41.0.1. Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 345
Bearbeitet von Lieselotte E. Saurma-Jeltsch
KdiH-Band 4/2
Um 1470.
Werkstatt des Ludwig Henfflin, Stuttgart (?).
Im Auftrag Margarethes von Savoyen (1420–1479) entstanden und über das Erbe ihres mit Ludwig IV. gezeugten Sohnes Philipp dem Aufrichtigen (1448– 1508) in die Heidelberger Bibliothek gekommen. Bll. 182r, 190v, 300v, 311r, 338v Wappen von Savoyen; Bll. 191v, 243r, 379r Wappen von Württemberg und Savoyen.
1. | 1r–181v |
›Lohengrin‹
Hs. B
|
2. | 182r–379v |
›Friedrich von Schwaben‹
Hs. H
|
Papier, 388 Blätter (Foliierung des 17. Jahrhunderts: 1–379, Bll. 1*–3*, 181a*–181c*, 373a*, 380*, 381* moderne Zählung, acht moderne Vorsatzblätter: A–D, W–Z; Bl. 373a* befand sich als Bl. 267 in Cod. Pal. germ. 143 und wurde Ende 19. Jahrhundert wieder dieser Handschrift beigebunden), 292 × 202 mm, Bastarda, zwei Hände (I: 1r–181v, II: 182r–379v), Korrekturen von einer weiteren Hand, einspaltig, 25–26 Zeilen (1r–181v) und 22–24 Zeilen (182r–379v), 1r achtzeilige rote Initiale mit in Sternform angeordnetem Knospenfleuronnée im Binnenfeld, Besatzfleuronnée aus Ähren, Perlband und Fadenranken, 182r achtzeilige rote Initiale mit dem Wappen von Savoyen im Binnenfeld und Besatzfleuronnée, rote Bildüberschriften, zweizeilige rote Lombarden, Cadellen, Rubrizierungen.
bairisch, auch mitteldeutsche und einige alemannische und schwäbische Wortformen.
208 kolorierte Federzeichnungen, 99 zu Text 1, 109 zu Text 2 (183r, 184r, 186r, 189r, 195v, 197r, 199v, 202r, 202v, 204r, 205v, 208r, 214v, 217r, 218r, 220r, 221v, 223r, 223v, 224r, 227r, 231r, 233r, 236r, 237v, 240r, 242v, 244r, 247r, 250r, 251r, 252v, 253v, 254v, 263v, 264v, 269v, 271r, 273v, 276r, 277v, 279r, 281r, 282v, 284r, 287r, 289v, 292r, 293r, 296v, 299r, 300v, 302r, 303r, 305r, 306r, 308r, 308v, 310v, 311v, 313r, 316r, 317v, 318r, 319v, 322r, 322v, 323v, 325v, 326v, 328r, 328v, 329v, 331r, 331v, 332v, 334v, 337v, 340v, 341r, 343r, 344r, 345r, 346r, 347r, 348r, 349v, 350v, 351v, 352r [2], 352v, 354v, 356v, 358r, 360r, 361r, 361v, 362v, 363v, 367r, 368v, 369v, 371v, 373av, 374r, 374v, 376r, 377r), Zeichner A der Henfflin-Werkstatt.
Zu den Illustrationen in Text 1 siehe Nr. 78.0.1.
Rot gerahmte Miniaturen in Schriftspiegelbreite, ca.
Alle Bilder sind mit einem dreifachen Rahmen vom Schriftfeld abgesetzt: je ein innerer und äußerer mit der Feder gezeichneter Tintenstrich wird mit einem kräftigen Rot ausgefüllt. In diesem offenbar als Letztes gemalten Rahmensystem – oft wurden Teile des Bildes übermalt (220r, 223r) – spielen sich die Ereignisse meist auf einem bühnenartig vom Bildrand abgesetzten Terrainstreifen unter einem dunkelblauen, zum Horizont sich allmählich lichtenden Himmel ab. In den meisten Bildern bewegen sich die Akteure auf diesem Bühnenstreifen und ziehen von links nach rechts oder wenden sich einander zu. Komplexere Gruppen konzentrieren sich auf die Protagonisten, und die Masse der Gestalten wird durch hintereinander gereihte Köpfe simuliert (347r–350v). Ebenso bühnenhaft sind Innenräume konzipiert, die in keiner einzigen Illustration eine Tiefenerstreckung anstreben. Das manchmal geflieste (etwa 189r), mit Bohlen charakterisierte (186r, 195v, 197r) oder auch bloß einfarbig gefärbte »Bühnenstück« wird in der Regel nach hinten zu durch eine bildparallel verlaufende Mauer abgegrenzt, in der drei Fenster sitzen, die aber keinerlei Ausblick gewähren. Nur selten entwickeln sich diese Räume in die Tiefe (217r), erlauben einen Blick in ein weiteres Gemach (204r, 217r, 236r, 354v, 356v–361r) oder gar nach außen (217r, 223r, 308v, 346r). Dieselbe abgeschlossene Bühne wird auch für die Turnierdarstellung (202v, 231r) eingesetzt. Noch viel seltener sind Räume, die einen Einblick nicht nur in einen nach hinten abgeschlossenen Bühnenstreifen vermitteln, sondern den Einblick in einen dreidimensional sich entwickelnden Raum liefern (224r). Spärlich ist die Schilderung der Natur. Seltene Waldstücke (199v, 202r, 208r, 214v) werden manchmal mit Stadtarchitektur (208r, 214v) ebenfalls zu einem Kulissenraum zusammengefügt. Nur selten sind die in anderen Handschriften der Henfflin-Werkstatt – auch im ›Lohengrin‹ – bekannten komplexeren Landschaften gestaltet. Die in mehreren Plattformen, mit Wegen und sich überschneidenden Terrainschichten hintereinander gestaffelten sanft verlaufenden Landschaftsprospekte, in deren Ferne jeweils unterschiedlich sichtbare Türme oder angedeutete Architekturen aufscheinen (etwa 264v, 284r, 347r), sind mit denselben Formeln wesentlich komplexer im ›Lohengrin‹ (18v), vor allem aber in den jüngeren Handschriften (etwa Cod. Pal. germ. 142, 106v) bekannt. Mit ihrer Bildbühne, auf der sich die Ereignisse abspielen, schließen sich die Illustrationen weitgehend an die Konzeption des ›Sigenot‹ (Cod. Pal. germ. 67, s. Nr. 29.5.2.), der wohl ältesten Handschrift der Gruppe, an. Eine Sonderform von Bühnenraum, der dem Faszikel einen märchenhaften Eindruck verleiht, sind die Sequenzen im Zwergenreich, die sich im Inneren eines Berges abspielen. Dieser ist wie eine Höhle vorne aufgeschnitten, und die Ereignisse werden von dem zart gezeichneten und leicht lavierten Gestein umschlossen, wobei sich dem Betrachter auch die Außenhaut dieses Berges zeigt. In diesen geheimnisvoll wirkenden Höhlenräumen sind Schlafgemächer (247r, 251r, 252v, 253v, 263v) oder der Thronsaal integriert (363v–367r, 369v). Komplexer sind die Schlachtenszenen gestaltet, die freilich immer – wie auch die Turnierdarstellungen – in der vordersten Bühnenfront in der Nahsicht sichtbar gemacht werden, was wiederum eher einem älteren Darstellungsmuster entspricht. Der Ablauf – einreitende Truppen (319v), Organisation des Heeres (322r), Konzentration auf wenige Kämpfer im Vordergrund inmitten eines Getümmels (322v, 323v), die Ankündigung des Sieges mit Hilfe der von rechts nach links drängenden erfolgreichen Kämpfer (325v) und Flucht der Geschlagenen (326v) – sind Bildmuster, die ebenfalls im ›Lohengrin‹ bekannt sind (97r, 110v– 139r), dort aber wiederum wesentlich anspruchsvoller ausgebaut werden. Die Tiefenräumlichkeit, aber auch die Verflechtung unterschiedlicher Raumschichten ist im Faszikel des ›Friedrich von Schwaben‹ nur ein geringes Anliegen der Illustrationen. Die Darstellung der zur Stadt Angelburgs heranreitenden Truppen Mompoliers (319v) ist eines der wenigen Bilder, in denen die Aktion im Mittelgrund angesiedelt ist. Die einherreitenden Angreifer halten vor einer Stadt inne, die sich als in die Tiefe führende Kulisse vom Vorder- bis in den Hintergrund um das Geschehen wie eine Art Prosceniumsloge legt, ein Bildmuster, das in der Werkstatt recht beliebt ist (etwa im ›Lohengrin‹, 97r).
Die Figuren sind meist gelängt, und ihre Unterkörper erscheinen gegenüber den Oberkörpern zu groß. Dieses Verhältnis wird sogar bei den nun gedrungen wirkenden Zwergen absichtlich noch verstärkt (etwa 350v). Charakteristisch für alle Figuren sind ihre ausdruckslosen, freundlichen, meist rundlichen Gesichter, um die sich in der Regel gelocktes Haar legt. Die Gewänder schwingen bei den weiblichen Gestalten weit aus und legen sich als massive Stoffülle um deren Unterkörper (etwa 306r, 308v). Die männlichen Figuren sind in der Regel mit kurzer Schecke charakterisiert, deren Schnürung an der Brust den Blick auf ein Hemd freigibt. Ihre Beinlinge stecken in hohen Stulpenstiefeln (303r–306r) oder meist in spitzen, nicht eigens gekennzeichneten Schnabelschuhen. Häufig tragen sie Mi-parti-Kleidung in eleganten, manchmal sogar durch die Lichtführung leicht changierend wirkenden Farben (293r–302r). Auffällig ist der Verzicht auf gemusterte Kleidung, die zur Darstellung von Brokatstoffen in den mei-sten Handschriften dieser Gruppe vorkommt (etwa Cod. Pal. germ. 142, 32v). Ebenso fehlen Schmuck oder prunkvolle Hüte. Am variantenreichsten sind die Kopfbedeckungen der männlichen Figuren, die aber meist einen kugeligen Hut unterschiedlicher Beschaffenheit tragen. Wenig differenziert sind auch die Rüstungen, die durchweg denselben Typus wiedergeben.
An der Zeichnung sind mehrere Arbeitsschritte zu beobachten und entsprechend auch unterschiedliche Qualitäten und Arten der Federführung. Insbesondere an den Schlachtenbildern läßt sich der rasche, fast strichelnd aufgetragene und sehr dynamisch wirkende Federstrich der Vorzeichnung gut verfolgen, sind doch etwa die Pferde oder Rüstungen nur leicht laviert worden. Nachkonturierungen sind mit einer harten schwarzen Feder eingetragen worden. Die Farben sind – wie üblich – ebenfalls in mehreren Schichten aufgetragen worden und erlauben so, durch Aussparen nur anlavierter Teile und anschließender schraffierender oder größere Partien eindunkelnder Pinselarbeit mit der Deckfarbe Licht und Schatten in den Gewändern zu gestalten.
Im Gegensatz zum vorgebundenen ›Lohengrin‹ fehlen in diesem Faszikel die großen höfischen Darstellungen. Insbesondere auf die sonst üblichen Illustrationen von Feierlichkeiten wie Gastmähler oder Tanzveranstaltungen wird ganz verzichtet. Obwohl es sich um einen Ritterroman handelt, kommen nur wenige Turnierszenen vor (202v, 231r, 233r, 279r, 331v, 334v, 337v), und lediglich eine große Schlachtensequenz wird ausgemalt (319v–326v). Freundschaftliche Umarmungen zwischen Paaren (186r, 296v, 308v, 318r, 349v, 350v, 368v), Minnekrankheit (205v), Minnelager (197r, 247r, 251r, 252v, 253v, 263v), mögliches Beilager (195v, 204r, 313r) und Eheschließungen (351v, 352r) sind Themen, die immer wieder variiert werden und die emotionalen und familiären Verwicklungen des Stoffes aufgreifen. Die große Zahl von Begegnungen und Austausch von Botschaften über Boten verleiht dem Text eine offizielle Note.
Ein leuchtendes Gelb, Ocker, mehrere Grüntöne, worunter die stark deckende Farbe am häufigsten und wohl als Letztes gebraucht wurde, gelacktes und ungelacktes Brasilholz und ein deckendes Karminrot sowie das strahlende Azurit sind die wichtigsten Farben.
Abb. 206: 253v. ›Friedrich von Schwaben‹: Friedrich stiehlt Angelburg, Malmelon und Salme die Kleider
Abb. 207: 287r. Konrad von Stoffeln, ›Gauriel von Muntabel‹: Gauriel (Titelminiatur).