KdiH

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45.2.3. Dresden, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek, Mscr.Dresd.P.47

Bearbeitet von Peter Schmidt

KdiH-Band 6

Datierung:

Um 1479.

Lokalisierung:

München.

Besitzgeschichte:

Die Schreiberhand lässt sich mit einer identifizieren, die an dem Codex München, Cgm 1 mitarbeitete, der für Herzog Albrecht IV. und seine Gemahlin Kunigunde wohl am Münchner Hof angefertigt wurde. Es handelt sich um den Hauptschreiber von Ulrich Füetrers ›Buch der Abenteuer‹. Das lässt zusammen mit der einschlägigen Thematik vermuten, dass auch die Dresdener Handschrift am Münchner Herzogshof oder in dessen Auftrag entstanden ist.

Die beiden am Beginn des Codex eingefügten Wappenseiten sprechen dafür, dass eine bayerisch-sächsische Verbindung in der weiteren Geschichte des Bandes eine Rolle spielte. Ob er durch Elisabeth von Bayern (1443–1484), die Schwester Albrechts IV., des Auftraggebers der Füetrer-Chronik und vermutlich der Dresdner Handschrift, nach Sachsen kam und bei der Gelegenheit einen repräsentativen heraldischen Vorspann bekam, kann nur spekuliert werden. Elisabeth war seit 1460 mit Herzog Ernst von Sachsen (1441–1486) verheiratet. Die um 1490 im ostmitteldeutschen Raum entstandene Kopie (Nr. 45.2.4.) des Bandes spricht auch für einen frühen Aufenthalt in dieser Region.

Notizen des 17. Jahrhunderts geben Auskunft über die weitere Geschichte des Bandes in Thüringen und Sachsen: Rudolf von Dißkaw, der zeit Chur vnd Fürstl. Sächs. Raht vnd Hofmeister hatte es 1652 in die kurfürstliche Bibliothek in Dresden gegeben (2*r). Dieskau, als Autor und Mitglied der »Fruchtbringenden Gesellschaft« bekannt geworden, hatte es nach eigener Angabe 1651 von Hans Christoph von Trebra (thüringisches Adelsgeschlecht) erhalten. Die Vorgeschichte der Schenkung wird auf 1*r erzählt: Das Buch, damals ganz in Silber beschlagen, sei bei der Plünderung Würzburgs durch Wilhelm von Grumbach (zu seiner Person Franz Xaver von Wegele: Wilhelm von Grumbach. ADB 10 [1879], S. 9–22) im Jahr 1563 gerettet worden und in den Besitz des Hans von Trebra gekommen. Nachdem die frühe Bewegung von München nach Sachsen nachgewiesen ist, ebenso der Aufenthalt dort im 17. Jahrhundert, sind Zweifel bezüglich des angeblichen Umwegs über Würzburg nicht ausgeschlossen.

Inhalt:
1. 2*v–3*r Wappenseiten
2. 1v–62r Bayerische Fürstengenealogie
3. 63–97r Ulrich Füetrer, ›Bayerische Chronik‹

Erste Redaktion (Handschrift D nach Thumser [2008])

4. 97r–102v ›Scheyerer Fürstentafel‹

Ohne äußerlich erkennbare Absetzung an das vorangegangene Stück angeschlossen, also vom Schreiber, möglicherweise von Füetrer selbst als Einheit mit dem neu verfassten Haupttext der Chronik aufgefasst

Edition (ohne diese Handschrift): Moeglin (1985) S. 77–84

5. 102v–111r ›Andechser Chronik‹

Edition (ohne diese Handschrift): Benedikt Kraft: Andechser Studien. Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 74 (1941), S. 261–704, dort S. 583–600

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier (2*, 3* Pergament), IV + 111 + I Blätter, 295 × 208 mm. Wasserzeichen in Teil 2: Formenpaar Ochsenkopf, Varianten zu Piccard online 70820 (1477) und 70831 (1479); in den Teilen 3–5: Ochsenkopf, Varianten zu Piccard online 69241 (1478) und 69239 (1476). Zusammen mit der Bezeichnung Georgs des Reichen von Bayern–Landshut als Herzog, was er 1479 wurde, ist eine Fertigstellung in diesem Jahr oder kurz danach wahrscheinlich. Bastarda von einer Hand, die unter anderem auch in Cgm 1, 17ra–149ra nachgewiesen ist, Kommentare zu den Bildnissen und Randnotizen aus dem späten 16. und 17. Jahrhundert; einspaltig, in Teil 2 nur Namen und zwei- bis vierzeilige Tituli, in Teil 2 28 Zeilen, rote Strichel und Überschriften, zwei- bis dreizeilige rote Lombarden.

Schreibsprache:

westmittelbairisch.

II. Bildausstattung:

Zwei Wappenseiten (2*v–3*r) und 121 ganzseitige Fürstenbildnisse (1v–62r). Wappen etwas jünger und mit kräftigen Deckfarben ausgeführt, die Fürstenbildnisse in mit wässrigen Farben kolorierten Federzeichnungen von einer Haupthand, einem hervorragender Zeichner, den vor allem die differenzierte, ausdrucksstarke Gestaltung der Gesichter auszeichnet. Zu diesen kontrastieren einige Partien mit verzerrten Proportionen (etwa 9v), und auch einige auffallend grobe Gesichter (etwa 2r, 4r, 9v) lassen auf einen arbeitsteiligen Prozess schließen.

Format und Anordnung:

Die Herrscherbildnisse stehen – bis auf die erste Seite mit dem Friedensschluss zwischen Bavarus und Norix (2r) – als Einzelfiguren auf jeweils einer Seite. An deren Kopf befindet sich stets ein zwei- bis vierzeiliger Titulus, darunter ein einfacher mit Feder und Lineal gezogener rechteckiger Rahmen (ca. 207–222 × 133–153 mm, etwas breiter das Doppelbildnis auf 2r mit 222 × 183 mm), in den die Figur des Fürsten eingepasst ist. Meist in der bundseitigen unteren Ecke, selten in der Mitte der unteren Rahmenlinie der Wappenschild des Dargestellten, darunter der Name des Dargestellten. Meist sind die auf einer Doppelseite sich gegenüberstehenden Figuren in Haltung und Gestik aufeinander bezogen.

Die gereimten Tituli setzen inhaltlich die Kenntnis der Chronik Füetrers voraus, die der zweite Teil des Codex enthält, und berufen sich auf sie (alls ichs in der Cronica las, 4r; von dem die cronick sagt allso, 13r). Details wie die positive Bewertung von Karl Martell (20r), die Ulrich Füetrer im Unterschied zur älteren bayerischen Historiographie einführt, finden Eingang in die Verse zu den Porträts. Allerdings geht die Herrscherreihe über die bis zu Karl dem Großen reichende Geschichte Füetrers hinaus bis in die Gegenwart.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Wappen auf 2*v–3*r in kräftigen Deckfarben mit Muschelgold und -silberauflagen, die Wappenmedaillons mit Zirkel und schwarzer Tinte vorgezeichnet. Die Figuren der Fürstenreihe stehen auf einem grün-braun lavierten und mit Feder gestrichelten Bodenstück. Der Entwerfer hat versucht, die umfangreiche Reihe gleichförmiger stehender Figuren durch einfallsreich variierte Haltungen aufzulockern. Die Körperhaltungen wirken teilweise wie aus einem Musterbuch entnommen, was mehrfach zum Eindruck unorganisch aufgesetzter Köpfe führt. Federzeichnung in brauner Tinte, die Gesichter teils mit dünnerer Feder differenziert strichelnd ausgeführt. In den Gewandpartien kommt teils eine breitere Feder zum Einsatz. Nur sparsamer Einsatz von Schraffuren zur Bezeichnung von Verschattungen oder plastischen Rundungen – der Zeichner berechnete die nachfolgende Kolorierung ein. Auffällig die üppigen Brokatmuster der Gewänder, die auch flächiger mit der Feder ausgeführt sind. Vorzeichnung der Konturen mit dünnerer Feder, nicht aber in den Gesichtern, die frei ausgeführt sind. Auf einigen Seiten sind oberhalb der unteren Rahmenlinie Namen oder Orte mit der Feder eingetragen; sie stammen nicht von der Schreiberhand, die braune Tinte ist von der Kolorierung überdeckt, so dass sie vor der Vollendung der Miniaturen eingetragen worden sein müssen. Sie sind weder als Maler- noch als Schreiberanweisungen funktional zu erklären, da etwa das Wort witlspach (25v) weder im Titulus vorkommt noch für dem Maler informativ gewesen sein dürfte. 26v: dachaw; 28r: cunrad von valay; 44r: spanhaim; 53v: holanndt; 54r: albrecht. Stilistisch lässt sich der hervorragende Künstler in der bayerische Malerei dieser Jahre verorten, ohne seine Person identifizieren zu können. Reminiszenzen an den für den Münchner Hof tätigen Jan Pollack sind zu erkennen, in den Figurentypen auch an den Meister der Atteler Tafeln, neuerdings mit Sigmund Gleismüller identifiziert, der Aufträge für den Landshuter Hof ausführte.

Bildthemen:

Wappenseite 2*v: Auf randlos die Seite ausfüllenden rotem Maßwerkmuster in der Mitte das bayerische Wappen, umgeben von 18 kleineren Wappen von bayerischen Herrschaften, Städten und Besitzungen von Norckaw (links oben, spielt in der nachfolgenden Genealogie und Chronik als Land des Norix aus der sagenhaften vorchristlichen Gründergeneration eine wichtige Rolle) bis Oberdorff rechts unten. Wappenseite 3*r: In der Mitte auf rotem Grund das Vollwappen der sächsischen Kurfürsten mit üppiger Helmzier, gevierter Schild mit dem sächsischen Stammwappen und den Wappen der Landgrafschaft sowie der Pfalzgrafschaft Thüringen und der Markgrafschaft Meißen. Auf den Ecken und Längsseiten des Grundfeldes sechs Medaillons mit kleineren Wappen, links dreimal Sachsen, rechts Österreich, Bayern und Böhmen. Die beiden Pergamentblätter dürften zu der Papierhandschrift nachträglich, doch nach dem Charakter der Beschriftung und der Malerei nicht sehr viel später hinzugefügt worden sein. Seite 2*v ähnelt in ihrer Struktur auffallend den vorgeschalteten Wappenseiten von Cgm 1, Iv – vom selben Schreiber, ebenfalls für Albrecht IV. gefertigt und ebenfalls Füetrer-Texte enthaltend –, sowie von Cgm 43, 2*v, einer etwas jüngeren Handschrift von Füetrers Chronik, wohl auch für Albrecht IV. und von Hand 3 des Cgm 1 geschrieben (siehe Nr. 26A.4.2. und Thumser [2008] S. 312 f.). Der für eine für den Münchner Hof bestimmte Gruppe von Handschriften entwickelte Wappenvorspann wurde vielleicht variiert und dem nach Sachsen abzugebenden Codex vorgebunden.

Die Bildnisreihe reicht von Bavarus und Norix bis Georg dem Reichen von Bayern-Landshut (1455–1503). Das bezeichnet letzteren aber nicht als Auftraggeber, sondern nur als jüngsten bayerischen Herzog in der Reihe (als solchen bezeichnet ihn der Titulus, die Regierung übernahm er 1479, was auch das Jahr der Vollendung des Codex sein dürfte). Albrecht IV. ist auf dem vorangehenden Blatt dargestellt. Bei ihm war noch kein Titulus eingetragen (heute dort ein Nachtrag aus dem 16. Jahrhundert); die Charakteristik des Auftraggebers wurde möglicherweise bewusst offen gelassen und sollte später nachgetragen werden. Die letzte Zeile über dem letzten Bildnis (62r) bezieht sich nicht auf die Person Georgs den Reichen, sondern ist als Schlusssatz der gesamten genealogischen Reihe zu verstehen: Aus dieser lini fürwar das wisst · das edel geslecht her kumen istt.

Farben:

Grün, Gelb, Rot, Purpurrot, Rosa, Braun, Grau, Blau, Schwarz, Muschengold und -silber auf den Wappenseiten.

Literatur:

Schmidt (1906) S. 175 f; Werner Hoffmann: vorläufige Beschreibung (http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31602155). – Moeglin (2000); Thumser (2008); Studt (1999) S. 215 Anm. 62; Schmidt (2010) Abb. 2 (3v). 3 (22v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. 45.I: 2v. Bayerische Fürstengenealogie: Wappenseite.

Taf. 45.VII: 2v. Bayerische Fürstengenealogie: Igraminon.

Taf. 45.VIII: 3r. Bayerische Fürstengenealogie: Boemundus.

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Taf. 45.I.
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Taf. 45.VII.
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Taf. 45.VIII.