KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

63.1.1. ehem. Görlitz, Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Cod. A III.1.10 [verschollen]

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

14. Jahrhundert, wohl erste Hälfte.

Lokalisierung:

Böhmen? (Gutfleisch-Ziche nach Gutachten Karin Schneiders).

Besitzgeschichte:

Aus der Sammlung des Altdorfer Professors Christian Gottlieb Schwarz (1675–1751), aus dessen Nachlass erstmals abgedruckt von Georg Andreas Will (siehe unten: Literatur), der die Handschrift offenbar 1769 aus dem Bestand der Bibliotheca Schwarziana, Teil II, erwarb (sein Exlibris befand sich im Codex); später im Besitz Karl Gottlob Antons (1751–1818), dessen Bibliothek der Grundstock der Sammlung der Görlitzer Gesellschaft wurde. Deren Bestände wurden im zweiten Weltkrieg ausgelagert, Cod. A III.1.10 gehörte offenbar nicht zu den Teilbeständen, die aus heute polnischen Aufbewahrungsorten in die Universitätsbibliothek Breslau gelangten. Neuere Handschriftenbeschreibungen beruhen auf Reproduktionen; nach alten fotografischen Vorlagen: 20 der 30 Miniaturen bei Piper (1888), drei Ausschnitte, davon zwei mit Text, bei Könnecke (1895); nach einem Foto von 1924 eine ganze Seite (9r) bei Gutfleisch-Ziche (1997).

Inhalt:
1. 1ra–3vb Frau Ava, ›Johannes‹
2. 3vb–20vb Frau Ava, ›Leben Jesu‹, ›Sieben Gaben des Hl. Geistes‹
3. 21ra–vb Frau Ava, ›Der Antichrist‹
4. 22ra–24rb Frau Ava, ›Das Jüngste Gericht‹
5. 24va–56va Heinrich von Hesler, ›Evangelium Nicodemi‹
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 56 Blätter, 238 × 150 mm, zweispaltig, 40 Zeilen, Textualis, ein Schreiber, Verse abgesetzt, alternierend bündig mit freigestelltem Anfangsbuchstaben und eingerückt; abwechselnd rote und blaue Lombarden über zwei Zeilen, z. T. mit Fleuronné (9ra); 1ra, 3vb, 21ra, 22ra, 24va größere Initialen mit Randschmuck.

Schreibsprache:

nordostbairisch/böhmisch.

II. Bildausstattung:

30 kolorierte Federzeichnungen, davon eine zu Text 1, 28 zu Text 2, eine zu Text 4: 21va–b Jüngstes Gericht. Zu allen oder den meisten Bildern in Text 1 und 2 Beischriften an den Blatträndern, vielleicht von anderer, zeitgenössischer Hand, mindestens aber in anderem Schriftduktus; teilweise durch Beschnitt entfallen (Piper [1887] S. 144, 145f. u. ö.). Ein Zeichner.

Format und Anordnung:

Neben den spaltenbreiten, selten über mehr als zwölf Zeilen hohen, nahezu quadratisch eingefassten Bildern zu Text 1 und 2 ist – außer 12ra–b (Abendmahl) – das Jüngste Gericht das einzige querrechteckig eingefasste Bild über zwei Spalten. Text 4 (›Jüngstes Gericht‹, 292 Verse) sollte ursprünglich wohl unmittelbar an Text 3 (›Antichrist‹, 118 Verse) anschließen (Eingangsinitiale N ausgeführt, dann aber Leerzeilen bzw. zwei radierte Zeilen (vgl. Piper [1887] S. 306). Stattdessen wurde ein Bildraum auf der unteren Seitenhälfte freigehalten. Durch die Platzierung des eingefügten Bildes nach Abschluss des vorangehenden Anitchrist-Gedichts und vor dem nun auf der folgenden Rectoseite beginnenden, aber nicht durch eine besondere Initiale hervorgehobenen Gedicht vom Jüngsten Gericht fungiert das Bild als Brücke zwischen den zusammenhängenden Dichtungen.

Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen, Farben:

Symmetrischer Aufbau; zentral Christus als Weltenrichter in der Mandorla, ihm zugewandt rechts und links Maria und Johannes der Täufer kniend, die Füße beider überschneiden den Bildrand ebenso wie der obere Teil der Mandorla. Die unten rechts und links in die Freiräume zwischen Maria und Johannes und der Mandorla eingefügten zwei Engel mit Posaunen dagegen sind wie die oben links und rechts aus Wolkenbändern hervorschauenden zwei Engel mit Leidenswerkzeugen – Kreuz und Speer, Palmzweig, Dornenkrone und Nägel – vom Bildrand abgeschnitten. Lineare Zeichnung in klarer Strichführung, die Figuren eher gedrungen. Die Art der Kolorierung ist in den Reproduktionen nicht erkennbar, farbig waren mindestens Nimben, Wolken, Mandorla mit Regenbogen und Sphärenbogen sowie das Fellgewand des Johannes.
Ein konkreter Textbezug besteht nicht, der in den Versen 161ff. beschriebene Beginn des Jüngsten Gerichts enthält lediglich den Hinweis auf die Ankunft Gottes in den Lüften und auf Engel, die Kreuz und Krone mit sich führen. Dies evoziert nur ansatzweise eine Bildvorstellung, wie sie die Zeichnung realisiert; sie dürfte sich eher an konventionellen Bildmustern orientieren.

Literatur:

Georg A. Will: Beschreibung eines alten evangelischen Codex. Altdorf 1763; Christianus Gottlib Schwarzius: Bibliothecae Schwarzianae pars II seu Catalogus librorum continens codices manuscriptos vetustos et libros saeculo XV ab incunabulis typographiae impressos quos olim possedit et notis adiectis [...]. Altdorf / Nürnberg 1769, S. 6, Nr. XV; Paul Piper: Die Gedichte der Ava. ZfdPh 19 (1887), S. 129–196, 275–321 (Ausgabe ›Antichrist‹ und ›Jüngstes Gericht‹ S. 299–319); Die geistliche Dichtung des Mittelalters. Erster Teil: Die biblischen und die Mariendichtungen. Hrsg. von Paul Piper. Berlin / Stuttgart 1888 (Deutsche National-Litteratur 3,1). Nachdruck Tokio / Tübingen 1974, S. 223–234, Abb. S. 224–234, Nr. 1–20 (5vb, 6ra, 6va, 6vb, 7ra, 9rb, 10ra, 11ra, 12ra-b, 13va, 15rb, 15rb[?], 16ra, 16va, 16vb, 17va, 17vb, 18rb, 19rb, 21va–b); Gustav Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur. 2. Auflage. Marburg 1895, Abb. S. 22 (17va Bild-/Textspalte, 24ra Textausschnitt, 6va Bildausschnitt); Anselm Salzer: Illustrierte Geschichte der Deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Bd. I. München 1912, Abb. S. 121f. (17va); Barbara Gutfleisch-Ziche: Volkssprachliches und bildliches Erzählen biblischer Stoffe. Die illustrierten Handschriften der ›Altdeutschen Genesis‹ und des ›Leben Jesu‹ der Frau Ava. Frankfurt a. M. u. a. 1997 (Europäische Hochschulschriften I,1596), S. 135–139, 155–185, 315–326, Abb. 28–48 (nach Piper, dazu 9r nach einem Foto von 1924); Ava’s New Testament narratives. »When the Old Law Passed Away«. Introduction, Translation, and Notes by James A. Rushing Jr. Kalamazoo 2003 (Medieval German Texts in Bilingual Editions 2), Abb. S. 72f., 78f., 96f., 114f., 136f., 150f., 160f., 166f., 178f., 200, 208 (alle Abb. nach Piper).

Anmerkungen:

Zu Text 2 siehe Nr. 73.2.1.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus