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45.2. Bayern

Bearbeitet von Peter Schmidt

KdiH-Band 6

Die Wittelsbacher spielten in Hinblick auf die Entwicklung dynastischen Bewusstseins und einer damit verbundenen stark genealogisch orientierten Landesgeschichtsschreibung im ausgehenden Mittelalter eine führende Rolle. Und schon früh versuchte man, die Konstruktion alten und ungebrochenen »Herkommens« bildlich zu untermauern. In Scheyern, Hauskloster und Grablege des Geschlechts, wurde im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts auf Betreiben des Herzogs Friedrich von Bayern-Landshut ein Gemäldezyklus mit lateinischen Tituli in Auftrag gegeben, der eine Folge der Grafen von Scheyern-Wittelsbach in Verbindung mit der Geschichte des Klosters zeigte. Er ist nicht erhalten, doch in Kopien des 17. Jahrhunderts noch in den Grundzügen zu rekonstruieren (vgl. Michael Meuer: Die gemalte Wittelsbacher Genealogie der Fürstenkapelle zu Scheyern. München 1975 [Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 79]). Vermutlich ergänzend dazu entstand die ›Scheyerer Fürstentafel‹, eine im Kreuzgang befestigte Holztafel mit einer deutschsprachigen genealogischen Chronik über die Herkunft der Wittelsbacher (Moeglin [1985] S. 71–101, Birgit Studt, in: 2VL 8 [1992] Sp. 656–659).

Die ›Scheyerer Fürstentafel‹ versuchte zu zeigen, dass die Wittelsbacher in der erbrechtlichen Nachfolge einer auf Karl den Großen zurückgehenden Dynastie bayerischer Fürsten stehen. Die zahlreichen handschriftlichen Kopien belegen zwar die Bedeutung für die Haustradition, doch scheint die Fürstentafel mit ihren allzu offensichtlichen Verzerrungen bald nicht mehr den historiographischen Ansprüchen genügt zu haben. Der erste bedeutende bayerische Chronist des 15. Jahrhunderts, der Augustiner-Chorherr Andreas von Regensburg, berichtet, er habe 1425 dem Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt eine von ihm erstellte Genealogie der Wittelsbacher überreicht. Darauf habe ihn der Herzog beauftragt, eine Chronik der bayerischen Fürsten zu schreiben, die er dann mit der ›Chronica de principibus terrae Bavarorum‹ vorlegte. Dem »dynastiepolitischen Chaos« (so Reinhard Stauber: Staat und Dynastie. Herzog Albrecht IV. und die Einheit des »Hauses Bayern«. Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 60 [1997], S. 539-565, hier S. 540) in Bayern, Konsequenz mehrerer Landesteilungen, folgten im Laufe des 15. Jahrhunderts Einigungsbemühungen, die letztlich den Hintergrund für die Bemühungen bildeten, auch die Geschichte der Dynastie und des »Hauses Bayern« – als integratives Konzept, das Geschlecht, Herrschaft und Land verbindet – zu ordnen. Andreas von Regensburg sollte durch »gelehrte Durchdringung und chronikalische Bearbeitung« (Studt [1999] S. 211) die historische Verifizierung der dynastischen Traditionen leisten.

Seine Chronik der bayerischen Fürsten wurde dann zur wichtigsten Quelle für ein monumentales Projekt, die personale Kontinuität der Herrschaft über die terrae Bavarorum auch bildlich darzustellen: Ein Saal im Alten Hof, der herzoglichen Residenz in München, wurde mit einem umfangreichen Wandgemälde ausgestattet, das auf einer Länge von insgesamt fast 30 Metern eine Reihe von 62 bayerischen Fürsten zeigte. Es wurde zur Vorlage einer ganzen Reihe von illustrierten Handschriften des 15. bis 17. Jahrhunderts. Zu datieren ist es nach dem Tod des vorletzten Dargestellten, Herzog Johann IV. († 1463), dessen Titulus ihn wie die Reihe aller Verstorbener behandelt, während die letzte Figur, Herzog Sigmund (Alleinregierung 1463–1465) als lebender Herrscher tituliert wird. Nur geringe Reste konnten nach der Freilegung im Jahr 1850 gerettet werden und befinden sich heute in stark beeinträchtigtem Zustand im Bayerischen Nationalmuseum (die Forschung zusammenfassend Hofmann [1992] und Hoffmann [2007] S. 197–200, 240–246). Die Kenntnis der Wandgemälde stützt sich weniger auf die geringen Reste des Originals, sondern vor allem auf die Kopien, die seit dem späten 15. Jahrhundert entstanden. Die getreuste und vollständigste ist ein Rotulus von ursprünglich fast vier Metern Länge, der im Cabinet des Estampes der Bibliothèque nationale de France aufbewahrt wird (no. 206–207). Er gilt in der Literatur bislang als ein Werk des späten 15. oder beginnenden 16. Jahrhunderts (um 1470/80 datiert etwa von Suzanne Bäumler, in: Von Kaisers Gnaden [2005] S. 57f. Nr. 2.33, um 1525 von Frits Lugt und Jean Vallery-Radot: Inventaire général des dessins des écoles du Nord. Paris 1936, S. 13f.; vollständig abgebildet bei Hofmann [1992] S. 271–279). Tatsächlich aber deutet die Malweise und die stilistische Einordnung in datiertes Vergleichsmaterial auf die Mitte des 16. Jahrhunderts, und der Nachweis der Schreiberhand des Rotulus in einer anderen Kopie des Freskenzyklus, der 1546 datierten Handschrift 150 Extravagantes der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, beweist die späte Datierung zweifelsfrei. Der Wert der Rolle liegt jedoch zum einen in der antiquarischen Präzision der Wiedergabe des Freskenzyklus, dem in seinem Anspruch, eine durchgehende Herrscherreihe von der Antike bis zur Gegenwart mit erläuternden Tituli zu konstruieren, in jener Zeit im deutschsprachigen Raum nichts an die Seite zu stellen ist. Zum anderen fügt sie sich mit ihrer hier neu bestimmten Datierung in eine ganze Reihe von genealogischen Handschriften ein, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Ausdruck antiquarischen Bewusstseins die Fürstenreihe des Alten Hofs und andere genealogische Dokumente des 15. Jahrhunderts – siehe etwa Nr. 45.2.3. – kopieren.

Die Reihe beginnt mit den sagenhaften Fürsten vorchristlicher Zeit, dem Herzog Bavarus aus Armenien, der sich mit Norix – nach Andreas von Regensburg ein Sohn des Herkules – versöhnt und so die Grundlage für die Einheit des Landes legt. Eine zweite Gruppe von Fürsten wird nach Christ geburdt angesetzt und soll belegen, dass Bayern schon zu dieser Zeit ein Königreich war: Sie wird von Garibaldus angeführt und umfasst fünf Könige bis Pippin dem Jüngeren, den der Titulus als Urahn der Pfalzgrafen bei Rhein bezeichnet. Auf ihn folgt Karl der Große, nach dem mit Karl Martell und Karlmann noch einmal auf dessen Vorgänger zurückgegriffen wird. Die Betonung kaiserlicher Mitglieder wird mit Arnulf fortgesetzt, dem die Kaiser Otto I. bis III. und Heinrich II. folgen, später Heinrich III. bis V. Die Reihe der Herzöge aus dem Haus Wittelsbach beginnt mit Otto I.; Ludwig der Bayer wird besonders monumental inszeniert. Ihm folgen seine fünf Söhne, danach wird mit Herzog Christoph III. ein Mitglied der Linie Pfalz-Neumarkt eingefügt, vermutlich nur wegen seiner Würden als späterer König von Dänemark, Schweden und Norwegen. König Rupprecht von der Pfalz ist aus demselben Grund der nächste in der Reihe. Die folgenden Fürsten vertreten die drei durch die Landesteilung von 1392 entstandenen Linien Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut und Bayern-München. Die Reihe endet mit Herzog Sigmund, dem vermutlichen Auftraggeber des Zyklus, dem Herzog Johann IV. vorangeht, mit dem Sigmund 1460–1463 gemeinsam regiert hatte.

Die Anordnung der Bildnisse ist weder chronologisch genau noch folgt sie der Ordnung nach Andreas von Regensburg, auch wenn dessen Text einen großen Teil der historischen Inhalte zur Verfügung gestellt hatte. Sie bietet weder eine bruchlos nachvollziehbare Folge der bayerischen Herzöge noch eine präzise Genealogie der Wittelsbacher. Dem Zyklus wurde deshalb ein »durcheinandergeratenes« Programm unterstellt (Erichsen, in: Wittelsbach und Bayern [1980] S. 27). Bei einem Monument an solch prominentem Ort ist das jedoch wenig wahrscheinlich. Auffällig ist vielmehr, dass Könige und Kaiser in der Reihe besonders hervorgehoben sind. Deren Präsenz wird chronologische und genealogische Folgerichtigkeit untergeordnet. Betont wird, Bayern sei schon zur Zeit Christi Königreich gewesen, die Personalunion von Königs- und Kaiserherrschaft mit der Herrschaft über Bayern wird unterstrichen. An Scharnierpunkten des Zyklus stehen Karl der Große, auf den schon die ›Scheyerer Fürstentafel‹ die Abstammung der Herzöge von Bayern zurückführen wollte, und Ludwig der Bayer, im Titulus selbstverständlich als Kaiser bezeichnet.

Dass das Wandgemälde als zentrales Monument der fürstlichen Selbstdarstellung angesehen wurde, zeigt die umfangreiche Rezeption. Die erste bekannte Kopie der Fürstenreihe in einer Handschrift entstand in den 1490er Jahren (Nr. 45.2.2.); von einer zweiten Welle der Nachbildung um die Mitte des 16. Jahrhunderts war schon die Rede. Teile der Inschriften wurden im späten 15. Jahrhundert für die Tituli eines unfigürlichen Stammbaums in Rollenform ausgewertet (München, Hauptstaatsarchiv, GHA Hs. 65, siehe dazu Moeglin [1985] S. 168–171 und S. 269, sowie Michaelbeuern, Stiftsbibliothek, Man. cart. 106; Auszüge in Codexform in München, Cgm 3890, 207v–210r und Salzburg, St. Peter, Stiftsbibliothek b IX 22, 89v–90v).

Es ist bemerkenswert, dass jeder der drei bedeutenden bayerischen Chronisten des 15. Jahrhunderts die entscheidende Grundlage für je eine Bilder-Genealogie bayerischer Fürsten lieferte. Neben den Fresken des Alten Hofs und ihrer handschriftlichen Nachfolge, die ohne Andreas von Regensburg nicht denkbar wären, hat sich ein großer figürlich ausgestatteter Stammbaum in Rotulusform erhalten, dessen Tituli zu den einzelnen Fürsten sich zum großen Teil in der Chronik Ebrans von Wildenberg wiederfinden (Nr. 45.2.1.), und ein Codex mit der umfangreichsten bis dahin konzipierten Fürstenreihe, die auf Ulrich Füetrers ›Bayerischer Chronik‹ basiert (Nr. 45.2.3.). Hans Ebran von Wildenberg, der am Landshuter Hof tätig war, vollendete seine ›Chronik von den Fürsten aus Bayern‹ wohl 1479 in der ersten vollständig überlieferten Redaktion. Was seinen Text für die Verbildlichung einer Genealogie interessant machte, war sein Versuch, die Abfolge der bayerischen Herrscher, die bei Andreas von Regensburg noch einige Problemstellen aufwies, überzeugender zu (re)konstruieren. Er zeichnet für die vorkarolingische Frühzeit mehrere Stämme und betont, dass im Laufe der Geschichte verschiedene Dynastien das Land regierten, Kontinuität aber durch die Weitergabe der Herrschaft und des Landes gewährleistet wird. Der Rotulus, der sich heute in Berchtesgaden befindet (Nr. 45.2.1.), beginnt deshalb entsprechend Ebrans Text mit zwei Stämmen, die von Garibald I. und Arnulf von Metz ausgehen. Die Analyse des komplexen Verhältnisses der Beischriften und der genealogischen Konstruktion des Rotulus zur ersten bekannten vollständigen Endredaktion von Ebrans Chronik legt ebenso wie die stilistische Datierung der Miniaturen nahe, dass die Arbeit an der Pergamentrolle vielleicht schon zu einem Zeitpunkt begonnen wurde, als der Chronist selbst erst mit den Vorarbeiten zu seinem Werk beschäftigt war. Für den Status des Mediums Bilder-Genealogie belegt dies ein weiteres Mal, dass es keineswegs nur als Sekundärverwertung von Chronistik anzusehen ist.

Das wird auch bei der umfangreichsten Bildnisreihe bayerischer Fürsten deutlich, die Ende der 1470er Jahre in engem Zusammenhang mit Ulrich Füetrers ›Bayerischer Chronik‹ entstand (Nr. 45.2.3.). Der Dresdner Codex enthält die älteste Handschrift der ersten Redaktion der Chronik, vorangestellt eine Porträtreihe auf 121 Bildseiten. Die Fürstenreihe und ihre Betextung setzt inhaltlich das Material von Füetrers Geschichte voraus, geht aber im Umfang darüber hinaus und weicht in Details davon ab. Ähnlich wie im Fall der Berchtesgadener Tafel im Verhältnis zu Ebrans Werk scheinen auch hier Interdependenzen zwischen der Arbeit an einer bebilderten Genealogie und einer Chronik auf.

Der Erfolg von Füetrers Text dürfte neben seinen neuen narrativen Qualitäten auf sein Bemühen zurückgehen, stimmiger als seine Vorgänger die wittelsbachischen Herrscher in direkter Linie auf den sagenhaften Bavarus zurückzuführen. Bayern erschien damit als schon immer in der Hand eines einzigen Familienstamms aufgehoben. Das Konzept war simplifizierend und wurde schon bald von Aventinus kritisiert; doch war die Behauptung kontinuierlicher Weitergabe der Herrschaft in der Sohnesfolge in der Diskussion um die Erbfolge im geteilten Bayern des 15. Jahrhunderts ein starkes Argument für die Einheit aus historischer Tradition. Deren Betonung kennzeichnet das politische Programm Albrechts IV., den der Prolog als Auftraggeber nennt. Der schon in seinem Umfang imposante Bilderzyklus in der Dresdner Füetrer-Handschrift stellt auch visuell eine durchgehende Linie vom Ursprung des Landes durch den Akt der Einigung zwischen Bavarus und Norix und den zur Entstehungszeit lebenden Herzögen vor.

Die Wandgemälde im Alten Hof mit ihrer Kombination von Fürstenbildnissen, Wappen und gereimten Tituli gehörten zweifellos zu den Anregungen für die Konzeption der Bildnisreihe in der Dresdner Handschrift. Dass Füetrer, dessen Tätigkeit als Maler nachgewiesen ist, selbst am Entwurf der Miniaturen beteiligt war, ist nicht zu belegen, da sich kein ihm eindeutig zuweisbares Werk erhalten hat. Künstlerisch ist der Codex von hoher Qualität, auch wenn er vom materiellen Anspruchsniveau her nicht als fürstlicher Prachtcodex anzusprechen ist. Ob er die Vorstufe zu einer repräsentativeren Fassung war, kann allenfalls spekuliert werden. Ein Argument dafür könnte sein, dass der Dresdner Codex bald nach seiner Fertigstellung den Münchner Hof verlassen zu haben scheint und möglicherweise als Geschenk an die Schwester Albrechts IV. nach Sachsen ging, gleichwohl im Laufe des 16. Jahrhunderts genau dieses Bildprogramm in München intensiv rezipiert wurde.

Dennoch lässt sich die These von Moeglin (2000, S. 678), die Fürstenreihe in der Dresdner Handschrift könnte – analog zu den Wandgemälden im Alten Hof und ihren Nachbildungen – die Kopie eines Freskenzyklus in der Neuveste sein, dem unter Albrecht IV. ausgebauten Wasserschloss im Norden Münchens, nicht am Befund verifizieren. Denn im Unterschied zu den Kopien nach dem Alten Hof (siehe Nr. 45.2.2.), wo die Schwierigkeiten, die ununterbrochene Reihe mit ihren speziellen Gruppenbildungen auf die Seiten eines Codex umzubrechen, offensichtlich werden, bezieht die Bilderreihe in der Dresdner Füetrer-Handschrift die Codexform von vornherein souverän in die Gestaltung ein. Die Figuren – konsequent nur eine pro Seite, abgesehen von der narrativen Zweiergruppe des Friedensschlusses am Anfang – sind auf Doppelseiten paarweise aufeinander bezogen und kommunizieren oft über den Bund des Buches hinweg.

In mehreren um die Mitte und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstandenen Handschriften – und das verbindet diese Fürstenreihe mit dem Wandgemälde im Alten Hof – wurde sie teils sehr präzise kopiert (etwa Cgm 1603, Fragmente eines Codex in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München, Inv.-Nr. 1948: 71–76, olim Malibu, J. Paul Getty-Museum, Ludwig Ms. XIII 10). In dieser Zeit entstand auch eine neue Fassung einer mit Tituli versehenen Bilderreihe bayerischer Fürsten, die die bekannten autoritativen Zyklen – Alter Hof und Dresdner Herrscherreihe – als Ausgangsmaterial benutzt, aber deutlich erweitert und im Figurenstil modernisiert. Cgm 1604 und Cgm 2799 scheinen die ältesten Handschriften davon zu sein, bezeichnenderweise von derselben Hand geschrieben, die auch eine späte Abschrift von Ulrich Füetrers Chronik fertigte (München, Geheimes Hausarchiv, Handschrift 31, Codex H nach der Ausgabe von Spiller [1909]). Mehrere Kopien und Varianten dieser neuen Redaktion sind erhalten, aber noch nicht wissenschaftlich gesichtet.

Viele dieser Kopien lassen sich im Umfeld des Münchner Hofes verorten. Doch hat der Codex auch in Sachsen oder Thüringen früh Spuren hinterlassen. Die dort um 1490 entstandene Handschrift (Nr. 45.2.4.) kennzeichnet der Versuch, die in der Vorlage getrennten Teile – Bildnisreihe und Chronik – miteinander zu verbinden und so zu einem aufwändig illustrierten Geschichtsbuch zu kommen. Ob das Scheitern dieses Versuchs damit zusammenhängt, dass der mit der Chronik nur teilweise konform gehende Porträtzyklus und der Ausgangstext doch unterschiedliche Narrative sind, sei dahingestellt. Das interessanteste Wirkungszeugnis aus der Zeit des mutmaßlichen Aufenthalts der Dresdner Handschrift in Sachsen ist die illustrierte Genealogie der dortigen Herzöge (Nr. 45.6.1.). Aufgebaut wie die bayerische Fürstenreihe, doch auch Frauen einbeziehend, belegt es den Eindruck, den das bayerische Projekt an anderen Fürstenhöfen machte.

Im Druck erschien eine Genealogie der bayerischen Fürsten erstmals 1501 als Beilage zu der von dem Landshuter Buchführer Hans Wurm firmierten und bei Hans Schobser in München gedruckten ›Cronick vnd der fürstlich stamm der durchleüchtigen hochgepornen fürsten vnd herren pfalnntzgrafen bey Rein vnd hertzog in Bairen‹ (VD16 I 110). Der aus mehreren Holzschnitten zusammengesetzte figürliche Stammbaum ist als Unikat erhalten (München, Bayerisches Nationalmuseum, NN 1001).

Aus dem Kreis der relevanten Handschriften ausgeschlossen wurde Handschrift 367 des Geheimen Hausarchivs in München, die von Moeglin (1985, S. 195–197 und S. 241–243) eingeführt wurde und seither als illustrierte Genealogie bayerischer Fürsten aus der Zeit um 1500 in der Literatur präsent ist. Sie hat sich nach Untersuchung der Wasserzeichen tatsächlich als eine Fälschung beziehungsweise Kopie des späten 18. Jahrhunderts (oder des 19. Jahrhunderts auf älterem Papier) erwiesen. Das verwendete Papier ist 1741–1749 nachgewiesen (Mitteilung Andrea Lothe, Deutsches Buch- und Schriftmuseum Leipzig, Papierhistorische Sammlungen). Wichtigste Vorlage war ein Codex der im 16. Jahrhundert erweiterten Fassung einer Fürstenreihe, wie sie etwa in Cgm 1604 vorliegt.

Editionen:

Texte des Berchtesgadener Rotulus abgedruckt in: Karl von Rumpler: Bayerische Regenten-Tafel von Herzog Garibald I. (554) bis Kurfürst Otto Heinrich (1559). Kommentarband. Bamberg 1891.

Tituli der Fresken des Alten Hofes nach der Kopie im Pariser Rotulus: Siegfried Hofmann: Die bayerischen Herzöge im Bild: Die Wandbilder im Alten Hof in München. In: Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut 1392–1506. Glanz und Elend einer Teilung. Ausstellung des Stadtarchivs, der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek und des Stadtmuseums Ingolstadt. Ingolstadt 1992, S. 261–288, dort S. 284–287.

Literatur zu den Illustrationen:

Vom späten Mittelalter bis zu Jacques Louis David. Neuerworbene und neubestimmte Zeichnungen im Berliner Kupferstichkabinett. Bearb. von Fedja Anzelewsky. Berlin 1973, S. 12–15. – Wittelsbach und Bayern. Bd. I,2: Die Zeit der frühen Herzöge. Von Otto I. zu Ludwig dem Bayern. Katalog der Ausstellung auf der Burg Trausnitz in Landshut, 1980. München 1980, S. 26 f. Nr. 30 (Johannes Erichsen).