KdiH

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73.7.1. Engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 339

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

1396 (1r, 189r).

Lokalisierung:

Luzern (Schrift), Oberrhein (Illustrationen).

Besitzgeschichte:

Nach Vermerk auf 189r vom 25. März 1403 Geschenk an Margaretha von Waltersberg, Luzerner Patrizierin und Witwe Johanns III. von Waltersberg († 1394), mit der Auflage, den Codex dem Kloster Engelberg zu vermachen, 2r Besitzvermerk des Klosters Engelberg. Mit dem Umzug der Nonnen seit 1615 in St. Andreas in Sarnen, Vermerk des Bibliothekars Pater Benedikt Gottwald im Vorderspiegel. 1887 mit anderen Codices zurück nach Engelberg.

Inhalt:
1. 2r–173v Nikolaus Schulmeister, ›Passionstraktat‹
Autograf
2. 174r–188v Marquard von Lindau, ›Eucharistietraktat‹
Kurt Ruh, in: 2VL 6 (1987), Sp. 449
3. 188r–v Credo
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 189 Blätter (fehlende Blätter 25, 65, 68, 93, 133, 146 mit Text und Miniaturen, Bl. 19, 23, 40, 62 beim Entfernen der Bilder beschnitten, moderne Foliierung mit Tinte oben rechts), 215 × 150 mm, Kursive, zwei Hände, I: 1r–173v (Nikolaus Schulmeister, 189r), II: 174r–188v, einspaltig, 19–23 Zeilen, 2r siebenzeilige H-Initiale, 174r vierzeilige L-Initiale, 188r sechszeilige P-Initiale als Umrisszeichnung; 4v, 13r, 19r zwei- bis dreizeilige Lombarden zu Beginn der Prologe, ein- bis zweizeilige Lombarden zu Beginn neuer Handlungsabschnitte und der Gebetsanfänge, Rubrizierung.

Schreibsprache:

hochalemannisch.

II. Bildausstattung:

Ursprünglich 26 lavierte Federzeichnungen, 25 davon zum Passionstraktat, eine dem Eucharistietraktat vorangestellt (173v). Von den Federzeichnungen elf vollständig erhalten (27v, 29v, 31r, 49v, 54v, 71r, 74r, 86v, 94v, 151r, 173v), fünf sind teilweise erhalten (39r, 43v, 45r, 58r, 85r), zehn Miniaturen sind vollständig verloren, da sie entweder ausgeschnitten (19v, 23v, 40r, 62v) oder mit dem ganzen Blatt entfernt wurden (25, 65, 68, 93, 133, 146). 72v eventuell irrtümlich Freiraum für eine Illustration gelassen: bis auf die Überschrift crucigent mit iren henden leere Seite. Ein Maler. Außerhalb des Bildzyklus: Auf dem Vorsatzblatt schlichte Federzeichnung eines Habsburger Wappens mit Helmkrone, imitiert vielleicht eine Pfauenkrone, nicht zu datieren. Das Wappen in roter Deckfarbe mit weißem Querband koloriert, 189r am unteren Seitenende von der Hand eines späteren Benutzers: Skelett mit Sanduhr in der rechten Hand.

Format und Anordnung:

In dem Schenkungsvermerk 189r wird die Anzahl der Illustrationen genannt (25 Bilder zum Leiden Christi und eine Figur von der heiligen Messe). Innerhalb der Handschrift sind die Illustrationen am Seitenrand fortlaufend nummeriert. In der Höhe nehmen sie gut die Hälfte bis zwei Drittel des Schriftspiegels ein, die Breite entspricht dem mit Tinte eingetragenen Schriftspiegel, keine weitere Rahmung. Platzierung der Illustrationen in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Textstelle.

Bildaufbau und -ausführung:

Die meisten Szenen auf einem grün lavierten Terrain angesiedelt, ohne Präzisierung der Räumlichkeit. Architektur nur in wenigen Fällen, dann als Rahmen der Illustration, sichtbar (45r, 58r, 173v). Die Sitzgelegenheiten der Richter Christi (Annas, Pilatus, Herodes) fast gleichartig als quaderförmige Podeste wiedergegeben, die leicht schräg platziert sind. Tiefenräumlichkeit ansonsten nur durch Staffelung der Figuren angestrebt. Die Figuren durchweg zartgliedrig, mit nahezu lieblichem Gesichtsausdruck. Duftige Haartrachten, rosig lavierte Wangen, dunkle gefüllte Augäpfel und ein leichtes Lächeln bestimmen die Physiognomien sowohl der Heiligen wie auch der Peiniger Christi. Gleichmäßige Zeichnung mit sehr feiner Feder für Konturen, Binnenzeichnung und zurückhaltende parallele Schraffuren gemeinsam mit einer leichten Lavierung in zarten Farben, die mit dem Papiergrund für lichte Stellen arbeitet, bestimmen die Ausführung.

Bildthemen:

Nach der Rekonstruktion von Gremminger (2010, S. 418) enthielt der Zyklus folgende Szenen: 19v [Gebet am Ölberg], 23v [Blutschweiß], [Bl. 25 Judaskuss], 27v Flucht der Jünger, 29v Christus vor Annas, 31r Christus vor Kaiphas, der sein Gewand zerreißt, 39r [Verleugnung durch Petrus], verschlossene Eingangstür des Hauses erhalten, 40r [Die Reue des Petrus], 43v [Christus im Kerker], Teil eines Sakralbaus erhalten, vielleicht auch Christus an der Geißelsäule, 45r Christus vor Pilatus, architektonische Rahmung mit zwei Bögen, ein Fehlstück am rechten Bildrand, 49v Christus vor Herodes, 54v Christus erneut vor Pilatus, diesmal nicht in einem Innenraum, 58r [Geißelung], Reste vom linken Bildrand mit der Figur eines Juden, der ein weißes Gewand über dem Arm hält, 62v [Dornenkrönung], [Bl. 65 Verspottung], [Bl. 68 Ecce Homo], 71r Pilatus wäscht seine Hände, 74r Kreuztragung, die beiden Schächer, in Unterhosen und mit auf den Rücken gebundenen Händen, folgen dem Kreuz Christi, 85r Entkleidung Christi, Fehlstelle am linken Bildrand, Christi Körper ist blutüberströmt, 86v Kreuzannagelung, [Bl. 93 Kreuzigung], 94v Zersägung des Jesaja, Jesaja sitzt auf einer Bank, im Text als Präfiguration der Kreuzaufrichtung bezeichnet, [Bl. 133 Tod] vielleicht auch Lanzenstich/Öffnung der Seitenwunde vorgesehen, [Bl. 146 Kreuzabnahme], 151r Grablegung, 173v Messopfer.

Die letzte Illustration als Überleitung zur Messerklärung bestätigt die konzeptionelle Einheit der Textzusammenstellung.

Einige Illustrationen bieten auffällige bzw. ungewöhnliche Ikonografien im Rahmen der Passionszyklen. Die selten dargestellte Szene der Flucht der Jünger (27v) zeigt, wie die Jünger hinter einer Bergkulisse verschwinden, sie beugen sich in die Knie, einer schaut neugierig zurück. 94v: Die Zersägung des Jesaja wird im ›Speculum humanae salvationis‹ als Antityp zur Kreuzannagelung Christi präsentiert (vgl. z. B. München, Cgm 3, 26ra, allerdings mit anderer Ikonografie).

Die Bilder legen großen Wert auf die Details der Marter. So ist z. B. der Körper Christi blutüberströmt, an seinen Gliedern wird am Kreuz mit Stricken gezerrt, bevor sie angenagelt werden, wie es auch im Text beschrieben wird (86v).

Farben:

Grün, Rosa, Gelb, Grau in violetter und bläulicher Abtönung.

Literatur:

Mohlberg (1951/1952) S. 18, 348, Nr. 45; von Scarpatetti 2 (1983) S. 111f., 231. – Durrer (1899–1928/1971) S. 220f.; Ruh (1981) S. 281f.; Thali (2009) S. 264f.; Gremminger (2010) S. 459–482; Hamburger/Palmer (2015) S. 371, 428, 442f.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 9: 86v. Kreuzannagelung.

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Abb. 9.