93.3.3. Rochester (New York), Rush Rhees Library, Rare Books & Special Collections, D.460 1400-004
Bearbeitet von Christine Stöllinger-Löser
KdiH-Band 9
Auch bekannt unter der Signatur Ms. B1.
Anfang 15. Jahrhundert (vor 1430; zu den fragmentierten Wasserzeichen, die alle auf die Jahre von ca. 1400 bis 1420 weisen, vgl.
Nürnberg, Dominikanerinnenkloster St. Katharina (vielleicht aber nicht im Kloster selbst geschrieben).
Die Handschrift gelangte um 1430 von Nürnberg in das Dominikanerinnenkloster Maria Medingen bei Dillingen; vgl. Innendeckel, eingeklebter Pergamentstreifen: Diß puch gehort in daz closter zu medingen prediger ordens; 177vb: Disz puch gehort in daz Closter zu medingen prediger ordens vnd ist dar geschickt worden von Nürmberg der swester Kungunt Zecherin. Eine Schwester Kunigunde Zecherin ist weder in Nürnberg noch in Maria Medingen nachzuweisen (vgl.
Wohl in Folge der Säkularisation 1802/03 oder der späteren Übernahme des Medinger Klosters durch die Dillinger Franziskanerinnen (1843) wurde die Handschrift veräußert und 1867 von Hiram Watson Sibley (1845−1932) in Heidelberg erworben und im Jahr 1930 der University Library Rochester geschenkt (vgl. Online-Katalog der Bibliothek, https://rbscp.lib.rochester.edu/4911); vgl. das eingeklebte Exlibris an der Innenseite des Rückendeckels (Wappen mit Devise Esse quam videri und Namenszug Hiram W. Sibley).
1ra−177rb |
›Stimulus amoris‹, deutsch (›der stachel der liebe‹)
Rezension B3
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Papier, I + 178 Blätter, Blattzählung 1−177 (Bl. 11 doppelt), 205 × 140 mm, zweispaltig, 21−27 Zeilen, Bastarda, zwei Schreiber (I: 1−17rb, 167ra−177, II: 17rb−166vb), Nachträge am Rand, Rubrizierungen (vgl.
nürnbergisch, Schreiber I mit bairischem Einschlag.
In den Vorderdeckel eingeklebter, handkolorierter Holzschnitt (127 × 89 mm), vermutlich aus Nürnberg, von ca. 1420/30.
1r zum Textbeginn neunzeilige Initiale D, in deren Binnenraum ein von einem Pfeil senkrecht durchbohrtes Herz. (Die nah verwandte Handschrift München, Cgm 640 [Sigle mü1], aus Scheyern, hat zu Beginn des Textes 1ra eine sechszeilige rote Fleuronné-Initiale; vgl.
Der hochrechteckige Holzschnitt, der über der Besitzangabe (siehe oben) eingeklebt ist, stellt den Tod Mariens in einer speziellen Variante dar, wobei das schräg in den Raum ragende Bett leer ist, Maria mit geschlossenen Augen betend davor kniet, gestützt vom Apostel Johannes. Christus, der die Seele Marias, als kleines nacktes Kind dargestellt, in Empfang nimmt, steht hinter dem Bett; die anderen Apostel sind um das Bett gruppiert, davon zwei davor sitzend, einer mit Buch. Für die Kolorierung (Wasserfarben) wurden drei Farben eingesetzt: Gelb (Gewänder, Bett, Nimben), Rötlich und Braun (Gewänder und Haare).
Die Darstellung des ›aktiven‹ Marientodes mit Maria in Gebetshaltung statt im Bett liegend hatte sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts ursprünglich in Böhmen entwickelt und darauf weit im süddeutschen Raum verbreitet, auch in Nürnberg. Anlass zur Aufnahme des Bildes im Zusammenhang des ›Stimulus amoris‹-Textes könnte die Parallele zur kontemplativen Lebenshaltung gewesen sein, die dieser postuliert; das (Mit-)Leiden Marias an Passion und Kreuzestod ihres Sohnes wird dort einige Male thematisiert (z. B.
Abb. 155: 1r. Tod Mariens.
