103.8.1. Bamberg, Bibliothek des Metropolitankapitels, Ma. 29
Bearbeitet von Ulrike Carvajal
KdiH-Band 10
1494 (417v).
Nürnberg.
Die Handschrift stammt aus dem Nürnberger Klarissenkloster, geschrieben 1494 von swester Barbara stromerin [...] in dem jar sy gestorben ist (417v). Spätestens nach der Auflösung des Klosters im Jahre 1596 gelangten Handschriften aus der Bibliothek der Nürnberger Klarissen u. a. in Bamberger Klöster und im Zuge der Säkularisation in die Königliche Bibliothek Bamberg (
1r–417v
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Heinrich Vigilis von Weißenburg, Predigten
Ostern bis 24. Sonntag nach Pfingsten
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Papier, I (Pergament) + 425 + I (Pergament) Blätter (Blattzahl falsch erfasst in Caritas Pirckheimer [1982] S. 96, Fehlfoliierungen Blatt 143, 205, 244, 276, 296, nach 318 und nach 398, mittelalterliche Foliierung bis Blatt 417, auf nachgebundenem unfoliiertem Pergamentblatt aufgeklebtes Blatt [140 × 97 mm, 17 Zeilen]; eingelegtes Fragment einer Inkunabel mit liturgischem Inhalt; eingelegtes graues, einmal gefaltetes Löschblatt [vor nachgebundenem Pergament] beschrieben mit der Jahreszahl 1494 [18./19. Jahrhundert]), 400 × 280–285 mm, Bastarda, drei Schreiberinnen (I: Hauptschreiberin Barbara Stromer 1r–417v, II: Kolophon 417v, III: Nachtragshand nach 1532 auf dem auf das Pergamentblatt aufgeklebten Blatt: Aber diße Materi hat die wirdig mutter Caritas pirckhaymerin seligen an der predig ausz des abgemelten w[irdigen] vaters mundt von wort zu wort angeschriben [...]), rote vier- bis fünfzeilige Lombarden, zwei verzierte Initialen mit spiralrankigem Besatz, Punktverdickungen und gepunkteten Perlen (1r, 6v).
nürnbergisch.
Eine historisierte Eingangsinitiale in Deckfarbenmalerei (1r), wohl von der Hand der Schreiberin Barbara Stromer.
Die historisierte neunzeilige (70 × 75 mm) C-Initiale (1r) fungiert als Auftakt der Predigtsammlung und illustriert gleichsam das Hauptereignis des Osterfestes. Sie befindet sich unterhalb eines von einer verzierten Initiale und der Incipit-Formel In nomine Domini Jesu eingeleiteten Einführungstextes und leitet in das Bibelwort cantemus domino gloriose enim honorificatus est (Ex 15,21) über.
Die Initiale zeigt einen rahmenbildenden Besatz aus feinen mäandernden Spiralranken und parallel gezogenen Strichen in Blau und Rot, auf der Malerei sind Spuren eines Gewebes oder Vlieses mit vereinzelten sehr feinen längeren weißen Fäden zu erkennen. Im Binnenfeld des schmalen, schmucklosen Buchstabenkörpers der Initiale entfaltet sich eine Gartenlandschaft mit blühender Wiese und fruchtenden Bäumen hinter einem Weidenzaun. Dieser teilt die Komposition horizontal in einen kräftig dunkelgrünen Untergrund und einen pergamentfarbenen Hintergrund. Die Obstbäume im Hintergrund bilden einen inneren Rahmen. Die zahlreichen winzigen Vögel auf dem Zaun, in der Baumkrone und auf den Aststümpfen, die leuchtenden kleinen Früchte der Bäume und die Streublumen setzen über die gesamte Szene hinweg tupfenartige Akzente und tragen zu einem vereinheitlichten lebendigen Gesamtbild bei. Auf dem blühenden Wiesengrund stehen Maria Magdalena und Christus einander zugewandt. Die Figuren dominieren jeweils eine Bildhälfte. Durch ihre Positionierung auf versetzte Ebenen entsteht Räumlichkeit. Maria Magdalena hat das Salbgefäß auf den Boden gestellt und will sich Christus mit ausgestreckten Armen nähern. Ihr zu Boden fallender Mantel rahmt die Figur zur Hälfte ein; es ist nicht klar zu erkennen, ob sie kniet oder steht. Christus überragt Maria Magdalena deutlich. Während seine erhobene rechte Hand ein Vexillum crucis hält, umschließt seine linke Hand den Griff eines Spatens. Die Gesichter sind mit wenigen Strichen skizziert und mittels zartem Wangenrot belebt. Die Körper der Figuren verschwinden weitgehend hinter den wenig differenzierten Gewändern. Der feine Pinselstrich der Augenbrauen, die zart aufgetupften Münder sowie die allgemein recht ausgewogene planvolle Komposition zeugen von einer gewissen Geübtheit der Buchmalerin und Schreiberin. Sowohl die linke Hand Maria Magdalenas als auch die rechte Hand des Auferstandenen scheinen ausgebessert worden zu sein. Die mit Blattgold veredelten Nimben der Figuren verleihen der Initiale eine gewisse Festlichkeit. Spruchbänder enthalten Maria Magdalenas Anrede Raboni und die Erwiderung Christi Noli me tangere. Ein weiteres Spruchband mit der Beischrift Surrexit […] verweist auf das Ereignis der Auferstehung.
Die Miniatur thematisiert die Begegnung Maria Magdalenas mit dem auferstandenen Christus, den sie zunächst für einen Gärtner hält (Io 20,14–17). Die Miniaturmalerei entspricht der bis ins Hochmittelalter zurückreichenden ikonografischen Tradition der ›Noli me tangere‹-Darstellungen. Christus ist allerdings nicht in einer abwehrenden Haltung dargestellt (vgl. Miniatur der Nürnberger Klarissenhandschrift: Staatsbibliothek Bamberg, Msc.Hist.159, Nr. 51.23.1.), sondern im Verkündigungsgestus mit erhobenem Kreuz. Die detailreiche Ausgestaltung des Gartens greift zugleich die Quintessenz der folgenden Osterpredigt auf, wie sie zu Beginn der Handschrift zusammengefasst ist, es Christus gleich zu tun und ein hubsch gertlein [zu] pflantzen.
dunkles Grün, bräunliches Purpurrot, dunkles Blau, helles Gelb, lackartig glänzendes Rot akzentuierend eingesetzt (Früchte, Blüten, Kreuz, Fahne), Blattgold (Nimben, Borten an Ärmelrändern und Halsausschnitten der Figuren), Pinselgold (Tupfen auf dem Mantel und dem Gewand Maria Magdalenas). Die Farben sind dunkel und kräftig, jedoch nur ungleichmäßig deckend, stellenweise transparent und fleckig.
Abb. 29: 1r. Maria Magdalena begegnet dem auferstandenen Christus.