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40. ›Flore und Blanscheflur‹

Bearbeitet von Christine Putzo

KdiH-Band 4/2

Nahezu alle Literaturen des europäischen Mittelalters erzählen die Geschichte von der Liebe zwischen Flore und Blanscheflur. Vielleicht arabischen Ursprungs, nimmt die abendländische Rezeption des Stoffs ihren Ausgang zu unbekanntem Zeitpunkt in Frankreich oder Spanien (Grieve [1997] S. 13–50) und spaltet mit den französischen Bearbeitungen des 12. Jahrhunderts die zwei großen Linien der Version I (»aristocratique«) und II (»populaire«) ab, die sich von dort durch ganz Europa verbreiten. Eine erste deutsche Bearbeitung, der um 1170 entstandene ›Trierer Floyris‹, ist nur fragmentarisch erhalten; im frühen 13. Jahrhundert jedoch beginnt die Überlieferung eines etwa um diese Zeit entstandenen, in der zeitgenössischen Literatur Konrad Fleck zugewiesenen umfangreichen deutschen ›Flore‹-Romans. Illustrationen des Erzählstoffs sind – zunächst im französischen Raum – seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Handschriften bezeugt und setzten sich in den verschiedenen Volkssprachen auch in die Druckzeit durch. Für die deutsche Tradition sind beide Bereiche voneinander zu trennen.

Darauf, daß die hochmittelalterliche Überlieferung des deutschen ›Flore‹ mit einer Bebilderung verbunden war, gibt es keine Hinweise. Im 15. Jahrhundert jedoch fand der Roman Konrad Flecks Aufnahme in das Programm des elsässischen Werkstattzusammenhangs um Diebold Lauber, aus dem auch die zwei einzigen (fast) vollständig erhaltenen Handschriften stammen (Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 18: Nr. 40.1.1.; Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 362: Nr. 40.1.2.). Der ältere Heidelberger Codex überliefert den Roman in der für die Lauber-Produktion charakteristischen Ausstattung: Rote Überschriften untergliedern den Text in numerierte Kapitel und bilden gleichzeitig die Tituli der diesen Kapiteln als »Situationsetikett« (Saurma-Jeltsch [2001] Bd. 1, S. 82 u. ö.) auf jeweils eigenen Seiten vorangestellten handlungsprägnanten Miniaturen, die teilweise aus dem bestehenden Mustervorrat der Werkstatt stammen und in ähnlicher Gestaltung in anderen Lauber-Handschriften der 1440er Jahre erhalten sind. Auf dieselbe Vorlage geht die um gut zwei Jahrzehnte jüngere Berliner Handschrift zurück. Sie entstammt, wohl von Laubers eigener Hand, der Spätphase der Werkstatt und ist eines ihrer wenigen unvollendet überlieferten Erzeugnisse. Vermutlich handelt es sich um ein bei stockendem Absatz zunächst auf Vorrat begonnenes Produkt, das vor allem der Kapitalbindung des Betriebs diente und erst bei Bedarf illustriert worden wäre: Abgeschlossen sind nur die Textabschrift und die Kapitelüberschriften bzw. Bildbeischriften. Die vorgesehenen Illustrationen sind nicht ausgeführt – vielleicht, weil sich kein Abnehmer mehr fand, der die Kosten für die Illustrierung gedeckt hätte oder möglicherweise auch, weil in der Spätphase der Werkstatt kein Zeichner mehr zur Verfügung stand. Auffallend ist, daß die Berliner Handschrift zwar die gleiche Zahl von Miniaturen – 36 – vorsieht wie die Heidelberger, die Zahl der Kapitel mitsamt Überschriften jedoch stark erweitert, ohne daß dabei jedem Kapitel eine Eingangsminiatur zugedacht gewesen wäre. Ab etwa der Mitte der Abschrift scheint ein abweichendes Illustrationsprogramm vorgesehen gewesen zu sein: Die dort freigelassenen Leerräume mit begleitender Überschrift haben oft keine Entsprechung in der Heidelberger Handschrift, während umgekehrt an Stellen, an denen die Schwesterhandschrift eine Miniatur aufweist, häufig nur die Überschrift steht, ohne daß Raum für eine Illustration freigelassen ist. Eine gemeinsame Arbeitsvorlage beider Handschriften, die die Zwischenüberschriften und damit die Anweisungen für das Bildprogramm enthalten haben muß, ist erweisbar, so daß die Abweichungen dem Entstehungsprozeß eines der beiden Codices zuzuschreiben sind. Am ehesten ist dabei von einer im Kopiervorgang erst entstandenen planenden Absicht der Berliner Handschrift auszugehen, deren Schreiber und Redaktor Diebold Lauber ein vergleichbares gestalterisches Verhalten auch im Umgang mit dem Romantext erkennen läßt.

Ohne Zusammenhang mit der Überlieferung des mittelhochdeutschen Romans ist die zweite Textgruppe der Stoffgruppe ›Flore und Blanscheflur‹. Bei dem zuerst 1473/74 in einer aus dem Besitz Heinrich Steinhöwels stammenden Sammelhandschrift (München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 3711, 261r–264v, 363r–364r, Auszüge) bezeugten und seit 1499 in sieben nachweisbaren Drucken überlieferten deutschen Prosaroman ›Florio und Bianceffora‹ handelt es sich um eine nur leicht bearbeitete Übersetzung von Boccaccios ›Il Filocolo‹, die anders als Konrad Flecks Fassung der Version II des Erzählstoffs angehört. Nur ein einziger Frühdruck des ›Filocolo‹ weist Illustrationen auf (Napoli: Sixtus Rießinger für Francesco del Tuppo, 1478), ohne daß indes ein Einfluß des italienischen Bildprogramms auf die seit 1499 beginnenden Illustrierungen der deutschen Bearbeitungen zu erkennen wäre. Die Bebilderung des durch Kaspar Hochfeder veranstalteten Metzer Erstdrucks war insofern so initiativ wie langwirkend. Seine Holzschnitte, die vermutlich speziell für diesen Druck hergestellt wurden, weisen Nürnberger Einfluß auf: Da Hochfeder erst 1499 von dort nach Metz übersiedelte, ist anzunehmen, daß er die Druckstöcke für diese Ausgabe aus einer Nürnberger Werkstatt mitbrachte. Die hohe Qualität der Holzschnitte – Detailschärfe, sorgfältige Ausführung, perspektivische Stimmigkeit, Ausdrucksstärke der Figurenzeichnung – wurde in der Forschung immer wieder bemerkt; die gelegentlich vermutete Zuschreibung an den Meister der Meinradlegende ist jedoch als unwahrscheinlich zu bewerten ( Schünemann [2005] S. 8). Die schon im Folgejahr gedruckte zweite Ausgabe Hochfeders griff auf 96 der 100 Schnitte zurück; 30 Jahre später kopierte auch der in Straßburg von Amandus Farckal für Johannes Grüninger veranstaltete Druck sie in der Mehrzahl. Schon zuvor fanden die Illustrationen ihren Weg zudem in Ausgaben anderssprachiger Bearbeitungen des Stoffs, so etwa in die bei Jan Smerhovsky (Prag, 1519) gedruckte tschechische Übersetzung. Mit den seit etwa 1559 bei Weigand Han in Frankfurt erscheinenden Drucken setzt eine neue Bebilderungstradition mit Holzschnitten Hans Brosamers ein. Wiederum unabhängig davon sind – als drittes innerhalb eines knappen Jahrhunderts entstandenes Illustrationsprogramm – die Holzschnitte zum ›Florio‹ für das 1587 bei Sigmund Feyerabend gedruckte ›Buch der Liebe‹, die indes auch in anderen Teilen der Sammlung Verwendung fanden.

Literatur zu den Illustrationen:

Verena Schäfer: Flore und Blancheflur. Epos und Volksbuch. Textversionen und die verschiedenen Illustrationen bis ins 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Illustration. München 1984 (tuduv-Studien, Reihe Kunstgeschichte 12). – Ulrich Rehm: Floire und Blancheflor. In: RDK 9 (2003), Sp. 1293–1306.

Literatur zur Stoffgeschichte: Patricia E. Grieve: Floire and Blancheflor and the European Romance. Cambridge u.a. 1997 (Cambrudge Studies in Medieval Literature 32).