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82. Magelone

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Die französische Prosaerzählung von der Liebe zwischen Peter, dem Sohn des Grafen von Provence, und Magelone, der Tochter des Königs von Neapel, ist in zwei frühneuhochdeutschen Übertragungen überliefert.

Trotz zahlreicher Schicksalsschläge findet die Liebe des Paares mit der Heirat und der Rückkehr an den Hof der Eltern Peters ein glückliches Ende. Nachdem Peter, der als fahrender Ritter seine Herkunft anfangs verheimlicht, und die überaus schöne und freundliche Magelone am königlichen Hof in Neapel in aller Heimlichkeit ihre Liebe füreinander entdeckt und Schmuckstücke ausgetauscht haben, entführt Peter Magelone mit ihrer Zustimmung. Seinerseits wird er bei der Verfolgung eines Vogels, der ihm die Ringe Magelones geraubt hat, schiffbrüchig und an den Hof des Sultans verschlagen. Die verlassene Magelone zieht zunächst als Pilgerin nach Rom, um anschließend in der Provence, in der Nähe der Eltern ihres Geliebten, ein Hospiz zu gründen. In diesem findet auch Peter nach einer anfänglich missglückten Heimkehr Aufnahme, nachdem bereits zuvor die verloren geglaubten Ringe als Fund in einem Fischleib ihren Weg zu seinen Eltern zurückgefunden hatten. Auch Magelone erfährt von der Wiederkehr der Schmuckstücke, später erkennt sie den totgeglaubten Peter im Hospiz, so dass beide sich nach einer angemessenen Bußzeit seinen Eltern offenbaren können. Die Erzählung schließt zehn Jahre nach der Hochzeit des Paares mit dem Tod der Eltern.

Die erste, anonyme Übertragung, die möglicherweise noch im 15. Jahrhundert und mutmaßlich in Nürnberg entstand, ist in einer späteren Abschrift erhalten. Diese Handschrift (Nr. 82.0.1.), die sich heute in Krakau befindet, wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit 24 Federzeichnungen ausgestattet, die aufgrund stilistischer Vergleiche Albrecht Altdorfer zugewiesen werden können (Domanski [2020]). Ihrer Ausführung nach handelt es sich um Entwürfe mit dem Anspruch künstlerischer Eigenwertigkeit, die in dieser Form kaum für eine druckgrafische Umsetzung hätten verwendet werden können.

Als Vorlage für die Übersetzung ist eine der zahlreichen französischen, meist illustrierten Druckausgaben anzunehmen, die ab 1480 überwiegend in Lyon erschienen. Weitreichende Übereinstimmungen des Textes und seiner Gliederung, die Auswahl der illustrierten Erzählmomente und das Format der Illustrationen deuten dabei insbesondere auf eine 1489 in Lyon erschienene Ausgabe hin (GW 12709), wenngleich sich die Inszenierung der Szenen unterscheidet. Von dieser Edition befand sich – wie ein Besitzeintrag belegt – 1496 ein Exemplar im Besitz des Nürnberger Bürgers Wolff Haller (Jena, 4 Art. lib.XII,1).

Die zweite Übersetzung widmete Veit Warbeck, Jurist, Domherr und Inhaber verschiedener Ämter am kursächsischen Hofe Friedrichs des Weisen, dem Kronprinzen Johann Friedrich von Sachsen anlässlich seiner Hochzeit 1527 mit Sibylle von Jülich-Cleve. Für das im Autograf erhaltene Dedikationsmanuskript (Gotha, Chart. B 437) wurde keine Ausstattung mit Illustrationen vorgesehen. Vom kurpfälzischen Hof hat sich außer der mutmaßlichen Vorlage für die Übersetzung Veit Warbecks (Coburg, Ms. 4, um 1480[?]) eine zweite Handschrift erhalten (Jena, Ms. El. f. 98, 44r–120r, um 1496, Torgau). Für diese beiden Exemplare, die jeweils eine lateinische Interlinearübersetzung enthalten und offenbar als Lehrmittel für die französische Sprache dienten, ist gleichfalls eine französische Druckausgabe als Vorlage anzunehmen (Ott [2016] S. 97–101).

In der Jenaer Handschrift, die für Friedrich den Weisen angelegt wurde, sind 17 Freiräume an den Kapitelanfängen ausgespart. Ihrer Form und Platzierung nach – hochrechteckig und in den Text eingeschoben – weisen sie gleichfalls besonders auf die 1489 in Lyon erschienene Ausgabe als Vorlage hin (GW 12709). Zudem gelangte das Exemplar aus dem Besitz Wolff Hallers zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt in die Wittenberger Schlossbibliothek.

Ab 1535 druckt Heinrich Steiner in Augsburg die ›Magelone‹ als illustrierte Ausgabe im Jahresabstand, insgesamt acht Mal, in der Übersetzung Veit Warbecks, auf Veranlassung und mit einer Einleitung von dessen Freund Georg Spalatin versehen (VD16 H 3867). Von den 22 Holzschnitten dieses deutschsprachigen Erstdrucks stammen der Titelholzschnitt sowie fünf Textholzschnitte von Hans Schäufelein, sie wurden eigens für die ›Magelone‹ angefertigt. Bei den übrigen Holzschnitten handelt es sich um wiederverwendete Stöcke aus anderen Werken (Gotzkowsky [1991] S. 93–104). Als Vorlage für Steiners Holzschnittserie kommen die Federzeichnungen der Krakauer Handschrift nicht in Betracht. Zwar laufen die Bildfolgen zu Beginn im Hinblick auf die Szenenauswahl noch in etwa parallel, doch fehlt im zweiten Teil, ab der Trennung Peters von Magelone, jegliche Übereinstimmung bei der Auswahl der illustrierten Abschnitte.

Eine Zusammenschau der bekannten Anhaltspunkte lässt annehmen, dass die ›Magelone‹ durch eine illustrierte französische Ausgabe, wohl den Lyoner Druck von 1489, nach Nürnberg gelangte. Für die Vermittlung infrage kommt ein Buchführer des international vernetzten Nürnberger Druckers Anton Koberger, wie das Exemplar aus dem Besitz seines Schwiegersohns Wolff Haller nahelegt. Die Druckausgabe kann einerseits als Grundlage für die Sprachübungen Friedrichs des Weisen, andererseits als Ausgangspunkt für die erste deutsche Übersetzung gedient haben. Ob die in der Krakauer Handschrift überlieferte, erste deutsche Fassung eventuell als Widmungswerk für den sächsischen Kurfürsten oder möglicherweise für einen anderen bibliophilen Herrscher – etwa Kaiser Maximilian I. – gedacht war, wird sich kaum mehr klären lassen.

Literatur zu den Illustrationen:

Ficker (1898) Kat.-Nr. 71, S. 76f.; Lossnitzer (1915) S. 73–76, Taf. XII, Abb. 1–3 (27r, 31r, 44v); Degering (1922) S. 144–152; Domanski (2020).