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26A.35.1. Paris, Bibliothèque nationale de France, ms. allem. 84

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 3

Datierung:

Zwischen 1502 und 1504.

Lokalisierung:

Lyon.

Besitzgeschichte:

Angefertigt wohl während eines der Aufenthalte des französischen Hofes in Lyon (Wirkungsstätte des Buchmalers Guillaume Le Roy), aufgestellt in der Königlichen Bibliothek im Schloß Blois; mit dieser zunächst nach Schloß Fontainebleau gebracht, gehörte die Handschrift zum Kernbestand der Bibliothèque Nationale de France (Altsignatur Codex 7832).

Inhalt:
2r–138r Johann von Morschheim, ›Chronik der französischen Könige‹

2r–5r Widmungsvorrede, 5v–7v leer, 8r–138r Chronik

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier. 147 Blätter (gezählt 1 + 138 + 7; eine zeitgenössische Foliierung beginnt Blatt 8 mit der Zählung 1), 280 × 195 mm, dazu ein Pergamentvorsatz vor Blatt 1 und ein dreifach gefalztes Pergamentblatt (ca. 280 × 450 mm) mit Miniatur vor Blatt 8 eingefügt, einspaltig, 32–33 Zeilen, kalligraphische Kursive, eine Hand (wohl Johann von Morschheim), nicht rubriziert, Kapitelüberschriften schwarz, als Zeilenfüller, besonders am Ende der Kapitel, Zierleisten oder -pollen in Schwarz, Blau oder Rot mit Gold.

Schreibsprache:

rheinfränkisch (Tewtsch Meyntzer prouintz, so Johann von Morschheim, Widmungsvorrede 3r und 4r).

II. Bildausstattung:

21 Deckfarbenminiaturen: 1v, vor Blatt 8, 27r, 28r, 29v, 31r, 33v, 36r, 39v, 43r, 49v, 52v, 61r, 64v, 67r, 78v, 86v, 91v, 96r, 115v, 119v, 138r. – Buchmaler: Guillaume Le Roy der jüngere.

Format und Anordnung:

Die Miniaturen 27r–119v sind von zeitgenössischer Hand am oberen oder seitlichen Randsteg durchgezählt: ia figura bis xixa figura. Diese Miniaturen ganz- oder dreiviertelseitig, ca. 150–210 × 100–110 mm, zunächst zusammen mit vorausgehender Kapitel-/Bildüberschrift vor Kapitelbeginn gesetzt, ab 78v ohne Beischrift im Text. Nicht zur Zählung gehören die ganzseitige Miniaturen 1v und 138r sowie die dreiseitige triptychonartige Ausfaltminiatur vor Blatt 8 (277 × 134.192.123 mm).

Bildaufbau und -ausführung:

Den Bildrahmen bildet eine mit kräftigem Federstrich gezogene Doppellinie, rostorangefarbig gefüllt. Der Rahmen beschneidet die jeweilige Bildszene so, daß der Betrachter wie durch ein höher gelegenes schmales Fenster auf den Szenenausschnitt schaut. Vor allem bei ganzseitigen Bildern durch das hochrechteckige Format bedingt eine Betonung der Vertikalen, dabei liegt der Schwerpunkt in der unteren Bildhälfte. Nur selten erreicht die Hintergrundschilderung – Meer mit Schiffen, Hügellandschaft mit Burgen – den oberen Bildbereich ( 67r), sondern ist ebenfalls in die untere Bildhälfte gedrängt. Horizont etwa auf 2/3 der Bildhöhe, darüber Himmel, oben gesäumt von blauem, zum Rahmen dunkler werdenden Himmelsstreifen, ab 36r stets mit zahlreichen Vögeln bevölkert, 43r bis 52v auch mit aufgeplusterten Wolkenbändern besetzt. Bei Innenraumdarstellungen dient der obere Bildbereich der Raumdarstellung: 33v ornamentierte Rückwand eines schmalen Speisesaals unter Balkendecke, 78v gotisches Kirchenschiff, endend mit einem geöffneten zweigeteilten Tor mit waagerechtem Abschluß, darüber krabbenbesetzter Wimperg über Lünette. Protagonisten auf vorderster Bildebene, stets gekleidet im Stil um 1500, nicht antikisierend. Insgesamt detailreich und in aufwendiger Deckfarbenmalerei unter Verwendung von Gold und Silber ausgeführt, charakteristisch etwa das lichte, fächerartig gebündelte Laubwerk (z. B. 61r, 86v) und die kleinteilig gezeichneten Segelschiffe. In deutlichem Kontrast zu dem hierdurch bezeugten Anspruchsniveau benutzt der Buchmaler jedoch bis auf wenige Darstellungen allgemein verbreitete bis abgegriffene Bildmodelle, die durch Wiederholungen zu einer nicht geringen Eintönigkeit führen (siehe unten Bildthemen).

Bildthemen:

Eingerahmt ist der Bildzyklus durch zwei auf den Autor bezogene Bilder; 1v Widmungsbild: der Autor überreicht sein Buch König Ludwig XII., unten im Bild Wappen Johanns von Morschheim; 138r erneut Wappen des Autors: vor besterntem Hintergrund sein Schild, gehalten von zwei Wildmännern, darüber Helmzier, darunter drei Enten im Gras, die eine mit Halskrause, umgeben von Schriftband ES SEIND BLABE ENTTEN. Auch die Pergamenttafel vor Blatt 8 gehört nicht zu den 19 durchgezählten Textillustrationen: Recto dreifach geteilte Wappenallegorie: Mitte oben Lilienwappen zwischen Sonne und Halbmond; unter dem Halbmond regnet und hagelt es auf eine Burgenlandschaft nieder; unter Sonne und Lilienwappen hockt unter goldenem, von Ranken gesäumtem Bogen ein gekrönter Löwe mit rheinpfälzischem Wappen (viergeteilter Schild mit rotem Mittelstück, 1 und 3 goldener Löwe auf schwarzem Grund, 2 und 4 blau-silberne Rauten), der aufschaut zu einem auf dem Goldbogen balancierenden Stachelschwein (Emblem Ludwigs XII., der den 1394 gegründeten Ritterorden vom Stachelschwein erneuert hatte); auf dessen Rücken kämpft ein Engel mit dem Teufel. Die emblematische Darstellung bezieht sich auf die Schutzsuche der Kurpfalz beim französischen König, wobei Backes mit Wüst (siehe unten: Literatur) als Anlaß für diese Schutzsuche die sich anbahnende türkische Bedrohung vermutet. Das gesamte allegorische Tableau ist bezogen auf die Erstarkung Frankreichs im zweiten französischen Feldzug in Italien, mit dem Ludwig XII. gegen den von Maximilian I. unterstützten Ludovico Sforza seine Ansprüche auf Mailand durchsetzte, und in dem sich Rheinpfalz mit Philipp dem Aufrichtigen dezidiert profranzösisch und antihabsburgisch verhielt. Entsprechend sind in den seitlichen Tafeln die beteiligten Mächte/Herrscher mit Symboltieren vertreten: Links oben (gallischer) Hahn mit Spruchband, links unten (Schweizer) Bär mit Bienenschwarm aus hohlem Baumstumpf (die Schweizer hatten mit beiden Seiten paktiert und schließlich Ludovico Sforza an Frankreich ausgeliefert), mit Spruchband. Rechts oben: Fuchs (Ludovico Sforza, Herzog von Mailand, seit 1500 in französischer Gefangenschaft) in der Falle, mit Spruchband, rechts unten grauschwarz gefleckter Luchs (Bezug unklar, kaum Maximilian I.), die Vorderpfoten auf einen Baumstamm gestützt, mit Spruchband.

Auf ähnliche emblematische Tierdarstellungen mit politischen Bezügen im Umfeld Ludwigs XII. machen Baurmeister/Laffitte (siehe unten Literatur), S. 189, aufmerksam. Die Inschriften der Spruchbänder in deutschen Paarreimen, jedoch vom Buchmaler, der deutschen Sprache nicht mächtig, teilweise entstellt (z. B. zum rheinpfälzischen Löwen: Unter lilgen / Nem ich mein rast / Gein dieses / wetters sweren last / So lang die mich mit trw verdect / Das wittern mich dit hart erschrect).

Keine Darstellung zum alttestamentlich-weltgeschichtlichen Teil. Das erste Bild des Zyklus 27r zeigt die Erstürmung einer Stadt vom Wasser aus sowie einen König, der auf einem Schiff von einem anderen angegriffen wird. Thematisch in etwa passend zur benachbarten Textstelle (Einnahme einer römischen Stadt durch die Trojaner und Kampf des Aeneas mit Turnus?). Des weiteren jedoch wenig spezifische Kampf- und Belagerungsszenen (29v, 39v, 52v, 119v), dazu mehrfach kaum abgewandelte Bildwiederholungen. 61r und 86v nahezu identische Zweikampfszenen: Vor einem in Bildmitte plazierten hexagonalen Springbrunnen stürmen zwei Ritter in vollem Harnisch zu Pferd aufeinander zu und stechen sich gegenseitig mit Langschwert; 96r und 115v ebenfalls fast identische Belagerungsszenen: Gerüstete ersteigen auf Leitern die Mauern einer am Meer gelegenen Stadt (115v durch den Text als Blois identifiziert). Ebenso unspezifisch und durch Bildwiederholung beliebig sind die Herrscherdarstellungen: Sowohl zu Romulus (28r) als auch zu Pippin dem Jüngeren (43r) Darstellung eines mit Gefolge auf eine Stadt zureitenden Königs, dem Frauen die Schlüssel übergeben; Chlotar (36r), Karl IV. (64v) und Philipp VI. (67r) erhalten ein Bild, das einen König im Gespräch mit einem jungen Adeligen zeigt, dem er einen Ring übergibt, mit gekrönten Begleitfiguren; ebenso unspezifisch die Themenwahl zu Theodosius (31r ein Fürst tritt seinem Heerführer mit Gefolge gegenüber), Clodwig (33v zwei Bedienstete treten vor einen Tisch, an dem eine fürstliche Gesellschaft speist, davor ein Hofnarr); nicht auf den Text bezogen oder durch ihn erklärbar ist die Darstellung zu Ludwig II. dem Stammlers (49v ein Bittsteller mit einem Zweig/Baum in der Hand tritt einem Fürsten gegenüber). Selbst die Darstellung zu Karl VII. geht zwar ins Detail (78v Salbung des Dauphins zum König durch einen Bischof?), da die Salbung aber wie eine Taufe dargestellt ist, dürfte es sich um eine sekundäre Zuordnung handeln; das zweite Bild zu Karl VII. bleibt wiederum sehr allgemein (91v Fürst reitet auf eine Stadt zu, im Hintergrund Meere mit Schiffen). All dies gibt den Bildbeigaben den Charakter der Beliebigkeit, ähnlich wie es in Drucken des beginnenden 16. Jahrhunderts mit aus anderen Zusammenhängen entlehnten und mehrfach wiederholten Holzschnitten oft der Fall ist (vgl. auch die bebilderten Drucke der ›Chroniques abrégées‹, ausgehend von der Ausgabe Paris: Denis Meslier [?] 1490 [GW 6679], die jedoch als unmittelbare Vorbilder nicht in Frage kommen); von zeitgenössischen Holzschnitten angeregt dürfte auch die Aufteilung einer Miniatur in zwei gerahmte Bildfelder sein (27r).

Farben:

leuchtende Deckfarben in eher dunklerer Tonigkeit; Silber, Gold.

Literatur:

Huet (1895) S. 47 f. – Archivbeschreibung (handschriftlich) von Paul Wüst, Paris 1905 (13 Blätter). In: Handschriftenarchiv der BBAW online; Martina Backes: Das literarische Leben am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg im 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Gönnerforschung des Spätmittelalters. Tübingen 1992 (Hermaea N.F. 68) S. 154 f. 212–215, Abb. 9 (1v); Ursula Baurmeister / Marie-Pierre Laffitte: Des livres et des rois. La bibliothèque royale de Blois [Ausstellungskatalog Blois 1992]. Paris 1992, S. 188–192, Nr. 47, Abb. S. 188 (1v). S. 190–191 (vor Bl. 8); François Avril / Nicole Reynaud: Les manuscripts à peinture en France 1440–1520. Paris 1993, S. 362; Elizabeth Burin: Manuscript Illumination in Lyons 1473–1530. Turnhout 2002 (Ars Nova. Studies in Late Medieval and Renaissance Northern Painting and Illumination III), S. 245–247. Nr. 115, Abb. 180 (1v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXVIIIb: 49v. Ein Bittsteller tritt Ludwig II. (dem Stammler) entgegen.

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Taf. XXVIIIb.