KdiH

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63.5.2. Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Ms. Berol. germ. quart. 1870 (ehem. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. quart. 1870)

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Mitte 15. Jahrhundert (39r und 59v: 1449; 70v: 1451).

Lokalisierung:

Oberrhein (Stil) oder bairischer Sprachraum?

Besitzgeschichte:

Aus der Fürstlich Stolbergischen Bibliothek in Wernigerode (Signatur Cod. Zb 10); 1929 mit weiteren Handschriften der Stolbergischen Bibliothek über Jacques Rosenthal, München, verkauft (Ausschnitt aus dem Verkaufskatalog im Vorderdeckel eingeklebt). In Berlin seit 1930 (1r: Acc. ms. 1930.10.), seit dem Zweiten Weltkrieg in Krakau.

Inhalt:
1. 1v–9v Die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht, Inc. Der heilig her sant Jeronimus Der schreibet vns Von den xv zhaichen [...] An dem ersten tag so steigt das mer vber sich auff wol xl daumellen ...
2. 10r–11v ›Himmelsbrief‹ (›Jerusalem-Version‹)
3. 11v–15r ›Visio Sancti Pauli‹, deutsch Prosaübersetzung 1
4. 16r–25v Auslegung der Messe, Inc. Wer an gaistleichen tugenden sich uben well ...
5. 26r–31r Ps.-Beda, ›De meditatione passionis Christi‹, deutsch hier Bernhard von Clairvaux zugeschrieben
6. 31v–38v Beschreibung des Heiligen Landes, Inc. Hy hebt sich an daz hailig land dar in gott so vil wunderczaichen tan hat vnd auch wy weit von ainer stat oder land czw dem andern ist ... 38v Notiz des Schreibers(?), er sei dort selbst vmb vnd umb gebesen, und habe das erfaren vnd selbs geschryben
7. 39r–51v ›Disticha Catonis‹, deutsch Gesamtübersetzung, Hs. G-Kra
8. 51v–59v ›Facetus Cum nihil utilius‹, deutsch Teilübersetzung: Bearbeitung V; Hs. W1 bzw. Kra
9. 60v–61r Vaterunser-Auslegung, Inc. DEr heilig pater noster hat in im beslossen siben pitung ... quer geschrieben: Die sieben Bitten des Vaterunsers jeweils bezogen auf die sieben Sakramente, Gaben des Hl. Geistes, Werke der Barmherzigkeit, Tugenden und Laster
10. 61v–70r Vaterunser-Auslegung, Inc. Vater vnser ... DAs obgeschriben hat ein czwifeltige außlegung die erst daß got ist in dem himel von dem er selbst gesprochen hat ...
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, I + 70 Blätter (moderne Zählung; 1r, 60r und 70v unbeschrieben), 205 × 150 mm, einspaltig, recht ähnliche Bastarden, vier(?) Schreiber, I: 1r–15v, 34–35 Zeilen, rote Lombarden über eine bis drei Zeilen, rote Strichel; II: 16r–25v, 30–34 Zeilen, rote Lombarden über eine bis drei Zeilen, rote Strichel, Unter- und Durchstreichungen; III: 26r–38v, 27–31 Zeilen, rote Lombarden über eine bis zwei Zeilen, Strichel, Unter- und Durchstreichungen; IV (mit Monogramm C.H. 59v sowie Datierung [14]49 [39r, 59v] bzw. 1451 [70r] mit der Mitteilung, dass in diesem Jahr die eliche Haußfraw seines Herrn verstorben sei): 39r–70r, wechselnder Duktus, 25–29 (Text 7–8, mit abgesetzten Versen) bzw. 21–22 Zeilen (Text 10), in Text 7 und 8 Versanfänge gestrichelt, 39r große, schmucklose rote Eingangslombarde über ca. acht Zeilen, im Text rote Lombarden über zwei bis fünf Zeilen, manchmal fehlend, ab 51v auch blaue Lombarden und Überschriften, rote Unterstreichungen; Text 9 und 10 mit abwechselnd roten und blauen Überschriften und Lombarden über ein bis zwei Zeilen, meist mit schlichtem Fleuronné in der Gegenfarbe, Kreisdiagramme in Rot und Blau für die Bitten des Vaterunsers.

Schreibsprache:

bairisch.

II. Bildausstattung:

15 kolorierte Federzeichnungen: 1v, 2r, 2v, 3r, 3v, 4r, 4v, 5r, 5v, 6r, 6v, 7r, 8r, 8v, 9v. Ein Maler.

Format und Anordnung:

Rechteckige Bilder, stets in der unteren Blatthälfte in den Schriftspiegel (Breite 125 mm) eingepasst, dem sehr unterschiedlich langen Bezugstext nachfolgend (die Beschreibung eines Zeichens kann eine ganze Seite [13. Zeichen] oder mehr [15. Zeichen] umfassen), je nach zur Verfügung stehendem Raum in unterschiedlicher Höhe, 8r (13. Zeichen) ganzseitig; die Schriftspiegeleinfassung dient als dreiseitige Bildeinfassung, die oben durch eine feine vierte Linie ergänzt wird, gelegentlich wird der Bildraum in den unteren Randsteg hinein erweitert (1v und insbesondere 9v), manchmal ragen Details über die Einfassung hinaus (2v, 9v).

Bildaufbau und -ausführung:

Nach sehr sicherer Vorzeichnung mit dunkelgraubrauner Feder (Konturen, ohne Binnenzeichnung) komplett in luftiger Pinselmalerei mit lavierten Farben gestaltet, weiche Modellierung durch fein abgestufte Dichte des Farbauftrags unter Einbeziehung des Pergamentgrunds, selten Ausmischungen oder übereinanderliegende Farbschichten. Dabei kontrastieren leuchtende Farben insbesondere für die Kleidung mit eher matten Grün-, Braun- und Blaugrautönen für die Gestaltung der Erde. Menschliche Gestalten werden als kaum aufeinander bezogene Figuren ins Bild gesetzt, einzig in der Darstellung der aus den Höhlen Hervorkommenden 6r bewegen sie sich gestisch aufeinander zu, aber auch hier scheinen die Gesten aneinander vorbei zu gehen. Die tot niedergefallenen Menschen auf dem einzigen ganzseitigen Bild 8r als unperspektivische Ansammlung puppenhaft starrer Figuren, die mit dem angedeuteten Schlagschatten hinter ihrem Rücken wie schwerelos und ohne Bodenhaftung wirken. Inkarnat in blasser oliv-bräunlicher Lavierung, in diesen Tönen werden auch die Körper der nackten Figuren 6v (Auferstehung der Toten) souverän modelliert, was ihrer Darstellung einen nahezu monochromen Charakter gibt. Alle Szenen sind in eine Landschrift unter einem oben sich verdichtenden blauen Himmelsstreifen situiert; 1v–3v wird die Landschaft gebildet aus bizarr aufgetürmten Felsformationen, Gruppen von eng stehenden Bäumen mit runden, zypressen- oder fächerförmigen Kronen sowie Wasserfontainen, - läufen, -tümpeln, kaum belebt durch Fische und Meerwunder (2v). 3v mit besonderer räumlicher Tiefenwirkung durch den luftperspektivisch gestalteten Ausblick in eine baumbestandene Ebene. 4r–5r zeigen die Zerstörung der Erde ohne Lebewesen, der Glockengiebel der einstürzenden Kirche (5r) könnte auf architektonische Vorbilder außerhalb des unmittelbaren Herkunftsraums der Handschrift verweisen, vielmehr eher aus Frankreich oder dem mediterranen Raum. 5v–7r Landschaft reduziert auf ein ödes Terrain, dessen grünbräunliche Lavierung sich zum hochliegenden Horizont hin verdichtet; beherrscht werden die vier Darstellungen von dem wiederkehrenden Sonne-Mond-Paar, wobei aus der zunächst golden strahlenden Sonnenscheibe und der ebenfalls goldenen Mondsichel auf 7r in nahezu wörtlicher Umsetzung des Textes eine Sonne swarcz gestalt als ein chol wird und ein Mond rot als ein pluͦt. Das Weltgerichtsbild 9v mit allen konventionellen Attributen: Vor einem aus blauem Himmels- und olivbräunlichem Erdstreifen bestehenden Hintergrund der auferstandene Christus in einer Regenbogen-Mandorla thronend, von seinem Gesicht ausgehend zwei Schwerter, rechts und links am Himmel je ein Engel mit Leidenswerkzeugen, unten knien einander zugewandt Maria und Johannes, zwischen ihnen zwei sich öffnende Gräber, dazu zwei Engel mit Kreuzesfahnen.

Stange (1929, S. 33 und 1951, S. 390) lokalisiert den Zyklus an den Oberrhein und stellt ihn in die stilistische Nähe von Konrad Witz; Bernd Konrad (Buchmalerei im Bodenseeraum [1997]) möchte in der Figurenbildung Anklänge Konstanzer Tafelmalerei sehen. Wie diese stilistische Heimat der Federzeichnungen mit der bairischen Schreibsprache (vgl. auch Gerhardt/Palmer [2000]) in Verbindung zu bringen ist, bleibt unklar.

Bildthemen:

Die Fünfzehn Zeichen.

1. Zeichen: Das Meer erhebt sich; 2. Zeichen: Das Meer zieht sich zurück (als einziges Bild mit einer über den Text hinausweisenden narrativen Ausgestaltung des Themas: eine Menschengruppe kriecht geduckt aus einer Höhle hervor; vgl. 10.); 3. Zeichen: Fische und Meerwunder schreien; 4. Zeichen: Gewässer brennen (im Bild ohne Feuerzungen, Rotfärbung o. ä.); 5. Zeichen: Bäume und Gräser schwitzen Blut (ebenfalls ohne Blutfärbung); 6. Zeichen: Bauwerke stürzen ein (im Text alle zimmer vnd alle paw, vermutlich deshalb im Bild ein zerbrechendes gezimmertes Gerüst); 7. Zeichen: Steine zerbersten; 8. Zeichen: Erdbeben (üblicherweise wird hier das Niederfallen von Mensch und Tier thematisiert; hier wird erneut das Einstürzen von Bauwerken dargestellt, vgl. 6.); 9. Zeichen: Einebnung der Erde; 10. Zeichen: Menschen kommen aus den Höhlen; 11. Zeichen: Gräber öffnen sich; 12. Zeichen: Gestirne fallen nieder (auch hier weder im Text noch im Bild ein Versammeln der Tiere thematisiert); 13. Zeichen: Alle Menschen sterben; 14. Zeichen: Himmel, Luft und Erde brennen; 15. Zeichen: Himmel und Erde werden neu (in Anknüpfung an die im Text beschriebene Ankunft des Weltenrichters wird hier zum 15. Zeichen das Weltgericht selbst dargestellt).

Farben:

Braun-, Grau-, Oliv- und Ockertöne, Rot, Blau, Grün, Violettrot, Rosa, Gold, Deckweiß.

Literatur:

Ernst Förstemann: Die Gräflich Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode. Nordhausen 1866, S. 106f. – Eduard Brodführer: Handschriftliche Beschreibung (15 + 15 Seiten) von 1915. In: Handschriftenarchiv der BBAW online (unter Wernigerode, mit aquarellierten Nachzeichnungen aller Illustrationen); Handschriften und Frühdrucke in deutscher Sprache. Katalog 91. Jacques Rosenthal. München 1929, Nr. 2 mit Abb. (9v); Alfred Stange: Eine oberrheinische Handschrift aus der Mitte des XV. Jahrhunderts. In: Beiträge zur Forschung aus dem Antiquariat Jacques Rosenthal. N. F. II. München 1929, S. 25–38, Taf. IX–XII (2r, 3v, 8r, 9v); Jerchel (1932) S. 40, Abb. 15 (5r); Leopold Zatočil: Ein unbekannter Prosatext der fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht. Časopis pro moderni filologii 26 (1940), S. 276–287; Stange 4 (1951) S. 15f., Abb. 13 (8r), 14 (2r); Buchmalerei im Bodenseeraum (1997) S. 278, Nr. KO 27 (Bernd Konrad) mit Abb. (2v); Simon (1978) S. 170–173; Gerhardt/Palmer (2000) K 6.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXIIIa: 5r. Zerstörung der Erde.

Taf. XXIIIb: 6v. Auferstehung der Toten.

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Taf. XXIIIa.
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Taf. XXIIIb.