KdiH

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49a.1.1. Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2º Cod 25

Bearbeitet von Pia Rudolph

KdiH-Band 6

Datierung:

Begonnen um 1419. Teil I: Mitte des 16. Jahrhunderts.

Lokalisierung:

Steiermark.

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer im Jahr 1419 war Günther von Herberstein († 1421): 16v Darstellung als Ritter mit Familienwappen und Inschrift mit Motto: gunther von herberstein Ich woltz Anno (?) MCCCXIX jar. Später im Besitz des Großneffen und Diplomaten Sigmund von Herberstein († 1566), der die Handschrift neu binden ließ (auf dem Ledereinband eingeprägt, nur schwer erkennbar: Renovatum 1550) und mit Urkundenabschriften zusammenführte. Von dessen Hand (?) 85r: Maximilian von Gottes Genaden Romischer Khunig etc. Darunter: Federzeichnung eines Wappens / Kolophons (?): zwei Äste kreuzen sich in einer Krone über einem Wappen mit Adler (?), Umschrift: V L M. Darunter: In hoffnung Irer lieb In trewen sigmudt von herberstein Gott beschueff gnad (weiter von anderer Hand:) und der vill. Darunter: wf (?). Wahrscheinlich gelangte die Handschrift über den Augsburger Domkanoniker Sigmund Christoph von Herberstein († 1711) nach Augsburg (Spilling [s. u. Literatur] S. 37–39). 1r moderne Hand: Hic codex constat ex 82 foliis, darunter von anderer Hand: N. XXV.

Inhalt: Sammelhandschrift der Familie Herberstein Ausführliche Inhaltsbeschreibung mit Anführungen von Parallelüberlieferungen: Spilling S. 37–43
Teil I
1v–15v Urkundenabschriften, deutsch
1v Ganzseitiges Wappen der Familie Herberstein, darunter mit Bleistift (moderne Hand) Herberstein; 2r–4r Erlaubnis das Familienwappen zu bessern, ausgestellt 1522; 4v Ganzseitiges, gebessertes Wappen, darunter mit Bleistift (moderne Hand) Herberstein; 5r Verleihung des Titels Unser lieber Getreu, ausgestellt 1528; 5v–9r Erhebung in den Freiherrnstand sowie einer Bestätigung, ausgestellt 1531 und 1537; 9v–10v Verleihung des Wappens der Herren von Neuberg-Gutenhag, ausgestellt 1542; 11v Ganzseitiges Wappen der Herren von Neuberg-Gutenhag; 12r–15r Genehmigung des Ruhestandgesuchs für Sigmund von Herberstein sowie einer Alterspension, ausgestellt 1542 und 1545; Genehmigung des Ruhestands für Wilhelm von Herberstein, ausgestellt 1547; 15v Kondolenzbrief, ausgestellt 1548
Teil II
16r–84v Hausbuch, deutsch
1. 16r–v Temperamentenlehre und »Memento mori«
Darstellung eines Salamanders, Adlers (gamelian, wohl ein Fehler beim Abschreiben von lat. aquila [lat. quila entspricht gamelian]), Maulwurfs (Scher), Fischs (haring); 16v Fünf Strophen Mich wundert vber wunder auch wúndert gar besunder… Darstellung des Ritters von Herberstein
2. 17r–28r Kalenderteil, mit Anleitungen zur Kalendernutzung, Goldenen Zahlen, Festtagen etc.
17v Zwei Tabellen in Kreisform; 18r Ganzseitige Tabelle in Kreisform; 19r–24v Januar–Dezember mit Heiligenfesten und Darstellungen der Tierkreiszeichen; 25r–27v Zur Bestimmung des Sonnen- und Mondstands, eine Seite umfasst zwei Monate, erneut mit Darstellungen der entsprechenden Tierkreiszeichen; 28r Tabelle zur Bestimmung der Tierkreiszeichen
3. 28v–32v Tabellen zur Bestimmung der Festintervalle durch Würfeln, mit Anleitung
28v Dw solt merchenn vnd wissen, wie vil des Jars die guldenn zall sey… Skizze von Würfeln mit Augenzahlen; 29v–32v Würfeltabellen, jede Seite entspricht einer Augenzahl, Darstellung der Würfel
4. 33r–77r Astrologisch-astronomischer Teil, mit Anleitungen
33r Wie in der tavel mag mann vinden allzeit in tag vnd nacht welher der vii planetten die weill gewalt hat vor die ander da pey mag mann nach der mayster ler wissin was ze yeder zeitt ist ze tun ader ze lassenn …, Warnung vor den verworfenen Tagen; 33v–34r Tabellen mit Text, der in der Struktur eines Gitters überkreuz und diagonal verläuft; 34v–37r Text zu Planeten und Tierkreiszeichen; 34v Mercht persunderleich vonn einem yglychen planeten von erst von dem Saturno …; 37r–71r Wirkkraft der Planeten, Wetterprognosen, Warnungen; 71r–75r Neujahrsprognosen, Nativitäten; 75r–77r Aderlassregeln
5. 77r –81r Geistliches Würfelbuch, mit Darstellungen zahlreicher Heiligen und jeweils drei Würfel mit entsprechender Augenzahl
77v Christus mit Kreuznimbus und Weltkugel neben der höchsten Augenzahl: Jesus christus sprach warvmb pistu so swach gehab dich woll ich pynn der dich perattnn soll ann dem abent vnd ann dem morgenn So hilff ich dir auß Sorgenn …; Abschluss: 81r Traumbuch (Fragment): Hie hebt sich ann die auslegung …
6. 81v Nachtrag: Aderlassregeln
7. 82r Darstellung: Tod als Sensenmann. Ich pins der tod ich mae die lewt die got hat gesat alles machtig edel reich vnd arm …
Unten in einem Spruchband: Exzerpt aus Freidanks ›Bescheidenheit‹: wer vmb dise churcze zeit die ewig frevd geit der hat sich selber gar petrogen vnd czimert auf den regenpogen (1, 7–10 fortlaufend geschrieben. Jäger [1978] S. 228, 233f.)
8. 83v–84v Nachträge: Notizen zum Jahr 1481; 84r Aufstellung der Sonnen- und Mondfinsternisse der Jahre 1436–1462; 84v Gebet
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 85 Blätter (Blatt 79 beschädigt) in zwei Teilen, Teil I: 250 × 185 mm, Fraktur, ein Schreiber mit schwarzer Tinte, bis zu 36 Zeilen, kalligraphische Initialen am Beginn jeder Urkunde, ornamentale Schnörkel, für den Urkundenteil wurde feineres und helleres Pergament verwendet, Mitte des 16. Jahrhunderts. Teil II: 250 × 195 mm, Blätter wurden annähernd auf die Größe der Urkunden beschnitten, überwiegend Bastarda, Textualis für übergeordnete Textstellen, in der Regel zwei Spalten, bis zu 40 Zeilen, rubriziert, Zierinitialen, selten Lombarden in Rot, ein Hauptschreiber: 17r–81v, ein weiterer Schreiber: 16r–v, 18r unten, 33r unten, 82r, sowie häufige Beischriften im Kalenderteil, meist in roter Tinte; drei Nachtragschreiber: I: 81v, II: 83v–84r, III: 84v; starke Gebrauchsspuren v. a. im Würfelbuch (77r–81r).

Schriftsprache: südbairisch.

II. Bildausstattung:

Teil I: drei Wappenbilder in Deckfarbenmalerei (1v, 4v, 11v). Die ganzseitigen Wappenbilder der Familie Herberstein aus dem 16. Jahrhundert (1v einfacheres Stammwappen: ein silbern-weißer, aufsteigender Sparren auf rotem Grund, die gekrönte Helmzier zeigt noch einmal den Sparren auf einem roten Flügel, 4v auf rotem Grund im ersten und vierten Feld den Sparren, im zweiten und dritten Feld das goldene Castell [für Kastilien] und der Österreichische Bindenschild, mit dreifacher, gekrönte Helmzier: Kaiser flankiert von König und Zar mit ihren Attributen) und Neuberg-Gutenhag (11v links Neuberg: auf schwarzem Grund goldene Herzen und silber-weißer, aufsteigender Wolf, rechts Hag: auf rotem Grund goldener »Heidenhut« mit schwarzer Binde, häufig auch als »Kummet« beschrieben) stehen eng im Bezug zu den Urkundenabschriften 2r–4r, die das Führen bzw. Ausbessern der jeweiligen Wappen gestatten (M[aximilian] Gritzner und Ad. M. Hildebrandt [Hrsg.]: Wappenalbum der gräflichen Familien Deutschlands und Oesterreich-Ungarns etc. Bd. 2. Leipzig 1887; S. LXXVI). – Teil II: zahlreiche kolorierte Federzeichnungen, z. T. mit Deckfarbe, auf: 16r–v, 19r–24v, 25r–27v, 28v–32v, 77r–81r, 82v.

Format und Anordnung, Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

(Teil II): Die einzelnen Themenbereiche des Hausbuchs lassen sich durch Variationen in der Gestaltung gut unterscheiden. Einheitlich ist die Textgliederung durch schwarz-rote Initialen mit Fleuronné-Elementen: Initialkörper meist aus Schriftrollen gebildet, insbesondere bei breiteren Initialen über bis zu sieben Zeilen; auf den Kalenderseiten sind die KL-Initialen von Bändern umschlungen. Abweichend die Seiten zur Bestimmung der Festintervalle durch Würfeln (28v–32v), wo die Initialen eines Lombardentypus in ihrer Farbgebung (Grün und Rot) den Würfeldarstellungen angepasst sind.

– 16r ist in vier Felder geteilt, die jeweils einem Element entsprechen. Jedes ist durch ein Tier versinnbildlicht: Salamander (als Phantasiewesen) für Feuer, Adler für Luft, Maulwurf für Erde und Fisch für Wasser. Der Text ordnet die vier Elemente wiederum den Qualitäten (warm, feucht, kalt, trocken), Tierkreiszeichen, Temperamenten, Tageszeichen und Himmelsrichtungen zu. Diese Ordnung funktioniert nach seim will.

– 16v präsentiert rechts unten den Besitzer der Handschrift, Günther von Herberstein als Ritter, identifiziert durch ein Spruchband, auf einem angedeuteten grünen Berg mit roter Flora stehend (Taf. 49a.I). In seiner rechten Hand hält er eine Lanze, die mit einer Fahne geziert ist, die das Familienwappen trägt. Außerdem fasst seine Rechte einen dünnen, roten Faden, der sich – der Richtung seines Blicks folgend – zum Text hin bewegt und schließlich in fünf rote Lombarden übergeht. Der Text ist in fünf Strophen unterteilt, deren Inhalt Spilling mit »Memento mori« bezeichnet hat (Spilling [s. u. Literatur] S. 39), so dass der rote Faden auch mit Blut bzw. Leben und Tod in Verbindung gebracht werden kann. Die letzten beiden Strophen mahnen den Leser nicht schuldbeladen vor Gott zu treten, enden aber tröstlich: … got hilft dir hie vnd dort aws nott.

– Die zwölf Tierkreiszeichen werden in der Handschrift zwei Mal dargestellt, im Kalender (19r–24v) in Medaillons in ihrer Zuordnung zum Monatsdurchlauf, in den anschließenden Tafeln zur Bestimmung des Sonnen- und Mondstandes (25r–27v) in Medaillons zusammen mit zwei weiteren Medaillons der im Monatsdurchlauf vorausgehenden und nachfolgenden Zeichen. Figurenzeichnung in schwarzer Tinte auf kräftigem, grünem Grund, der entweder mit einer gelben Sonne oder einem Halbmond verzieret wurde. Nur selten variiert dieses Schema durch rote Akzentuierung oder das Weglassen des farbigen Grunds.

– Auffällig sind die Seiten zur Bestimmung der Festintervalle durch Würfeln (28v–32v), auf denen sich Farbgebung und Initialen ändern. Die Initialen, aufwendigere Lombarden, sind in Grün und Rot gehalten, ebenso die Würfel auf 29v–32v. Jeder Augenzahl (6–0) ist eine Seite zugeordnet, die oben mittig eine Initiale und links daneben einen (meist) grün-roten Würfel zeigt. Die Lombarden mit Aussparungen bereiten in der Ausführung keine Schwierigkeiten, im Gegensatz zur Perspektive eines Würfelkörpers.

– Das geistliche Würfelbuch (77r–81r) beschreibt, dass man mit drei Würfeln werfen soll. Die geworfene Augenzahl kann man mit den im Text dargestellten Würfeln vergleichen. Unter den Würfeldarstellungen befindet sich der Spruch eines Heiligen, nach dem man sich richtenn chan. Die Heiligen sind, durch ihre Attribute gut erkennbar, neben ihrem 5- bis 13-zeiligen Spruch dargestellt (die ersten beiden Zeilen sind in roter Tinte). Auf jeder Seite finden so sieben oder mehr ungerahmte Figuren Platz. Die Gesichter sind unkoloriert, die Heiligenscheine und Kleidung sind möglichst abwechslungsreich in kräftigem Grün, Rot und Gelb koloriert (vgl. Stoffgruppe 80. Losbuch).

– Bild und Text (82r): Tod als Sensenmann, darunter in einem Spruchband: Auszug aus Freidanks ›Bescheidenheit‹. Im Text spricht der Tod, dass er alles mäht, was Gott gesät hat, und zwar unabhängig vom persönlichen Rang. Über die gesamte linke Seite ist der Tod als Skelett dargestellt, das eine übergroße Sense schwingt und dabei gekrönte und ungekrönte Hälse abschlägt, aus denen Blut spritzt. Die Reduktion auf Schwarz und Rot für die Federzeichnung betont den blutigen Vorgang. Aber auch hier finden sich, wie auf 16v, tröstende Worte vom Himmel und von frewd die nicht ende hat. Der Nachtrag bildet eine Ergänzung zu 16r–v (von der selben Hand). Zusammen stellen die Blätter eine thematische Klammer (»Memento mori«, göttlicher Wille und Heilsversprechen) für das gesamte Buch dar.

Der Schreiber von 82r und 16r–v könnte auch für die Ausführung aller Darstellungen ab 16r verantwortlich gewesen sein. Die Federzeichnungen weisen wenig Körperlichkeit oder Überschneidungen auf. Die Farbgebung beschränkt sich auf ein flächig aufgetragenes Gelb (gemeint ist wohl Gold), Grün und Rot. Die Anordnung von Textseiten, Seiten mit figürlichen Darstellungen, Kalendarien und Tabellen in verschiedenen Formen (33v–34r mit Text als »Gitter«: zwei astrologische Tafeln in roter und schwarzer Tinte) ist sehr abwechslungsreich.

Farben:

Rot, Grün, Gelb; für die Wappen: Blau, Rot, Schwarz, Weiß, Silber-Grau, Goldfarbe.

Literatur:

Herrad Spilling: Die Handschriften der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. 2º Cod 1–100. Wiesbaden 1978, S. 37–43. – 450 Jahre Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Kostbare Handschriften und alte Drucke. Ausstellung Augsburg 15. Mai bis 21. Juni 1987, Augsburg 1987, S. 13, Nr. 8, Abb. 25 (82r); Von der Augsburger Bibelhandschrift zu Bertolt Brecht (1991) S. 118f., Nr. V,1, Abb. S. 119 (82r); Christine Stöllinger-Löser: Geistliches Würfelbuch. In: 2VL 11 (2004), Sp. 508–510.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. 49a.I: 16v. Darstellung des Ritters von Herberstein.

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Taf. 49a.I.