21. Johann von Neumarkt, ›Buch der Liebkosungen‹
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 3
Unter den Übersetzungen der pseudoaugustinischen ›Soliloquia animae ad Deum‹ ins Deutsche ist diejenige des Johann von Neumarkt, entstanden wohl zwischen 1357 und 1363 für Kaiser Karl IV., die früheste und lange Zeit einzige. Erst am Ende des 15. Jahrhunderts übersetzte Konrad Summenhart für Herzog Eberhart »im Barte« von Württemberg das als Selbstgespräch der Seele vor Gott konzipierte Erbauungsbuch erneut, doch ist seine Übersetzung nicht überliefert. Weitere deutsche Versionen entstanden dann im 16. Jahrhundert (Johannes Schwayger, Heinrich Rätel). 24 vollständige und auszugsweise Handschriften von Johanns ›Buch der Liebkosungen‹ sind bislang bekannt, sie gehören vornehmlich dem 15. Jahrhundert an und stammen mehrheitlich aus monastischer Umgebung. Bis auf gelegentlich auftauchenden bescheidenen Initialdekor (z. B. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Ms. 155317 oder Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 14211) bleibt die Überlieferung nahezu gänzlich ohne Buchschmuck. Die einzige Ausnahme bildet der Cgm 70 der Bayerischen Staatsbibliothek München mit einer auffallend anspruchsvollen Intiale und Rankenwerk in Deckfarbenmalerei zu Beginn des ›Buchs der Liebkosungen‹. Die Handschrift stammt aus dem Frauenkonvent St. Peter in Salzburg. Daß ihr Inhalt in beiden Salzburger Benediktinerinnenklöstern hochgeschätzt war, bezeugen weitere im Inhalt teilweise parallele Handschriften: Die Codices 23 B 8 des Benediktinerinnenstifts Nonnberg und a IV 36 der Erzabtei St. Peter enthalten wie der Münchner Cgm 70 das sonst nicht überlieferte ›Puech von der lieb der petrachtung‹, eine Übersetzung der pseudoaugustinischen ›Meditationes‹-Redaktion, Cgm 70 und die Handschrift a IV 36 der Stiftsbibliothek St. Peter haben zudem die Psalmen 117 und 65 in deutscher Übersetzung gemeinsam, Cgm 70 und die Nonnberger Handschrift schließlich stimmen in Johanns von Neumarkt ›Buch der Liebkosungen‹ überein, das darüber hinaus in weiteren Handschriften von St. Peter und vom Nonnberg zu finden ist: Nonnberg, 23 B 7 und St. Peter, b I 1. Der Cgm 70 mit seinem ungewöhnlich aufwendigen Buchschmuck entstand jedoch nicht unmittelbar in einem oder für eines der Salzburger Benediktinerinnenklöster. Die Deckfarbenmalerei ist dem Salzburger Buchmaler Ulrich Schreier zuzuweisen; Auftraggeber Schreiers, aus dessen Werkstatt auch der Ledereinband der Handschrift stammt, könnte der Viceplebanus Erhard Manseer gewesen sein, der bei seinem Eintritt in St. Peter 1475 mehrere Schreier-Handschriften ins Kloster einbrachte. Die Auswahl des Cgm 70 im Jahre 1514 als Geschenk der Benediktinerinnen von St. Peter für Ursula Traunerin anläßlich ihrer Einsetzung als Äbtissin auf dem Nonnberg bestätigt wiederum das Renommee der pseudoaugustinischen Texte bei den Salzburger Nonnen. Der Eintrag im Cgm 70, der über diese Schenkung berichtet (s. Nr. 21.0.1.) und dazu vermerkt, daß der Codex nach dem Tod der Äbtissin wieder nach St. Peter zurückzubringen sei, wiederholt sich in der Parallelhandschrift, dem in St. Peter entstandenen, heute Nonnberger Codex 23 B 7. Ob tatsächlich beide Handschriften dem Konvent Nonnberg von den Benediktinerinnen in St. Peter überlassen wurden, und ob zunächst beide – entgegen dem Rückgabewunsch – auf dem Nonnberg verblieben, läßt sich noch nicht zweifelsfrei klären.
Schriften Johanns von Neumarkt. Unter Mitwirkung
(zu den Salzburger Johann von Neumarkt-Handschriften)