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26B.2.1. St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 658

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 3

Datierung:

1465.

Lokalisierung:

Raum Glarus.

Besitzgeschichte:

Besitzeintrag S. 3, unterer Randsteg: Ruodolff Bäldi knächt anno M ccc xi[j] (letzte Ziffer eventuell später hinzugefügt; vgl. von Scarpatetti [2003] S. 30), daneben zwei mit derselben Feder gezeichnete Wappenschilde: sechsstrahliger Stern (Familienwappen der Bäldi, vgl. Ida Tschudi-Schümperlin / Jakob Winteler: Wappenbuch des Landes Glarus. Genf 1937, S. 20, Taf. II) und aufsteigender Steinbock; S. 1 ganzseitig; Wappenschild der Familie Bäldi (sechsstrahliger Stern) mit Helmzier und wohl nachgetragener JahreszahlM ccc x v (odervj); 1768 mit dem Nachlass Aegidius Tschudis (1505–1572) in die Stiftsbibliothek St. Gallen gelangt.

Inhalt:
1. S. 3a–163b Robertus Monachus, ›Historia Hierosolymitana‹, deutsch
2. S. 166a–185b, 287b Ottokar von Steiermark, ›Österreichische Reimchronik‹, Auszug
V. 44597–53579. Hrsg. von Bettina Hatheyer: Das Buch von Akkon. Das Thema Kreuzzug in der Steierischen Reimchronik des Ottokar aus der Gaal. Untersuchungen, Übersetzung und Kommentar. Göppingen 2005 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 709), S. 40–488
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 143 Blätter, paginiert 1–286 (von Stiftsbibliothekar Ildefons von Arx [1755–1833], in schwarzer Tinte; S. 150 doppelt gezählt, zwei Blätter fehlen zwischen S. 144 und 145, S. 164 f. [ergänztes Zwischenblatt] leer), 310 × 215 mm, zweispaltig, Kursive, ein Schreiber (S. 163b: Explicit anno lxv [14]65), 27–38 Zeilen; zu Beginn jedes Buches Initialen in Blau, Rosa, Rot über sechs bis zehn Zeilen, darunter zwei Figureninitialen (siehe unten); rote, drei- bis vierzeilige Initialen an Abschnittsanfängen, Strichel und Unterstreichungen in Rot, vereinzelt rote Kapitelüberschriften.

Schreibsprache:

ostalemannisch mit schwäbischen Merkmalen (Text 1, Fuchs [1990] S. 181 f.).

II. Bildausstattung:

22 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1 (11, 18, 19, 25, 32–33, 38–39, 44–45, 60–61, 74–75, 84–85, 91, 97, 104, 109, 112–113, 118–119, 129, 131, 144, 145, 149, 153–154), halb- bis ganzseitig. – S. 3a D-Initiale, 13-zeilig (etwa 115 × 90 mm) als Figurenbuchstabe: Bischof zu Pferd mit erhobenem Schwert, Pilger auf einem Löwen reitend, S. 166a: O-Initiale, gebildet aus vier grotesken Köpfen. Beide Initialen sind Kopien nach einem Figurenalphabet niederländischer Herkunft, von dem Varianten in London und Basel, beide 1464 datiert, überliefert sind (vgl. Einblattholzschnitte des XV. Jahrhunderts aus dem Kupferstichkabinett Basel [Ausstellungskatalog Öffentliche Kunstsammlungen Basel, Kupferstichkabinett 1994]. Basel 1994, Kat. Nr. 19–20, S. 66 mit Abb.). – Alle Federzeichnungen von einer Hand (wohl von anderer Hand das Wappenbild S. 1 in dunklerer Tinte mit Kreuzschraffuren und ohne Kolorierung).

Format und Anordnung:

elf der 22 Illustrationen ursprünglich doppelseitig angelegt (durch die beiden fehlenden Blätter zwischen 144 und 145, jeweils eine Hälfte der Darstellungen verloren): S. 32–33, 38–39, 44–45, 60–61, 74–75, 84–85, 112–113, 118–119, 144, 145, 153–154. Die Illustrationen sind nicht von Bildüberschriften begleitet und in der Nähe der Bezugstellen im Text eingefügt (vgl. Fuchs [1990] S. 33–41). Sie sind nicht eingefaßt, überschreiten das Schriftspiegelformat stets und greifen auf Randstege, manchmal in die anschließenden Textzeilen hinein aus.

Bildaufbau und -ausführung:

Hauptsächlich wurde auf zwei Bildtypen zurückgegriffen; einerseits Schlachten, Heerzüge, Belagerungen, meist doppelseitig, vielfigurig, aus vielen Einzelkämpfen zusammen gesetzt, andererseits thronende Würdenträger, vor denen Boten, Bittsteller oder Unterhändler erscheinen, in halbseitigen Darstellungen, in denen wenige Figuren mit gelängten Proportionen und sehr schlanker Taille den gesamten Bildraum einnehmen und auf weitere Angabe von Raum oder Architektur verzichtet wird. Bei den Schlachten/Belagerungen kursorische Angabe einer Landschaftsbühne mit hohem Horizont zumeist vor einer Stadtkulisse, Zweikämpfe in die Höhe gestaffelt. Dabei an einigen Stellen Unterteilung des Bildraums in zwei Register (S. 85, S. 113), Sprünge in den Größenverhältnissen, häufig gestauchte Körperproportionen mit großen Köpfen. Kompilation von Einzelszenen, unter ihnen Wiederholungen (z. B. Kämpfer in Rückansicht mit gewundenem Tuch als Kopfbedeckung S. 45 und S. 154, springender Bogenschütze vor der Stadtmauer S. 84 und S. 60). Wiederholung auch bei der Darstellung Antiochias mit doppelter Stadtmauer und begrünten Burgberg (S. 61 und 131). Für die Turnier- und Spielvorführungen der Kreuzritter beim Besuch des babylonischen Königs im Lager der Kreuzritter (S. 75) sind Fechtbücher (vgl. Stoffgruppe 38.) als Bildvorlage anzunehmen. Gleichwohl spezifische Bezüge auf im Text beschriebene Ereignisse (z. S. 60 erschossene Frau vor dem Zelt Boemunds, vgl. Fuchs [1990] S. 36. 41), die auf Textkenntnis des Illustrators, bzw. enge Zusammenarbeit zwischen Schreiber/Auftraggeber und Illustrator hindeuten. Die Textillustrationen ausgeführt in brauner Tinte, feine Vorzeichnung, deren Konturen mit etwas breiterer Feder nachgezogen, dabei vielfach geglättet und korrigiert, nur vereinzelt Schraffuren mit kurzen Strichen zur Modellierung der Gewandfalten. Kolorierung in meist deckendem, zuweilen lavierendem Farbauftrag. Bei den Gewändern dunklere Farbnuance für Faltentäler, bei Rüstungen Papiergrund als lichte Partien größtenteils sichtbar, nur wenige Pinselstriche in lavierendem Blau. Figurenstil, Bildaufbau und Ausführung lassen – in Übereinstimmung mit dem Schreiberdialekt (Fuchs [1990] S. 181 f.) – an eine Illustrierung der Handschrift im Bodenseeraum denken; wenngleich in schlichterer Qualität ist sie zu vergleichen mit Berlin, Kupferstichkabinett, 78 A 13 (Hans Mair, Trojanischer Krieg, datiert 1464: vgl. Buchmalerei im Bodenseeraum [1997] Kat. Nr. KO 43 [Bernd Konrad], S. 289–290).

Bildthemen:

Die gleichmäßig über den Text verteilten Illustrationen schildern die Ereignisse vom Konzil in Clermont 1095, bei dem Papst Urban II. einen Bericht über die Untaten im Heiligen Land erhält, bis zur Schlacht von Askalon (zu den Bildthemen: Fuchs [1990] S. 33–41; von Scarpatetti [2003] S. 301–302). Neben Heereszügen, Schlachten und Belagerungen zeigen sie auch Verhandlungen und Beratungen unter den Kriegsparteien sowie eine Plünderung Konstantinopels durch das Heer Peters des Einsiedlers. Wiederholt nehmen die Illustrationen dabei auch auf Ereignisse Bezug, die von der Textkenntnis bzw. von einer engen Zusammenarbeit zwischen Schreiber/Auftraggeber und Illustrator zeugen (Fuchs [1990] S. 41).

Farben:

Grün (Landschaft, Untergrund), Rot (Details der Kleidung, Zaumzeug, Kreuze der Kreuzritter, Schuhe), Ocker (Throne, Holz), Blau (Rüstungen) und Braun- und Rosatöne in verschieden Schattierungen (Gewänder).

Literatur:

Scherrer (1875) S. 214 f.; Gamper (2003) S. 20. – Friedrich Kraft: Heinrich Steinhöwels Verdeutschung der Historia Hierosolymitana des Robertus Monachus. Eine literarhistorische Untersuchung. Straßburg 1905 (Quellen und Forschungen zur Sprachund Culturgeschichte der germanischen Völker A.F. 96), S. 26; Historia Hierosolymitana von Robertus Monachus in deutscher Ubersetzung. Hrsg. von Barbara Haupt. Wiesbaden 1972 (Beiträge zur Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts 3), S. 226; Fuchs (1990) S. 33–41; von Scarpatetti 3 (1991) S. 53, Nr. 145, Abb. 323 (S. 97); Peter Ochsenbein / Karl Schmuki / Cornel Dora: Cimelia Sangallensia. Hundert Kostbarkeiten aus der Stiftsbibliothek St. Gallen. St. Gallen 1998 (22000), S. 166. 222, Abb. S. 167 (S. 91); Ernst Tremp / Johannes Huber / Karl Schmuki: Stiftsbibliothek St. Gallen. Ein Rundgang durch Geschichte, Räumlichkeiten und Sammlungen. St. Gallen 2003 (22007), S. 64–66, Abb. S. 65 (S. 131); von Scarpatetti (2003) S. 301–303.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXVIb: S. 11. Papst Urban II. erhält Nachricht von den Greueltaten im Heiligen Land.