverzierung, einzeilige rote Lombarden, rote Strichelung, Ausstreichungen und Überschriften.

Schreibsprache:

niederalemannisch.

II. Bildausstattung:

Ein ganzseitiger unkolorierter Metallschnitt (Vorsatzblattv), 21 kolorierte Federzeichnungen von einer Malerin, Fragment eines ganzseitigen kolorierten Holzschnittes (Nachsatzblattr).

Format und Anordnung:

Ein Metallschnitt (98 × 71 mm) ›Madonna in Halbfigur‹ (Schreiber, Handbuch [1928] Bd. 5, S. 113, Nr. 2487; Schreiber [1926] S. 36f.) ist an einen Pergamentfalz am Anfang der Handschrift angeklebt und bildet dadurch das Vorsatzblatt.

21 kolorierte Federzeichnungen (35 × 55 mm), meistens hälftig übereinander auf einer Seite angeordnet (hälftig Bild, hälftig lateinischer Text, 2v, 12v, 17v), ohne Rahmung, wobei die feinen Striche, die den Schriftspiegel abgrenzen, die Bilder mit einem Rahmen versehen (auf bebilderten Seiten dienen zwei weitere horizontale Striche im mittleren Register im Abstand von etwa 7 mm als Abgrenzung zwischen Bild und Text oder zwischen zwei Bildern). Manchmal ragen die Bilder etwas in den oberen Rand hinein. Der Text zu den Federzeichnungen ist in sechs Abschnitte gegliedert; jeder Abschnitt beginnt mit einer Gruppe Miniaturen, die auf den folgenden Text vorausgreifen, es folgen der lateinische Text und die deutsche Übersetzung.

An die Rectoseite des Nachsatzblattes ist ein Holzschnittfragment geklebt (jetzt 106 × 60 mm, links abgeschnitten): ›Die Einweihung der Kapelle zu Einsiedeln‹ (Schreiber, Handbuch [1927] Bd. 4, S. 92, Nr. 1942m). Der abgeschnittene Teil des Holzschnittes hätte die Kapelle zu Einsiedeln gezeigt, wurde aber anscheinend absichtlich entfernt, um mit der Feder die Kapelle zum Altar umwandeln zu können und somit die Weihe des Unterlindener Altars zu illustrieren. Der Holzschnitt muss schon im Voraus koloriert worden sein, denn der später gezeichnete, linke Teil des Bildes (106 × 18 mm) blieb unkoloriert.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Figuren – einfach und flüchtig mit leichtem Federstrich gezeichnet – unterscheiden sich kaum; nur durch die Kleidung (der Täufer im Fellgewand, Bischof mit Bischofshut), durch den Haarschnitt (Tonsur, lockige Haare der Laien) oder manchmal durch eine Art Attribut (Flügel, Nimbus, Gehstock) weichen sie von einander ab. Die Nonnen stehen meistens in Gebetshaltung, oft leicht in der Richtung des Altarbildes geneigt, mit überproportional großen Köpfen und Händen, die Hände oft mit allen fünf Fingern ausgespreizt. Der Altar, der in fast allen Bildern gezeigt wird, wird manchmal sorgfältig und plastisch als Häuschen für das Altarbild ausgeführt (auch mit Blitzableitern und mit erkennbaren Figuren in allen drei Tafeln des Altarbildes), manchmal flüchtig als einfaches Gestell für das Bild. Weitere architektonische Elemente (Kirche, Kloster) zeigen überzeugende Raumtiefe und Detail. Die Zeichnungen werden mit einer einfachen Palette von lavierter Farbe karg koloriert, manche Flächen gar nicht angemalt. Die Spruchbänder (1ru, 2ro, 12ro, 17vo, 23ru, 26ro) bleiben unbeschriftet.

Bildthemen:

Die Gliederung der Handschrift eignet sich gut für eine enge Text-Bild-Beziehung: Eine Reihe von Bildern greift auf den folgenden Text voraus und bereitet die Leserinnen und Leser auf das Geschehen vor. Zum Teil gelingt diese Absicht, denn die Malerin kennzeichnet manche Figuren durch Attribute (Lukas mit Stier [1ro], Johannes der Täufer mit Fellgewand [12vo]), und konkrete Handlungen werden treffend dargestellt (Übergabe des Altarbildes an die Schwestern [1vo]). Häufig wird die Handlung aber erst mithilfe des Textes deutlich, was durch Beschriftung der Spruchbänder hätte erleichtert werden können. In fast allen Bildern steht das Altarbild als einziges architektonisches Element im Mittelpunkt; nur in einem Bild wird es durch den Kirchturm ersetzt (8ru). Kniende oder stehende Schwestern erscheinen in fast allen Bildern; auch Außenstehende (Maler, Stifter, Kirchenprälaten, Pilger) befinden sich gelegentlich in den Bildern, was darauf hindeutet, dass das Altarbild sich nicht unbedingt in der Klausur befand (siehe Hamburger [1998b] S. 284 und 301f. über den Standort des Altarbildes).

Die Bilder können in folgende Themenbereiche gegliedert werden:
Herkunft des Altarbildes: Das Vorbild des Unterlindener Altarbildes wird von Lukas gemalt; es zeigt Maria mit dem Kind auf dem Arm (1ro). Ein weltlicher Berufsmaler fertigt eine Kopie des Lukas-Altarbildes unter Aufsicht eines tonsurierten Dominikaners an (1ru), der danach das Altarbild den Unterlindener Schwestern präsentiert (1vo). – Wachsende Hochachtung der Schwestern: Nachdem das Altarbild eine Schwester geheilt hat (1vu), wird es an der Mauer mit zwei eisernen Nägeln befestigt (2ro). Obwohl die Nägel brechen, schwebt das Bild (2ru) und fällt nicht herunter. Auf dem nächsten Bild steht das Altarbild auf einem richtigen Altar (2vo). – Bestrafung der Zweifelnden: Eine Schwester zweifelt an der Wunderwirkung des Bildes (8ro) und wird deshalb mit Taubheit bestraft: Eine Schwester zieht die Klingelschnur der Kirchenglocke, deren Klänge die zweifelnde Schwester wohl nicht hören kann (8ru). Ein weiterer Mensch zweifelt und wird gelähmt, was durch seinen Gehstock gekennzeichnet wird (8vo). – Wunderbare Erscheinungen: Maria mit Kind auf dem Arm (12ru) und Johannes der Täufer (12vo) erscheinen den Schwestern vor dem Altar. Vier Figuren stehen auf einem Tisch vor dem Altar, eine davon gestikuliert und spricht mit einer Schwester (23ru); dem Text nach sind es Standbilder von Heiligen, die zum Altar zurückgebracht werden wollen. – Vorbereitungen auf die Weihe des Altars: Eine kniende Schwester beobachtet vier Figuren vor dem Altarbild, eine mit Bischofshut und -stab, eine mit braunen Flügeln, wohl Matthäus (12ro). Der Text erklärt, dass sie eine Vision hat; es sind Prälaten, die das Altarbild weihen möchten. Ein weiteres Bild zeigt acht kniende Schwestern und einen schwebenden Engel zwischen dem Altarbild und einer Kirche (17ro), der Engel zeigt auf das Altarbild und die Kirche. Dem Text nach ist die Kirche das Basler Münster, an dessen Kirchweihtag die Schwestern ihr Altarbild weihen lassen möchten. – Gnaden: Drei Bilder zeigen Gnaden, die durch das Altarbild verliehen wurden: Samen (Gnaden) fallen von oben auf kniende Schwestern (17ru); Öl (auch Gnaden) fließt von oben ins bereitgestellte Fass hinab (23ro); Pilger bringen ihre Opfergaben zum Altarbild (26ru). Durch den Text wird ein weiteres Bild erklärt (26ro): Schwestern, die den Altar zieren, werden im Himmel geehrt. – Zwei weitere Bilder entsprechen keiner Handlung im Text: auf 8vu knien sechs Schwestern vor dem Altar, ein kleiner Engel mit grünen Flügeln schwebt über ihnen; auf 17vo steht ein Engel im grünem Kleid rechts vor dem Altar, weiter rechts zwei Klosterschwestern, eine mit einem grünem Zweig (Weihwasserwedel?) in der Hand.

Farben:

überwiegend Grün und Braun, dazu Rot, Blau, Gelb, Grau, Schwarz.

Literatur:

Schmitt (1969) Nr. 927. – Ingold (1897) S. 99–116, 283–285; Schreiber (1926) S. 36f.; Schreiber, Handbuch (1927) Bd. 4, S. 92, Nr. 1942m und (1928) Bd. 5, S. 113, Nr. 2487; Geith (1984) S. 36f.; Hamburger (1998b) S. 280–295; Hamburger (2000–2001a) Bd. 2, S. 95f., Nr. 130; Schmidt (2003) S. 102–106, 336f.; Auf der Maur-Janser (2010) S. 229–232.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 180: 1v. Die Unterlindener Dominikanerinnen empfangen das Marienbild; das Bild heilt eine Schwester.

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Abb. 180.