68.2. Meisterlied ›Die Königin von Frankreich‹
Bearbeitet von Martin Roland
KdiH-Band 7
Das Lied (laut Titel des Drucks Erfurt: Hans Sporer, 1498 [Nr. 68.2.a.] in regenbogens langen don) umfasst 15 Strophen zu je 23 Versen und beruht inhaltlich (mit kleineren Veränderungen) auf Schondochs Märe (siehe Stoffgruppe 68.1.). Die Formulierungen sind jedoch (gegen die zumeist geistliche Praxis bei diesem Ton) deutlich direkter, was sich auch auf die Holzschnitte auswirkt. Dies beginnt bei der Titelillustration, wo in einer Nebenszene die Königin mit entblößtem Busen im Bett liegt und der verleumderische Marschall den Zwerg neben sie legt. Der Text (Strophe 2) beschreibt die Lage der beiden als gekehrt hatte munt gen munt (bei Schondoch: und legt ez [den Zwerg] an ir prust: ohne Parallele im Bild).
Im Erstdruck von 1498 stehen die Holzschnitte jeweils vor den Strophen. Die Bild-Text-Koordination ist nicht immer stimmig, da Erzähleinheiten mitunter strophenübergreifend sind. Bei Strophe 5 und 6 scheinen die Schnitte vertauscht zu sein. Die Darstellung von Kindbett und Taufe (vor Strophe 5) entbehrt hier jeder Grundlage und reflektiert auf Anspielungen weiter hinten im Text. Die künstlerische Qualität der Stiche ist gering, aber typisch für die Offizin (siehe bei Nr. 68.2.a.), das erzählerische Talent ist bemerkenswert. So wird etwa das ungeborene Kind der Königin beim Weggang vom Hof (Strophe 3) mit dem (immer als alt charakterisierten) Ritter und dessen Hund dargestellt (vgl. entsprechende Bildfindungen bei Visitatio-Darstellungen). Unerklärlich bleibt, warum die beim Schondoch-Bildprogramm zentrale Szene vor dem Krämerladen ausgespart und durch den Auftrag der Königin, Handarbeitsmaterialien zu erwerben, ersetzt wurde (Strophe 7). Die Darstellung der Hinrichtung des Marschalls durch das Rad (Strophe 12) hat der Bildzyklus mit den Fresken in Coredo gemein (siehe Stoffgruppe 68.1.). Als neues Erzähl-, aber nicht Bildmotiv kommt die Wiederholung der Hochzeit von Königin und König (als 40-tägiges Fest) hinzu.
So wie der Wiener Cod. 2675* (Nr. 68.1.1.) ist die Textdarbietung als Einzellage konzipiert. Identisch ist auch das Illustrationskonzept mit multifunktionalem Titelbild und fortlaufender Illustration. Neu ist die aus Text und Bild gestaltete Titelseite.
Die Erzählung wird Mitte des 16. Jahrhunderts von Hans Sachs aufgegriffen (RSM 10, S. 487 [²S/3130b–d]). Zu dieser Spätstufe sind keine Illustrationen bekannt.
Das Weimarer Liederbuch. Hrsg. von