KdiH

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73.13.1. Mettingen, Draiflessen Collection (Tuliba), Inv.-Nr. Ms. 4 (olim Hamburg, Antiquariat Dr. Jörn Günther, Katalog 2003, Nr. 16; olim Büdingen, Fürstlich Ysenburg- und Büdingen’sches Archiv, o. Sign.)

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

1464.

Lokalisierung:

Südliches Rheinfranken.

Besitzgeschichte:

Für Graf Ludwig II. von Ysenburg-Büdingen (1461–1511) angefertigt, sein Wappen 1v, Ysenburg- und Büdingensche Bibliothek in Bündingen, Privatbesitz, über das Antiquariat Dr. Jörn Günther 2004 von der Draiflessen Collection erworben.

Inhalt:
2r–70v Johannes von Zazenhausen, ›Passionshistorie‹
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 72 Blätter, 264 × 181 mm, gotische Kursive, eine Hand, einspaltig, 28 Zeilen, 2r fünfzeilige D-Initiale mit Goldfleuronné, Namen der kirchlichen Autoritäten auf den Seitenrändern in Rot und Blau wiederholt, ein- bis zweizeilige Initialen in Blau und Gold, mit Fleuronné gefüllt, Hervorhebungen in Rot und Blau.

Schreibsprache:

südrheinfränkisch.

II. Bildausstattung:

21 Deckfarbenminiaturen, ein ganzseitiges Wappenbild (1v), ein Maler und ein Illuminator.

Format und Anordnung:

Die Miniaturen in unterschiedlichem Format. Drei ganzseitige Miniaturen (15v, 18r, 36r), die übrigen 18 Illustrationen in unterschiedlicher Größe. In der Höhe mehr als halbseitig sind außer den ersten Miniaturen (3v, 10r) alle Bilder, die auf die Kreuzigung 36r folgen (51v, 54v, 55v, 56v, 58r, 59v, 62r, 68r, 70r). Etwa ein Drittel der Höhe oder weniger nehmen die Illustrationen zu den eigentlichen Passionsstationen zwischen Gefangennahme und Kreuzigung ein (22v, 27r, 28r, 29r, 30r, 30v, 33r). Sämtliche Miniaturen sind mit einer schmalen Leiste in Rot oder Grün gerahmt, die vereinzelt geteilt sein kann (18r).

Bildaufbau und -ausführung:

Illuminator und Maler haben bei der Ausstattung Hand in Hand gearbeitet, vereinzelt lässt sich erkennen, dass die Initialen nach den Miniaturen fertiggestellt oder vielleicht auch nur nachgearbeitet wurden.

Im Vergleich außergewöhnlich ist nicht nur die Konzeption der Miniaturen als tiefenräumliche Landschaften mit atmosphärischem Himmel, sondern auch ihre mehrheitlich perspektivisch überzeugende und sorgfältige Ausführung. Die Landschaftsausblicke im Hintergrund werden bespielt, sei es mit einer Stadtansicht und Burganlage auf einem Hügel (10r, 18r, 36r, 55v, 56v) oder auch mit einer Nebenszene (15v). Zu vermuten wäre, dass mit den Burgen territoriale Besitztümer des Auftraggebers gemeint sind, so dass die Handlung jeweils an einem Ort lokalisiert wird, in dem sich Veduten und Ideallandschaft verbinden. Vorbilder für eine derartige Bildkonzeption bei der Darstellung biblischer Geschichte bieten sowohl die niederländische Tafelmalerei wie auch Werke der italienischen Frührenaissance.

Bemerkenswert sind auch die Versuche, die Ereignisse als Einheit von Ort, Zeit und Handlung darzustellen, etwa bei der Gefangennahme oder den Vorführungen Christi vor Kaiphas und vor Pilatus (15v, 18r, 33r siehe unten). Dagegen wirken Gestaltung und Ausführung der Figuren, mit großflächigen Gesichtern, großen Augen und ausgeprägten Mimikfalten, sowie ihrer Bewegungsmotive und ihrer Gewänder zwar sorgfältig, aber zugleich eher schematisch und konventionell.

Bildthemen:

3v Abendmahl und Fußwaschung, Judas erhält eine Hostie, 10r Gebet im Garten Gethsemane, 15v Gefangennahme mit Judaskuss, Heilung des Malchus, die niedergefallenen Soldaten im Hintergrund, 18r Christus vor Kaiphas, aber abgewandelte Ikonografie, denn Christus steht in der offenen Tür, blickt zu Petrus zurück, Kaiphas ist durch einen Fensterbogen zu sehen, wie er sein Gewand zerreißt, 22v Verspottung Christi, die Peiniger in zeitgenössischen Rüstungen, 27r Christus vor Pilatus, 28r Christus vor Herodes, 29r Geißelung Christi, 30r Dornenkrönung, Christus erhält zugleich ein Rohr als Zepter, 30v Ecce Homo, 33r Pilatus wäscht sich die Hände, während Christus abgeführt wird, 36r Kreuzigung, Blutströme aus Christi Leib, die Marien in stiller Trauer, Stephaton und Longinus mit Schild und Fahnenlanze, Sol und Luna über dem Kreuz, Knochen (Adams) am Boden, 51v Beweinung unter dem Kreuz, Maria als Pietà mit dem toten Christus auf dem Schoß, Nicodemus mit den Nägeln und Hammer in der Hand, an den Nagellöchern des Kreuzes noch Blutströme, 54v Grablegung, in einen Marmorsarkophag unmittelbar unter dem Kreuz, 55v Auferstehung, einer der schlafenden Wächter lehnt sich über den Rand des Sarkophags, 56v Die drei Frauen am Grab, der Engel sitzt auf dem (nun vorhandenen) verschobenen Deckel, 58r Noli me tangere, 59v Das Mahl in Emmaus, Christus sitzt frontal im Gewand eines Pilgers mit Jakobsmuschel am Hut, bricht das Brot, Raum mit Tonnengewölbe, 62r Der ungläubige Thomas legt die Finger in die Seitenwunde, Blick durch einen spätgotischen Bogen, überwölbt von Eselsrücken und Krabben, 68r Himmelfahrt, 70r Ausgießung des Heiligen Geistes, Maria im Zentrum.

Die Auswahl der Bildthemen enthält eine erstaunlich geringe Anzahl von Leidensszenen, es fehlen Kreuztragung, Entkleidung und Kreuzannagelung. Verstärkt wird die geringe Präsenz der Leidensstationen weiterhin durch das durchweg reduzierte Format. Zudem sind Verschiebungen der Narration in den einzelnen Darstellungen zu beobachten. Der Fokus der Gerichtsszene mit Kaiphas liegt stärker auf Petrus und seiner im Bild durch den Hahn bereits angekündigten Verleugnung. Beim Abendmahl reicht Christus eine Hostie an Judas, nicht Petrus; bei der Gefangennahme steht die Heilung des Malchus durch Christus im Bildzentrum. Im übertragenen Sinn werden somit die Teilhabe des Sünders, die Verfehlung des Gläubigen und Heilung des Unschuldigen vor Augen geführt.

Von den geläufigen Themen im Anschluss an die Kreuzigung fehlt eine Darstellung des Abstiegs in die Vorhölle, dafür werden insgesamt sieben Erscheinungen des auferstandenen Christus gezeigt. Die drei Illustrationen mit dem toten Christus, Kreuzigung, Beweinung und Grablegung, zeigen zwar einerseits viel Blut, andererseits bleiben die Emotionsäußerungen der Marien eher verhalten. So steht Maria in stiller Trauer unter dem Kreuz, die Marien verharren auch bei der Grablegung in sich gekehrt, auf die Darstellung überwältigender compassio, die sich in zeitgenössischen Darstellungen oftmals in einer Ohnmacht Mariens oder ausfahrender Trauergestik Maria Magdalenas niederschlägt, wird verzichtet. Zusammenfassend ließe sich formulieren, dass die Bildfolge sowohl in der Auswahl der Bildthemen wie auch der Ikonografien weniger auf die Passion und die compassio in Form eines emotionalen Nachvollzugs durch den Betrachter ausgerichtet ist. Vielmehr scheint durch die exemplarische Vorführung der Marien und des Johannes eine reflektierende Verinnerlichung beabsichtigt, die neben dem Leiden den Aspekt der Erlösung und Heilsgewissheit durch die wiederholten Offenbarungen des Auferstandenen in den Vordergrund rückt.

Farben:

Blattgold für die Nimben, Silber für Rüstungen, Essgeräte. Hauptsächlich Rosa, Grün, Rot und Blau für die Gewänder.

Literatur:

As-Vijvers (2014) Kat.-Nr. 27, S. 285–293. – Selection of manuscripts and miniatures (2003) Nr. 16, S. 26f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 55: 51v. Beweinung Christi.

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Abb. 55.