KdiH

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73.16.1. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 68

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

1497 (147rb).

Lokalisierung:

Schwaben.

Besitzgeschichte:

Die Handschrift stammt aus dem ehemaligen Klarissenkloster in Villingen. Im Zuge der Umwandlung des Klarissenklosters am Bickentor in Villingen in ein geschlossenes Kloster wurden 1480 acht Schwestern aus dem geschlossenen Klarissenkloster Valdona (bei Rankweil in Vorarlberg) berufen, unter ihnen auch Agnes Bützlin, die Schreiberin. Später über das Benediktinerkloster Sankt Georgen in Villingen in die Badische Landesbibliothek.

Inhalt:
1. 1va Vorwort
2. 2ra–141rb ›Passionstraktat Do der minnenklich got
Handschrift K2, Ergänzung 139rb–141rb Wie die wirdig muͦter Christi hat haimm gesuͦcht die hailgen stett irs lieben kindes, Abdruck bei Schelb (1972) S. 415–418
3. 141va–147rb Marien Himmelfahrt
Prosafassung, Abdruck bei Schelb (1972) S. 419–426
4. 154r–162v Regeln über die Aufnahme von Nonnen
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 164 Blätter, 315 × 220 mm, Bastarda (selten Textura für Auszeichnungen), drei Hände (Hand I: Bl. 1, 2, 11, 12, 25–147, Agnes Bützlin, Soror agnes bútzlin ordinis Sancte Clare in vilingen; Hand II: Bl. 3–10, 13–24; Hand III: Bl. 154–162); Bl. 1–147 zweispaltig, 26–42 Zeilen; Bl. 154–162 einspaltig, 48–50 Zeilen; 2ra zehnzeilige D-Initiale mit Fleuronné am linken Seitenrand, rote Überschriften, rote, selten grüne oder blaue Lombarden, Rubrizierungen.

Schreibsprache:

ostalemannisch-schwäbisch.

II. Bildausstattung:

Fünf Federzeichnungen, teils nachträglich koloriert, von einer Hand. Drei Freiräume für Illustrationen 73va, 128vb, 141va.

Format und Anordnung:

Die Federzeichnungen von unterschiedlichem Format auf uneinheitliche Weise in den Text integriert. 1vb nimmt die gesamte Spalte ein, das Bildfeld für die Symbole der Evangelisten in vier Register unterteilt. 65rb ohne Rahmen, zwei Drittel der Spaltenhöhe, darüber großformatige S-Initiale für Abschnittsbeginn. 73rb ohne Rahmen, in der oberen Spaltenhälfte, nach dem entsprechenden Abschnittsbeginn (Schelb [1972] S. 291, Z. 13). 115vb ohne Rahmen, im oberen Spaltendrittel, dem Abschnittsbeginn vorangestellt (Schelb [1972] S. 345, Z. 26), die A-Initiale mit grüner Deckfarbe nach der Federzeichnung ausgeführt, überlagert den unteren Teil der Zeichnung. 147v ohne Rahmen, ganzseitig dem Textabschnitt zur Himmelfahrt Mariens nachgestellt.

Bei den drei Leerräumen 73va die ganze Spalte, 128vb die obere Hälfte der Spalte, 141va die oberen zwei Drittel, jeweils vor dem Beginn eines Abschnitts, freigelassen.

Bildaufbau und -ausführung:

Schon Schelb (1972, S. 52) vermutete, dass für die Federzeichnungen druckgrafische Vorlagen aus dem Umkreis Martin Schongauers benutzt wurden. Neben der Ausführung als unkolorierte Federzeichnung mit feinen Parallelschraffuren sprechen die Haartracht, üppiges, in einzelnen Strähnen gelocktes Haupt- und Barthaar, wie auch die Körperhaltungen, insbesondere der steife, ausgemergelte Leichnam Christi 147v, für druckgrafische Vorbilder aus der Zeit um 1480. Bei den sporadischen Farbergänzungen 65rb und 73ra handelt es sich wohl um Anfänge einer späteren Überarbeitung, da mit der Farbe sorglos jegliche Binnenstruktur übertüncht (65rb) oder nur vereinzelte Kleidungsstücke, zum Teil auch nur im Ansatz koloriert wurden (73ra). Die bildliche Ausstattung wurde offenbar nicht fertiggestellt, denn im Freiraum 73va ist schemenhaft als Vorzeichnung der gekreuzigte Christus zu erkennen, bei dem nur die Umrisse des Kopfs, des Leibs und der ausgebreiteten Arme ausgeführt wurden. 128vb sind die Umrisse einer Figur angedeutet.

Bildthemen:

1vb Symbole der vier Evangelisten, auf den Spruchbändern die Initien der Evangelien, 65rb Kreuztragung, 73rb Kreuzaufrichtung, 73va [Kreuzigung], 115vb Auferstehung Christi, einer der Wächter mit dem Gestus des Aposkopein, 128vb [Himmelfahrt Christi], 141va [Himmelfahrt Mariens], 147v Beweinung Christi als Vesperbild.

Die Darstellung der Evangelistensymbole (1vb) als Begleitung des Prologs übernimmt die Funktion eines Autorbildes, im Sinne einer die Authentizität des Textes unterstreichenden Eingangsillustration. Die ausgeführten Textillustrationen konzentrieren sich thematisch auf den Kreuzweg und die Auferstehung. Aufgrund der Vorzeichnungen und der Situierung der Leerräume im Text lässt sich annehmen, dass die Bildfolge auch die Himmelfahrt Christi und Mariens hätte enthalten sollen. Die Platzierung und die einheitliche Ausführung der vorhandenen Bilder unterstreichen die konzeptionelle Zusammengehörigkeit des Passionstraktates mit den unmittelbar anschließenden Beschreibungen des Lebens Mariä nach dem Tod ihres Sohnes und ihrer Himmelfahrt, die Schelb für die Textebene ausführlich diskutiert (Schelb [1972] S. 442–454). Gleichsam als deren Zusammenfassung kann die der Erzählung nachgestellte Darstellung der Pietà begriffen werden, in der dem Rezipienten ein Andachtsbild vorgeführt wird, das die Trauer der Muttergottes um ihren toten Sohn zum Inhalt hat.

Farben:

vereinzelte Spuren von Braun, Blau, Grün und Rot.

Literatur:

Längin (1894/1974) S. 19f. – Schelb (1972) S. 50–54, 415–426, 442–454.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 63: 115v. Auferstehung Christi.

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Abb. 63.