KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

45.2.2. Berlin, Staatliche Museen – Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, KdZ 23486; 24618; 26329; Linz, Nordico – Museum der Stadt Linz, Inv.-Nr. S V/265; Mönchengladbach, Städtisches Museum Schloss Rheydt, Gr. 808; Gr. 813; München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8533; ehem. Karl & Faber; ehem. Leipzig, C. G. Boerner; ehem. Heidelberg, Helmut Tenner; ehem. München, Julius Böhler; ehem. London, Christie’s

Bearbeitet von Peter Schmidt

KdiH-Band 6

Datierung:

Ende 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

München.

Besitzgeschichte:

Laut Angabe im Auktionskatalog von Karl & Faber 1935 (siehe unten Literatur), mit dem der Band erstmals in der Literatur erscheint, soll er sich im frühen 16. Jahrhundert im Besitz des Kardinals Giovanni Colonna (amtierte 1480–1508) befunden haben. Die Handschrift umfasste ursprünglich 30 Blätter mit 62 Figuren bayerischer Fürsten von Bavarus und Norix bis Albrecht IV. In dessen Regierungszeit (1467–1508) fällt auch die Entstehung der stilistisch etwa in das letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts zu datierenden Blätter. Da der Freskenzyklus des Alten Hofes mit Sigmund von Bayern-München endete (der 1463–1465 allein regierte), wurde das Bild Albrechts IV. also erst vom Maler dieser Kopie ergänzt. Die noch vollständige Handschrift wurde 1935 von Karl & Faber angeboten; nachdem sie dort nicht verkauft werden konnte, ging sie zurück an den Einlieferer, Leo Olschki in Florenz (freundliche Mitteilung Karl Hartung nach den Unterlagen von Karl & Faber). Spätestens 1943, als die ersten Einzelblätter auf dem Kunstmarkt auftauchten, muss sie zerlegt worden sein. Bislang ist nur der Verbleib der Fragmente in öffentlichem Besitz in Berlin, Mönchengladbach, München und Linz bekannt; aus Abbildungen im Auktionskatalogen bekannt, aber nicht auffindbar sind drei Blätter, ein weiteres wurde 2009 bei Christie’s verkauft. Insgesamt lässt sich damit knapp die Hälfte des ursprünglichen Bestandes rekonstruieren.

Inhalt: Kopie des Wandgemäldes mit der Reihe bayerischer Fürsten im Alten Hof in München (Bildnisse, Wappen und Tituli)

Blatt-Nr.

Ordnungsnummer in der Hs., Name des Fürsten

Sammlung / Auktion

1

–, 2: Versöhnung von Bavarus und Norix

Christie’s London, Sale 5979, Lot 582 (2009)

4

8, 9: Garibaldus, Thasillo (Tassilo I.)

Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 26329 (1970 erworben in Münchner Privatbesitz). Verso: Tituli zu Adel gerus und Theodo (Nr. 6 und 7)

6

12, 13, 14 (rekonstruiert aus den beschnittenen Ordnungsnummern): Angistus, Grossus Pipinus, Carolus Magnus

Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ
24618 (1957 erworben im New Yorker Kunsthandel). Verso: Tituli zu Theodo und Arnulf von Metz (Nr. 10 und 11). Abklatsch in schwarzer Farbe vom Stoffmuster des Gewandes und des Beinkleides der Figuren 10 und 11 zu erkennen

8

8 17, 18: Occarius, Thesillo (Ottokar, Gründer des Klosters Tegernsee, und Tassilo III.)

Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 23486 (erworben 1943 bei Boerner, Leipzig). Verso: Tituli zu Karl Martell und Karlmann (Nr. 15 und 16). Hier die Foliierung 8 von älterer Hand

9

8 19, 20: Ludwig der Fromme, Karlmann

Nur bekannt aus dem Katalog von Boerner 1943, Nr. 80 (laut Eintrag im annotierten Exemplar des Auktions katalogs der Bayerischen Staatsbibliothek verkauft an Geipel)

11

11 23, 24, 25: Kaiser Otto I., II und III.

Nur bekannt aus der Abbildung im Auktionskatalog Karl & Faber 1935, Taf. I

12

12 26, 27: Kaiser Heinrich II., Naymas

Nur bekannt (mit Abbildung) aus der Anzeige des Auktionshauses Böhler in: Weltkunst 39 (1969), Nr. 15, hinterer Umschlag

15

15 32, 33: König Konrad II., Kaiser Heinrich III.

Nur bekannt aus dem Katalog Boerner 1943, Nr. 81 (laut Eintrag im annotierten Exemplar des Auktionskatalogs der Bayerischen Staatsbibliothek an Geipel)

16

15 34, 35, 36 Kaiser Heinrich IV., Kaiser Heinrich V., Eckhart mit dem Bundschuh, Graf zu Scheyern

Nur bekannt aus dem Auktionskatalog von Tenner 1955, Nr. 1607 (mit Abbildung)

17

17 37, 38: Heinrich der Löwe, Herzog Otto I. von Wittelsbach

Mönchengladbach, Städtisches Museum Schloss Rheydt (Inv.-Nr. Gr 808, erworben 1957). Verso: Tituli zu Nr. 34, 35 und 36

18

39 (Nummer rekonstruiert): Ludwig II. der Strenge

Nordico – Museum der Stadt Linz (Inv.-Nr. SV/265, 1971 erworben aus einer Privatsammlung). Verso: Tituli zu Nr. 37 und 38

19

40, 41, 42, 43 (Nummer rekonstruiert): Rudolf, Ludwig der Bayer, Ludwig V. der Brandenburger, Stephan II.

München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 8533. Verso: Titulus zu Nr. 39

26?

54, 55, 56 (Ernst, Wilhelm III. von Bayern-München, Heinrich (der Natternberger?)

Mönchengladbach, Städtisches Museum Schloss Rheydt (Inv.-Nr. Gr 813, laut Notiz auf dem Passepartout erworben bei Boerner 1959). Verso: Titulus zu Ludwig dem Gebarteten von BayernIngolstadt (Nr. 53)

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier; ursprünglich 30 Blätter; ursprünglich mindestens ca. 432 × 293 mm (maximale Maße der erhaltenen Einzelblätter, die unterschiedlich beschnitten sind), während der Regierungszeit Albrechts IV. (1467–1508) angelegt, da dessen Darstellung als regierender Herzog den Abschluss bildete, Wasserzeichen Anker (nicht bei Piccard / Piccard online, ähnlich Briquet 465: Salzburg 1490), Bastarda von einer Hand (nur Namen der Figuren auf den Bildseiten und Tituli auf den Rückseiten), nicht rubriziert.

Schreibsprache:

mittelbairisch.

II. Bildausstattung:

Aus dem erhaltenen Bestand oder den Auktionskatalogen sind von den ursprünglich 62 Bildnissen, ausgeführt in kolorierter Federzeichnung von drei Händen, gegenwärtig 32 auf 13 Einzelblättern bekannt.

Format und Anordnung:

Die Überführung einer langen Reihe von Herrscherbildern, die sich vermutlich über mehrere Wände eines Saales zog, in das Medium des Codex stellte den Maler vor die Frage, wie er das Kontinuum auf einzelne Seiten herunterbrechen sollte. Die Form des Rotulus, die Mitte des 16. Jahrhunderts für die heute in Paris aufbewahrte Kopie gewählt wurde, konnte das ignorieren. Bestimmte Gruppierungen konnten nicht ohne Schwierigkeiten aufgelöst werden, etwa Figurenpaare, die sich im Gespräch miteinander befinden. Kopien in Buchform, die etwa gleichzeitig mit der Rolle ab den 1540er Jahren entstanden – etwa München, Cgm 2822, und Wolfenbüttel, 150 Extravagantes – wählen eine andere Aufteilung als die Kopie aus dem späten 15. Jahrhundert. Sie gehen also unabhängig von der älteren Kopie in Buchform direkt auf das Original im Alten Hof zurück (wobei theoretisch auch eine gemeinsame Vorlage in Rollenform denkbar ist). Die Schwierigkeiten der Gruppenbildung werden etwa um das Bildnis Ludwigs des Bayern deutlich (Nr. 39), der als zentrale Figur der bayerischen Geschichte auch in den Fresken visuell zentriert wurde, nämlich symmetrisch von den ihm gestisch zugewandten Figuren Rudolfs (Nr. 38) und Ludwigs V. (Nr. 40) flankiert und als einziger Fürst der Reihe thronend dargestellt. Der Maler bringt die ganze Dreier-Gruppe auf eine Seite und nimmt auch noch den rechts folgenden Stephan II. dazu, was zwar nicht zur Symmetrie beiträgt, sich aber empfahl, um Stephan II. nicht einzeln stehen zu lassen, da auf ihn wiederum eine nicht teilbare Zweiergruppe folgt (Albrecht I. und Wilhelm I., die sich die Hände geben). Cgm 2822 und 150 Extravagantes lösen die Situation dann durch Alleinstellung Ludwigs des Bayern auf einer eigenen Seite, was seiner Monumentalisierung entgegenkommt, aber die Gruppe mit den ihn gleichsam adorierenden Nachbarn Rudolf und Ludwig auflöst und so die Kommunikationsstruktur verunklärt.

Die Struktur der einzelnen Bildnisse folgt genau der des Wandgemäldes. Die Figuren stehen auf einer bühnenartigen Fläche, die grünlich-braun schraffiert ist (im Fresko ein Fliesenmuster); die räumlich gedachte Konstruktion verdeutlicht die rote Leiste an der Stirnseite dieser Bühne, in die an Haken – die wie in der Vorlage Schatten werfen – Wappenschilde mit Bändern aufgehängt sind. Es handelt sich um die Allianzwappen des jeweiligen Fürsten und seiner (bzw. einer, falls es mehrere gab) Gemahlin, wobei letztere vor allem bei den älteren leer blieben. Das Kontinuum der Reihe wird in der Auflösung in der Codexform durch die bruchlose Fortsetzung der Bühnenkonstruktion deutlich gemacht, die ohne Rand bis an den Schnitt des Blattes geht.

Auf dem Wandgemälde befanden sich unter der Wappenzone Tituli von bis zu sechs Zeilen Länge zu jedem Fürsten. Während der Pariser Rotulus sie an der gleichen Stelle bringt und die Buchkopien des 16. Jahrhunderts sie über den Köpfen der Personen wiedergeben, lagert die im Codex discissus vorliegende älteste Kopie die Texte auf die jeweils nachfolgende Rectoseite aus. (Die Texte auf den Rückseiten der erhaltenen Blätter beziehen sich deshalb auf die in der Reihe jeweils vorangehenden Fürsten, die Bilder müssen immer auf den Versoseiten gestanden haben; einige Blätter lassen auch noch die Schnitt- und Bundseite erkennen und bestätigen so diese Rekonstruktion der Struktur). Durch die lateinische Übersetzung, die nur aus dieser Fassung bekannt ist, war die Textmenge zusätzlich angewachsen, so dass die Anbringung auf der Bildseite den Raum gesprengt hätte. Auf die Sorgfalt der Gestaltung der Tituli wurde weniger Wert gelegt als auf die Bilder; ohne Linierung oder präzise Planung des Layouts sind die Texte unregelmäßig eingetragen, und der Schreiber nutzte den großzügig vorhandenen Raum nicht, um die Verszeilen wie in der gereimten Vorlage abzusetzen.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Figuren wurden in ihrer Kleidung, ihren Insignien, körperlichen Charakteristika und in ihrer Haltung genau aus dem Wandgemälde übernommen. Auch das Prinzip, durch die Bildung von miteinander redenden Paaren oder Dreiergruppen und durch ein reiches Repertoire von Kommunikationsgesten Beziehungen deutlich zu machen, gleichzeitig aber auch die Gefahr der Monotonie der Reihe zu reduzieren, wurde beibehalten.

Drei Hände sind zu unterscheiden: Hand I arbeitet graphischer und trägt etwa das Inkarnat strichelnd auf, während Hand II die Übergänge breiter anlegt und so plastischere Wirkungen erzielt; Hand III arbeitet vor allem in den Gesichtern Schattierungen stärker heraus und geht bei der Modellierung fast bis zu grotesken Überzeichnungen, die Farben trägt sie kräftiger, dunkler ausgemischt und schematischer auf. Hand I zeichnet in heller brauner Tinte, setzt öfters ab und hat einen bewegteren Duktus, einige Konturlinien zieht sie mit sehr breiter Feder. Hand II benutzt eine dunklere Tinte, zieht die Linien dünner und setzt seltener ab, Hand III hat von allen den gleichmäßigsten Strich. Von Hand I die Figuren Nr. [ 1]/2, 8/9, 12/13/14, 17/18; Hand II: 37/38, 40/41/42/43, 54/55/56; Hand III: 23/24/25, 26/27, 39. An einer Entstehung der Miniaturen in Bayern, vermutlich München, besteht kein Zweifel. In den Gesichtstypen von Hand III gibt es Ähnlichkeiten zum Formenrepertoire des zu dieser Zeit in München tätigen Malers Jan Polack.

Bildthemen:

Erhalten sind 32 Herrscherbildnisse (siehe oben Inhalt).

Farben:

Rot, Blau, Grau, Ocker, grünliches Braun, Gelb, Rosa.

Literatur:

Bibliophile Kostbarkeiten der Fürstl. Öttingen-Wallerstein’schen Bibliothek in Maihingen […] und Beiträge aus anderem Besitz. Karl & Faber Auktion 11, 7. Mai 1935. München 1935, S. 3 Nr. 1, Taf. I; Graphik Alter Meister, darunter bedeutende Blätter von Albrecht Dürer […]. Versteigerung Dienstag, den 30. März, bis Donnerstag, den 1. April 1943 durch C.G. Boerner in Leipzig (Versteigerungskatalog 207). Leipzig 1943, Nr. 79–81; Handschriften, Wertvolle Bücher des 15.–20. Jahrhunderts, Musik, Handzeichnungen, Graphik, Gemälde. Helmut Tenner, Heidelberg. Auktion 1, 6.–7. April 1955, S. 129 Nr. 1607; Vom späten Mittelalter bis zu Jacques Louis David. Neuerworbene und neubestimmte Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett. Bearb. von Fedja Anzelewsky. Berlin 1973, S. 12–15 Nr. 11–13, Abb. 11–13; Karl Dachs (Hrsg.): Erwerbungen aus drei Jahrzehnten, 1948–1978. Abendländische und orientalische Handschriften, Inkunabeln und seltene Drucke, Noten und Landkarten. Ausstellung Bayerische Staatsbibliothek 1978. Wiesbaden 1978, S. 44 Nr. 27; Lorenz Seelig: Die Ahnengalerie der Münchner Residenz. Untersuchungen zur malerischen Ausstattung. In: Quellen und Studien zur Kunstpolitik der Wittelsbacher vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Hubert Glaser. München / Zürich 1980 (Mitteilungen des Hauses für Bayerische Geschichte 1), S. 253–327, dort S. 283 Anm. 156; Moeglin (1985) S. 135 Anm. 20, 273; Erwin Pokorny: Deutsche und niederländische Zeichnungen. 16. und frühes 17. Jahrhundert. [Ausstellung Nordico – Museum der Stadt Linz]. Linz 1998, S. 18 f.; Von Kaisers Gnaden (2005) S. 30 f., Abb. I.6 (Cgm 8533 recto); Hoffmann (2007) S. 244; Andreas M. Dahlem: The Wittelsbach Court in Munich: History and Authority in the Visual Arts (1460–1508). Diss. University of Glasgow 2009, S. 136; Old master, 19th century and British drawings and watercolours. Thursday, 9 July 2009 auction, Christie’s London: Properties from the estate of Joan Griffith (née Seddon), the collection of Jerrold and Jackie Ziff, Illinois, the collection of the late Edward Croft-Murray, C.B.E., a private Austrian collector, an estate and from various sources (Sale 5979). London 2009, Lot 582.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus; München, Staatsbibliothek, Cgm 8533

Taf. 45.V: Mönchengladbach, Städtisches Museum Schloss Rheydt, Gr. 808. Reihe bayerischer Fürsten: Heinrich der Löwe (Herzog) und Otto I. von Wittelsbach.

45.2.2._Taf._45.V.jpg
Taf. 45.V.