19.0.2. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 3037–3038
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 2
Um 1490–1500.
Bayern.
Im 16. Jahrhundert wahrscheinlich Eigentum der Urenkelin Kaiser Maximilians I., Erzherzogin Magdalena von Tirol (1539–1590) (Cod. 3037, IIr: Madalena); daher die Vermutung, Maximilian sei der erste Besitzer, die sich jedoch nicht belegen läßt; wohl über Magdalenas Bruder Ferdinand von Tirol (1529–1595) in die Ambraser Sammlung gelangt (alte Ambraser Signatur 1r oben MS. Ambras. 426), 1665 in die Wiener Hofbibliothek gekommen.
1. | Cod. 3037, 1ra–123va | ›Buch der Abenteuer‹, 1. Buch: ›Anfang der edeln templeysen‹ – ›Trojanerkrieg‹ – ›Merlin‹ – ›Gaudin und Gamoreth‹ – ›Tschionatolander und Sigune‹ – ›Parcival und Gaban‹ – ›Lohengrin‹ |
Cod. 3037, 124ra–233rb | ›Buch der Abenteuer‹, 2. Buch: ›Floreis und Wigoleis‹ – ›Seifrid de Ardemont‹ – ›Meleranz‹ – ›Iban‹ – ›Persibein‹ – ›Poytislier‹ – ›Flordimar‹ | |
2. | Cod. 3037, 224ra–Cod. |
3038, 516ra ›Lanntzilet vom Lack‹
Hs. b |
Papier, bis 1753 (Datierung der neuen Einbände) in einem Band, danach mit jeweils einem neuen Vorsatzblatt in jedem Band vorn und hinten neu gebunden; Cod. 3037: VII + 257 + I Blätter, Cod. 3038: III + 263 (gezählt 258–520) + I Blätter (Zählung des 17. Jahrhunderts bis Blatt 516 mit Fehlern: übergangen sind der Einlegezettel 302a sowie die Blätter 328a und 330a), 410–413 × 278–285 mm, zweispaltig, 43–51 Zeilen, Bastardaschriften, mindestens vier Schreiber, I: 1ra–233rb, II (vgl. Schreiber III des Cgm 1 [s. o. Nr. 19.0.1.]): 234ra–353rb, wohl auch 452vb–516ra, die von
mittelbairisch.
An den Kapitelanfängen Deckfarbeninitialen vorgesehen, jedoch ausgeführt nur 1ra und 1rb; im weiteren Freiräume: 41ra, 44ra, 60ra, 107va, 124ra, 137ra, 158va, 169va, 182ra, 204ra, 219ra. Am Schluß einiger Kapitel in freigebliebenen Schrifträumen (kolorierte?) Federzeichnungen geplant, jedoch nur in Ansätzen begonnen: 123v, 136vb, 169ra–rb, 203v, 218va–vb.
Initiale 1ra (Prolog) über acht Zeilen, 47 × 53 mm, 1rb (›Anfang der edeln templeysen‹) über neun Zeilen, 59 × 54 mm, dazu Ranke 1r unten. Initialfreiräume sind zu Beginn der folgenden Kapitel ausgespart: 41ra (›Gaudin und Gamoreth‹), 44ra (›Tschionatolander und Sigune‹), 60ra (›Parcival und Gaban‹; Einfassung und Buchstabenkörper mit Kreide schwach vorskizziert), 107va (›Lohengrin‹; Einfassung und Buchstabenkörper schwach vorskizziert), 124ra (›Floreis und Wigoleis‹; Einfassung und Buchstabenkörper schwach vorskizziert), 137ra (›Seifrid‹), 158va (›Meleranz‹), 169va (›Iban‹), 182ra (›Persibein‹), 204ra (›Poytislier‹), 219ra (›Flordimar‹).
Die figürlichen Zeichnungen ungerahmt, oft bis an den Blattrand reichend; stets in einen Freiraum vor Beginn des mit einer neuen Seite beginnenden Kapitels eingefügt, auf das sich die Zeichnung mit der Darstellung einer wichtigen Handlungsszene desselben bezieht.
1ra A-Initiale mit hellviolettrosa Buchstabenkörper, etwas dunkler konturiert, mit Deckweißstricheln gehöht, auf ungemustert blauem Grund in blaßgelbem Kastenrahmen, mit Akanthusranke; 1rb D-Initiale mit violettrotem Buchstabenkörper in dunkler abgetönter und gelber Randung, auf grünem Rautengrund mit Vierpaßdekor und Randung in Gelb und Hellviolettrot im Binnenfeld, Kastenrahmen in Gelbocker, mit Akanthusranke, ausgehend von einer »Öse« am linken Initialrand. 1r am unteren und rechten Blattrand Akanthusranken. Die Ranken stets abwechselnd hellviolettrot und grün, in dunklerer Abtönung modelliert, nachträglich mit schwarzen Federlinien akzentuiert; die untere Ranke von blaß- bis olivgelbem, violettrot gerandetem Ast ausgehend, mit olivgrünem Federdekor.
Die figürlichen Zeichnungen sind sehr schwach mit Kreide vorskizziert, nur vereinzelt wurde die Ausführung (mit Tinte) begonnen: 123v (mit Tinte): Ritter zu Pferd, der mit der Lanzenspitze eine Schärpe einer gekrönten Dame auf der Burgbrüstung emporreicht (Floreis reicht der Königin den Gürtel), 136vb (Kreide, Motiv nicht identifizierbar), 169ra–rb (Kreide): Zweikampf von Rittern zu Pferde mit erhobenem Schwert vor nicht erkennbarem Hintergrund (Kampf zwischen Iban und Gaban), 203v (Kreide, Motiv nicht identifizierbar, im oberen Bildteil mit Tinte begonnene Zeichnung des Landschaftshintergrunds: Baumreihe ohne Kronen auf ansteigendem Gelände), 218va–vb (Kohle): Ritter zu Pferd tötet drachenähnliches Ungeheuer durch Lanzenstich ins Maul; in Tinte ausgeführt ist der Drache und die Burgarchitektur an einem Felsen im Hintergrund (Flordimar besiegt das Ungeheuer).
Geplant sind auf gestuften Bodenstücken spielende Szenen der Ritterepen in großzügig den Bildraum ausfüllender Komposition. In den bereits mit Tinte ausgeführten Zeichnungen weiche Umrisse in unterschiedlich feinen, durchgezogenen Linien, Architekturen z. T. mit Lineal skizziert, Figuren dagegen in stellenweise bewußt zittrigen Linien konturiert. Schattenpartien gestrichelt, Details von Kleidung und Haartracht ornamental strukturiert.
Das Floreis-Bild 123v entspricht dem Typus des Eingangsbildes der ›Wigalois‹-Zyklen in den Handschriften Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Donaueschingen 71, und Leiden, Bibliotheek der Rijksuniversiteit, Ms. Ltk 357 sowie in den (zerstörten) Fresken im Sommerhaus der Burg Runkelstein. Letztere sind in der Auffassung der Gürtelszene besonders ähnlich (Abbildungen der neuzeitlichen Nachzeichnung:
Abb. 178: 123v.