KdiH

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101.0.1. Bad Berleburg, Sayn-Wittgenstein’sche Schlossbibliothek, Ms. RT 2/4

Bearbeitet von Réjane Gay-Canton

KdiH-Band 10

Datierung:

Um 1430/50 (Datierung auf Grundlage der Schrift, Schenk zu Schweinsberg [1941]); nach Auskunft von Christine Glaßner kann aufgrund der Schnörkel und des offenen g eine spätere Datierung nicht ausgeschlossen werden.

Lokalisierung:

Westlicher Teil des lothringisch-saarländischen Raumes (Haubrichs [2002]; Kunz [2014]).

Besitzgeschichte:

Aus dem Besitz von Margarethe von Rodemachern (1426–1490), Tochter der Gräfin Elisabeth von Nassau-Saarbrücken (vgl. Ausleihverzeichnis in Gotha, Chart. B 237, 118r den weller mit den reymen), die in direktem Filiationsverhältnis mit der Familie der aktuellen Besitzer steht (Schenk zu Schweinsberg [1941] S. 127–129; Haubrichs [2002] S. 536–538). Auf dem Vorderspiegel Exlibris von Graf Georg zu Wittgenstein (1565–1631).

Inhalt:
1r–414v* ›Pilgerfahrt des träumenden Mönchs‹
›Pilgerfahrt b‹, Versübersetzung
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, II + 3 + 416 + 2 Blätter, (VI–6) + (VI–1) + 2*VI + (VI–2) + 8*VI + (VI+1) + 21*VI + (I–1) + (III–3), Textverlust (es fehlen Bl. 1 und 2 sowie die zwei Doppelblätter in der Mitte der Lage I, Bl. 2 der Lage II, Bl. 3 und 4 der Lage V, Bl. 1 der Lage XXXVII, Bl. 3–5 der letzten Lage), 213 × 144 mm, Cursiva currens, ein Schreiber, eine unsorgfältige Korrekturhand hat vor der Rubrizierung Wörter, Ausdrücke, aber auch z. T. ganze Verse verbessert, an sechs Stellen (267r, 315r/v, 329r, 335r, 382r) gibt der Korrektor Anweisungen für den Rubrikator, welcher sie mit einigen lexikalischen und dialektalen Änderungen übernimmt, drei Verweiszeichen, einspaltig, 15–20 Zeilen, rote, später schwarze Lombarden wohl vom Schreiber, Rubrizierung.

Schreibsprache:

nordrheinfränkisch-moselfränkisch mit Westwörtern (Haubrichs [2002]; Kunz [2014]).

II. Bildausstattung:

Noch 104 gerahmte, mit Deck- und Wasserfarben kolorierte Federzeichnungen, eine Federskizze, eine Bleistiftskizze sowie zwei für Bilder freigelassene Räume (248v irrtümlicherweise für die erneute Darstellung von HOFFART). Ab 115r wurden 14 Bilder vom Schreiber mit römischer Zählung versehen: xxxiij, xlv, xlviij, lviij–lxv, lxvij–lxx. Ungezählt bleiben dabei die Skizzen zu den Übergängen der Bücher: Sie gehörten nicht zum Bildprogramm. Ein Maler, Werkstatt unbekannt.

Format und Anordnung:

Streifenbilder, meist ein Viertel, höchstens ein Drittel des Schriftspiegels hoch, den zugehörigen Textabschnitten vorangestellt. Figuren und Gegenstände ragen öfter über die Rahmung hinaus (besonders gegen Ende der Handschrift). Rote Bildüberschriften deuten die Bilder.

Bildaufbau und -ausführung:

Mit Ausnahme vom ersten Bild, das den Rahmen zur Hälfte überragt, ähneln sich alle Bilder in ihrer Gestaltung. Eine farbige Rahmung steht im Kontrast zum gefüllten Bildgrund, der sich durch seine kräftige Farbigkeit und Einfachheit auszeichnet: Auf eine eindeutige Verortung wird verzichtet, es sei denn, diese wird explizit von der Bildüberschrift verlangt (z. B. 8v Godes gnade fuͤret den pilgerin jn yre huß oder 211r gottes gnade vnd der pilgeryn vnd die hecke thuschen yne zweyen). Ein Vergleich zu 23 französischen Handschriften des ›Pèlerinage de vie humaine 1‹, die auch gerahmte Bilder enthalten, bestätigt diese Einfachheit: Der Schmuck der Rahmen und des Hintergrunds ist spärlich, die Figuren so schlicht, dass Bömer (1915) fälschlicherweise annahm, sie könnten vom Schreiber selbst kommen. Manchmal werden nicht alle Elemente der Bildüberschriften dargestellt. In seltenen Fällen aber wird ein im Text genanntes Element gezeigt, ohne dass die Bildüberschrift es erwähnt (z. B. 389v, das von ENTHALTSAMKEIT gezeigte Refektorium – hier als Kapelle –, während nur Abebrechonge genannt ist); dieses wird der Buchmaler der Vorlage entnommen haben.

Beim Übergang der Bücher hat der Schreiber der ›Pilgerfahrt b‹ einen Freiraum gelassen; in zwei der drei (II, IV) Übergängen befindet sich auch eine Skizze: der Pilger flehend vor GOTTES GNADE (154r) und der Pilger vor dem Meer (350v). Die neutrale Szene der ersten Federskizze, die nicht zum angrenzenden Text passt, und die zweite Bleistiftskizze, die das erste ausgeführte Bild des vierten Buches vorausnimmt (351v), sind als Zusätze zum Bildzyklus zu verstehen (vgl. Nummerierung der Bilder).

Diese Zusätze erinnern an den Münchner Cod.gall. 30 (ca. 1348), der vor dem zweiten Buch eine Darstellung des Pilgers aufweist (39r), vor dem dritten den Pilgerhut (68v) und vor dem vierten den Pilger vor dem Meer, das einzige Bild, das zum eigentlichen Bildzyklus gehört (85v). Zu erwähnen ist hier auch London, Add. 38120 (Paris, um 1400), welche am Ende jedes Buches Platz lässt, damit das nächste Buch auf einer neuen Seite anfangen kann, und ihn bloß mit Cy commence [...] cy finit [...] füllt. Die Londoner Handschrift besitzt auch eine weitere Besonderheit: Sie lässt jedes Buch mit dem nächsten im Bilderzyklus vorgesehenen Bild anfangen, im vierten Buch also gerade mit dem Bild vom Pilger vor dem Meer (92v). Diese Inkongruenz der ›Pilgerfahrt b‹ haben die zwei indirekt von ihr abhängigen Handschriften getilgt: Die ›Pilgerfahrt h‹ zeigt ein einziges Bild, das neutral ist (der Pilger betet den Rosenkranz, S. 222), und die ›Pilgerfahrt d‹ enthält nur große Initialen. In den drei deutschen Handschriften weisen die entsprechenden Rubriken nicht auf mögliche vorgesehene Bilder, sondern nur auf die Buchübergänge hin.

Es ist nicht unmöglich, dass die Skizzen am Anfang des zweiten und vierten Buches von der Hand des Schreibers stammen. In der ›Pilgerfahrt b‹ wurden insgesamt 18 Bilder eingeklebt (80r zusätzlich zu Bömer [1915] S. XII). Wie dies z. B. auf 154r zu sehen ist, ersetzen sie vorgezeichnete Federskizzen, welche durch die Farben des Illustrators nicht genügend verdeckt worden wären. Diese frühere, unsichere Hand könnte wohl diejenige des Schreibers sein (vgl. Schenk zu Schweinsberg [1941] S. 129f.; Stork [2002] S. 600).

Bildthemen:

siehe Einleitung. Durch Blattverlust fehlen höchstwahrscheinlich die vier Bilder zu den Heiligen Augustinus, Benediktus, Franziskus und Petrus, VERNUNFT erschrickt durch die Fragen des Pilgers, Debatte zwischen NATUR und GOTTES GNADE. Zu den Besonderheiten des Bildzyklus gehören das Bild der Maria lactans (335r) (siehe Einleitung) und die inkonsequente Darstellung des Vikars als gehörnter Moses (151r) oder als Bischof (vgl. dazu Philadelphia, Rosenbach Library, MS 241/2, 3va und 30va, 1437 im Auftrag von René d’Anjou hergestellt, welche 147ra [im ›Pèlerinage de Jésus Christ‹] auch eine stillende Madonna darstellt [Maria im Wochenbett]).

Farben:

Blau, Rot, Kupfergrün, Gelb, Altrosa, Braun, Weiß.

Literatur:

Handschriftencensus Westfalen (1999) S. 393 (Nr. 0886). – Bömer (1915) S. V–XX; Schenk zu Schweinsberg (1941) S. 127–132; Haubrichs (2002); Stork (2002) S. 599f.; Peters (2008) S. 153–162; Haubrichs (2014); Kunz (2014); Lange-Mauriège (2014) S. 408–425, 455–466, 490–503; Peters (2014) S. 80f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 14: 335r. Der Pilger betend vor Maria mit dem Kind (Maria lactans).

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Abb. 14.