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67.5.1. Bad Berleburg, Sayn-Wittgenstein’sche Schlossbibliothek, Ms. RT 2/2 (olim A 170)

Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser

KdiH-Band 7

Datierung:

Vor 1466 (Oppitz [1990] S. 355).

Lokalisierung:

Südliches Luxemburg (Handschriftencensus Westfalen [1999] S. 394) oder Trier (Warnar [2009] / Warnar [2012]).

Besitzgeschichte:

Die genaue Herkunft ist nicht bekannt. Erste bekannte Besitzerin war Margarete von Rodemachern; vgl. deren Wappen 528v. Die Handschrift ist auch in ihrem Ausleihverzeichnis für das Jahr 1466 eingetragen (Roth/Honemann [2003] S. 179 Anm. 9). Durch Margaretes gleichnamige Tochter († 1509) waren die Grafen von Sayn-Wittgenstein mit den Herren von Rodemachern verschwägert; vermutlich gelangten sie dadurch schon früh in den Besitz des Codex. – Schwesterhandschrift von Nr. 67.5.2., mit gleichem Textbestand und gleicher Reihenfolge; eine Entstehung im selben Umfeld ist naheliegend.

Inhalt:
*3v Vorspann, Titel
*4r–*7v Tabula
1r– 534v Dirc van Delft, ›Tafel van den kersten ghelove‹, Sommerteil-Bearbeitung, deutsch
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier (Wasserzeichen [vgl. Zeichnung bei Bömer] u. a. Anker mit einkonturigen Flunken, darunter einkonturiges Kreuz, ähnlich Piccard online Nr. 118244 [Köln, 1454] oder Nr. 118303 [Brüssel, 1451]), 510 erhaltene Blätter (davon sechs ungezählte [*1 leer, *2 fehlt] + 504 erhaltene Blätter mit alter römischer Zählung I–DXXXV [im Folgenden 1–535; die mittelalterliche Zählung springt ohne Textverlust von 123 auf 129 und von 213 auf 219, Blatt 248 ist zweifach vorhanden, 397 und 444 sind in der Zählung übersprungen, 535 ist leer], die letzten Blätter durch Feuchtigkeit stark beschädigt, es fehlen heute, jeweils mit Textverlust, in den meisten Fällen auch mit Verlust einer Bildinitiale [neben *2] die Blätter 18–20, 35, 54, 92, 120, 141, 153 unteres Drittel, 174, 191, 207, 212, 227, 231, 241, 247, 256, 267, 274, 328, 354, 360, 379, 451, 497; die Blätter wurden vor 1907 herausgerissen, vgl. Bömer [1907]; Roth [2001] S. 296, bei einigen sind noch Reste von Schrift oder Zierranken erkennbar: 35, 207, 212, 247, 328, 360, 451); 295 × 222 mm, einspaltig, 27 bis 30 Zeilen, eine Hand, sorgfältige Bastarda, Korrekturen derselben Hand am Rand, Rubrizierungen (Überschriften, Absatzzeichen, Strichelungen, rote Randlinie bei Verstexten), Verse meist abgesetzt.

Schreibsprache:

moselfränkisch (Handschriftencensus Westfalen [1999] S. 394).

II. Bildausstattung:

Erhalten sind 44 historisierte Initialen, sämtliche zum Buchstaben D (1r, 11v, 16r, 22r, 27v, 43r, 50v, 62r, 80r, 104r, 134r, 148r, 155r, 168v, 180v, 183r, 186r, 189r, 193v, 196r, 199r, 218v, 223r, 235v, 251r, 317v, 322r, 337v, 346r, 369r, 374v, 384r, 391r, 400v, 417r, 430v, 473v, 481v, 491r, 507r, 512r, 519r, 523v, 528v), dazu zwei gemalte Wappen: 528v (neben der Initiale über das Himmelreich) das von einem Engel gehaltene Wappen der Margarete von Rodemachern, längsgeteilt, links blaue und weiße Querstreifen, rechts zwei Felder: oben ein weißer aufrecht springender Löwe, unten ein helles Pferd (?) mit roter Mähne; 534v (Textende, nach Explicit): roter Wappenschild, in dessen Mitte eine graubraune Säule, über dem Wappen eine Krone.

Die wohl ursprünglich ebenfalls vorhandenen Schmuckinitialen zum Prolog und zu den Kapiteln 6, 10, 12, 14, 18, 23, 27, 28, 31, 32, 34, 35, 37, 38, 39, 42, 45, 46, 49, 55 und 59 fehlen (vgl. oben Bildthemenliste). Ursprünglich dürften 66 Bildseiten vorhanden gewesen sein.

Format und Anordnung:

Bildinitialen ca. 100–130 mm hoch, 85–105 mm breit; jeweils am Kapitelanfang nach der Titelangabe (die zugehörigen Überschriften stehen häufig am Ende des vorhergehenden Blattes), in zwei Fällen auch bei ungezählten Abschnitten.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Buchstabenkörper verziert mit Farbbändern, Zackenlinien und mehrfarbigem Rankenwerk, das über eine oder zwei Blattseiten verläuft und mit Blüten, Wein- und Akanthusblättern, Trauben, auch mit einzelnen Drolerien, Masken, Tieren, menschlichen und Teufelsfiguren geschmückt ist; auch im Buchstabenkörper sind zum Teil zusätzlich Figuren (Vögel, Fabeltiere, z. B. 151r) eingeschlossen. Die Binnenräume der Initialen sind mit kolorierten historisierenden Darstellungen versehen, die sich jeweils unmittelbar auf den folgenden Text beziehen. Die Bildszenen sind perspektivisch klar gezeichnet (Kacheln, Bretterböden, Decken, Wände), Figuren und Gegenstände sorgfältig und detailreich ausgeschmückt. Die Federzeichnung ist durch die (Deck-)Farben erkennbar.

Zeichnung und Kolorierung sind detailfreudiger und feiner in der Ausführung als in der Darmstädter Schwesterhandschrift; bei vielen Bildern – jedoch nicht immer – ist eine stärkere szenische Gestaltung mit einer größeren Zahl an Personen vorhanden, mit differenzierteren Architektur- und Landschaftselementen und sonstigen Gegenständen (vgl. z. B. das symbolische Bild eines Kirchenbaus in Kap. 17; die Szenen zu den Werken der Barmherzigkeit, Kap. 20–25).

Bildthemen:

siehe Bildthementabelle in der Einleitung der Untergruppe Nr. 67.5.

Besonderheiten (größere Abweichungen von der Darmstädter Handschrift):
43r (Kapitel ohne Zählung): Christus in der Kelter, Papst und Bischöfe fangen sein Blut auf.
168v (Kap. 17): Errichtung eines Kirchengebäudes, König, Fürst, Kardinal und Bischof als Arbeiter, die vom Papst Anweisungen erhalten.
180v (Kap. 19): Dominikanischer Prediger (schwarz-weiße Ordenstracht) auf Kanzel in Kirche, sieben Männer und Frauen als Zuhörer.
183r–196r (Kap. 20–25): Jeweils mehrfigurige Genreszenen mit einer Barmherzigkeit übenden Frau mit Nimbus (hl. Elisabeth?) vor ihrem Haus, Landschaft, einem oder mehreren Bittstellern und einem aus den Wolken kommenden Engel, der der Frau eine Krone bringt.
193v (Kap. 24): Frau mit Nimbus steht am vergitterten Fenster eines Turmes, dahinter ein Gefangener.
218v (Kap. 29): Zwei Register, Kirchenraum mit Szenen aller sieben Sakramente und mehreren Figuren (Bischöfe, Priester, Laien).
317v (Kap. 40): Zwei ausgestreckt auf dem Kirchenboden liegende nackte Büßer, Beichtvater und Beichtender.
322r (Kap. 41): Versammlung gelehrter Geistlicher mit Büchern in einer Kirche.
369r (Kap. 47): Lehrer mit vier Schülern.
374v (Kap. 48): Fünf genau dem folgenden Text entsprechende Tugendpersonifikationen mit ihren Symbolen (Liebe, Glaube, Weisheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit), gemalt auf einer großen Staffelei, davor sitzen zwei Maler. Vgl. in New York (90r): ein Künstler beim Malen zweier Tugendfiguren und seine Betrachter. Beide Handschriften thematisieren somit, wenn auch je individuell im Detail, den Akt des Malens als solchen und bringen ein Bild im Bild zur Darstellung.
417r (Kap. 53): Kaiser mit Gelehrtem und Berater.
491r (Kap. 58): Taufe Konstantins durch den Papst in einer Kirche.

Farben:

Ziegelrot, Grün, Purpur, Blau, Ockergelb, Blassrosa, Grau, Braun, Deckweiß.

Literatur:

Aloys Bömer: Archivbeschreibung (handschriftlich, 1907, unter der früheren Signatur). In: Handschriftenarchiv der BBAW online [Sigle WP]; vgl. Handschriftencensus. − Daniëls (1939) S. 114–121 (Sigle W); Eberhard Schenk zu Schweinsberg: Margarete von Rodemachern, eine deutsche Bücherfreundin in Lothringen. In: Aus der Geschichte der Landesbibliothek zu Weimar und ihrer Sammlungen. Festschrift zur Feier des 250jährigen Bestehens und zur 175jährigen Wiederkehr ihres Einzugs ins Grüne Schloß. Hrsg. von Hermann Blumenthal. Jena 1941 (Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte. Beiheft 32), S. 117–152, hier S. 132–134, Abb. 4 (507r); Oppitz (1990) S. 355 f., Nr. 70; Handschriftencensus Westfalen (1999) S. 394 f., Nr. 0889; Roth (2001) S. 291–297 (Sigle WP); Roth/Honemann (2003) S. 179; Geert Warnar: Het dubbele paspoort van de Middelnederlandse letterkunde. Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde 125 (2009), S. 201–205, Abb. S. 202 (400v); Warnar (2012) S. 49–74, Abb. 2 (416v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXXVIa: 168v. D-Initiale: Kirche und Prälaten.

Abb. 89: 374v. D-Initiale: Bilder heidnischer Tugendlehrer.

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Taf. XXXVIa.
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Abb. 89.