59.9.2. München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 523
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 7
1471.
Ostschwaben.
Provenienz unbekannt.
1. | 1ra–85vb | Historienbibel IV, Alte Ee |
Bibelauszug Genesis bis Ester
Anfang fehlt; umgestellt: Ester vor Ijob und Tobias
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2. | 85vb–90rb | Bibelglossen zum Alten Testament |
3. | 185ra–189rb | Aus dem ›Prophetenauszug‹ (siehe Historienbibel IIIa und IIIb): Daniel |
4. | 189rb–195va | ›Evangelium Nicodemi‹, deutsch, 2. Teil: Höllenfahrt Jesu |
Papier, 296 Blätter (neue Blattzählung, die alte rote Foliierung beginnt mit IIII; vor Blatt 1 fehlen also drei Blätter, ein weiteres Blatt nach 296, nach 86 ein Blatt bis auf einen schmalen Streifen herausgerissen), 310 × 210 mm, bis auf 204r–v und 209r–v zweispaltig, meist um 40 Zeilen, doch bei stark wechselndem Schriftduktus (vgl. z. B. 56r–v oder 69r–v) auch zwischen 28 und 50 Zeilen schwankend, Bastarda, ein Schreiber: Ulrich Joergmair, der nach eigener Aussage (294vb) im Jahr 1471 58 Jahre alt ist und in den vorausgehenden zwei Jahren außer der vorliegenden Handschrift drei weitere, eine astronomische, eine mit Texten der Arithmetik, Geometrie, Astrologie und Geomantie und eine mit Heinrich Seuses ›Horologium sapientiae‹ geschrieben hat (vgl. ferner Cgm 286); an Buchstaben der ersten und letzten Zeile einer Seite zuweilen cadellenartiger Schmuck; rote Strichel, Lombarden, Über- und Beischriften, Unterstreichungen, Seitentitel (Buchtitel bzw. Blattzählung); an den Textanfängen entweder rot-blaue oder blau-grüne Zierinitialen mit Federwerk oder Vorzeichnungen für nicht ausgeführte Rankeninitialen.
ostschwäbisch (
Die in der Handschrift nicht zusammenhängend dargebotenen Texte rücken nicht nur wegen des gemeinsamen thematischen Hintergrunds, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass sie als einzige Texte der Handschrift mit Illustrationen versehen sind, enger zusammen.
Zu Text 1 18 kolorierte Federzeichnungen: 11v, 12r, 23vb, 24ra, 32r, 54vb, 55rb, 64r, 81r, 83v (2).
Zu Text 2 sieben kolorierte Federzeichnungen: 90rb, 90v (2), 91r (2), 91v (2), eine weitere (nach 86) fehlt wegen Blattverlusts bis auf Rest einer Sphärendarstellung.
Zu Text 3 eine kolorierte Federzeichnung: 186v.
Zu Text 4 zwei kolorierte Federzeichnungen: 193v, 194v.
Vorbereitet wurden Bildräume recht unterschiedlichen Formats zwischen dem Text, für hochrechteckige, spaltenbreite Bilder (23vb, 24ra u. ö.), über beide Spalten reichende Streifenbilder (11v, 12r u. ö.), ganzseitige Einzel- (64r) oder Doppelbilder (83v, 90v u. ö.). Farbige Einfassung, öfters Bildüber- oder -inschriften, auch Schriftbänder.
laienhaft, jedoch nicht ungeschickt und detailreich gezeichnet. Vorzeichnung in brauner Tusche, gestrichelte Schattenpartien tragen zur plastischen Modellierung bei, im zweiten Arbeitsschritt wird flächig koloriert, damit die Vorzeichnung regelrecht übertüncht. Gesichter, oft auch Haartrachten, u. a. (11v/12r das Pferd) bleiben als weiße Fläche stehen, was den Bildern einen unvollendeten Ausdruck gibt. Nachträglich sind jedoch Linien z. B. von Faltenwürfen und Gesichtszügen nachgezogen worden. Die Konzeption verrät durchaus einen ausgebildeten Zeichner, doch wirkt die Ausarbeitung wie auf halber Strecke steckengeblieben.
Zur Bebilderung werden lediglich wenige Themen herausgegriffen, ohne dass sich hierfür eine Begründung finden ließe. Je ein Bild oder ein Bildpaar beziehen sich auf: die Ankunft Jakobs in Ägypten (Gn 46) 11v/12r, die eherne Schlange (Nm 21) 23vb/24ra, Simson und Delila (Idc 16,19 f.) 32r, David und Goliat (I Sm 17) 54vb/55rb, das Urteil Salomos (I Kg 3) 64r, den aussätzigen Ijob (Ijob 2,8 ff.) 81r sowie Tobias und Rafael (Tb 10–11) 83v. – Die Bebilderung zum Exodusbericht wird im Anhang der Historienbibel, der Glosse, mit sieben Darstellungen zu Moses Kindheit, Jugend und Aufenthalt in Midian ausführlich nachgeholt. – Text 3 (Daniel): Der König zeigt Daniel die Götzenstatue im Tempel (186v); Text 4 (›Evangelium Nicodemi‹): Christus befreit die Altväter aus der Hölle (193v), Erzengel Michael bringt die Seelen ins Paradies zu Enoch und Elija (194v). Auffallend die Beischriften, Figuren identifizierend oder als Einträge innerhalb der Bilder (55rb Golias der sprach bin ich denn ain hund …; 90v diener Moyses / das kind / Kunig Pharao) sowie kommentierend auf Schriftbändern (81r Der gedultig Job wurd verspott von weyben vnd mannen seinen nechsten frúnnden), was den Zeichnungen eine große Selbständigkeit dem Text gegenüber verleiht.
Es dominieren kräftige Rottöne, daneben Grün, Blau, Gelb sowie Orangerot und Rotviolett in Abtönungen.
Abb. 43: 81r. Der aussätzige Ijob seine Frau und seine Freunde.