59.6.1. Würzburg, Universitätsbibliothek, M. ch. f. 116
Bearbeitet von Ulrike Bodemann
KdiH-Band 7
Zweite Hälfte (vermutlich drittes Viertel) 15. Jahrhundert.
Ostfranken.
Im 16. Jahrhundert im Besitz oder in Benutzung eines Martin Flad (Einträge mit Datum 1565 auf dem Vorderdeckel). Aus dem Kloster Ebrach (alte Signaturen M.S. I 3 [Zettelkatalog] und M.S. III 53 [Eintrag Vorderspiegel]).
1. | 1ra–186vb | Historienbibel IIc |
1ra–141rb Alte Ee: Gekürzte Fassung der Historienbibel IIa mit Zusätzen nach der Vulgata
Anfang defekt
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143ra–186vb Neue Ee | ||
143ra–b Eingangsgebet Maria muter edle keusche maget ein erloserein | ||
143rb–186vb Gekürzte Fassung des Prosa-›Marienlebens‹ nach Bruder Philipp, mit Zusätzen nach der Vulgata: Uns lert das puch der alten Ee das in dem lande zu galilea … | ||
2. | 187va–203v | ›Endchrist-Bildertext‹ |
187va–199r Antichrist Hye hebt sich an von dem entkrist … | ||
199va–203v Fünfzehn Zeichen des jüngsten Gerichts Aber nun vmb dy funffczehen zeichen … |
Papier, 203 neuzeitlich foliierte Blätter, dazu ein Nachstoßblatt (Blatt 1–14 in falscher Folge eingebunden, etliche defekte Blätter, darunter Blatt 133 mit nahezu völligem Text- und Bildverlust, unbeschrieben: 141v–142v, 187r), 305 × 205 mm, zweispaltig, 188r–199r sowie 200r–203v einspaltig, ca. 31–33 Zeilen, Bastarda, ein Schreiber, rote Strichel, Überschriften, Kapitellombarden über drei oder vier Zeilen, 187va und 199va rote Figureninitialen.
ostfränkisch (
Zu Text 1 150 von ursprünglich 152 kolorierten Federzeichnungen, erhalten sind 101 Zeichnungen zur Alten Ee, 49 zur Neuen Ee; 143ra Freiraum für eine nicht ausgeführte Initiale (Beginn Neue Ee). Eine Hand. Zu Text 2 Freiräume für 44 + 15 nicht ausgeführte Zeichnungen.
Alle Federzeichnungen nehmen die obere Seitenhälfte ein; lineare (Teil-)Rahmungen durch einen Federstrich sind wohl erst nach Fertigstellung der Zeichnung ergänzt worden.
klare und präzise Zeichnung, weich modelliert wird wesentlich durch die sorgfältige, den weißen Papiergrund intensiv zur Höhung einbeziehende Lavierung; das Volumen von Gewandfaltelungen etwa wird durch wenige Federstriche vorformuliert und durch zurückhaltende Lavierung plastisch ausgeführt.
Die Figuren nehmen die volle Bildhöhe ein, sie agieren in abwechslungsreicher Bewegung auf einem zurückhaltend lavierten Bodenstück, das sich auch zu einer Landschaft ausweiten kann (16v u. ö.), wobei Landschaftselemente – Bäume, Erhebungen – oft nur mit dem Farbpinsel angedeutet werden. Landschaftstiefe ist manchmal durch Farbwechsel (graublau statt grün) angegeben, Innenräume sind gelegentlich nur durch den Ton der Bodenlavierung angedeutet, zum Teil aber auch als symmetrisch angelegte Guckkastenbühnen ausgebaut (26r, 27r u. ö.). Charakteristisch bei Bauwerken die Pinseltupfer, die das Mauerwerk darstellen sollen. Beliebt ist das Hervortreten von Personen(-gruppen) aus hügelig aufgeschobenen Landschaftsformationen. Zuweilen sehr detailreiche Ausstattung, Elemente zeitgenössischer Alltagskultur des späten 15. Jahrhunderts einbeziehend (z. B. Lagerbau Josefs 39v: Zimmerleute vor einem aufgerichteten Fachwerkgerüst, u. ä.), dabei besonders abwechslungsreiche Kopfbedeckungen: Frauen mit Schleiern und Risen, auch mit Wulsthauben und Kopftuch mit seitlich ausladendem Kopfloch, Männer mit den unterschiedlichsten Hauben, Gugeln, Hüten.
Charakteristisch die Gesichtszeichnung mit den besonders hervortretenden halbgeöffneten Augen, oft ohne Brauen, sowie Nase und Mund, die meist (v. a. bei Frauen und Kindern) nur durch einen kleinen Strich angedeutet werden, manchmal (in Profilzeichnungen) aber auch in alle Richtungen verzerrte Formen erhalten (55v). Mehrfach werden Spruchbänder in die Bildkomposition eingefügt, meist ohne, zuweilen auch mit lateinischer Textaufschrift.
Das Bild 20r ist stark überarbeitet, die Vorzeichnung sah ein anderes Motiv (Lot und die drei Engel?) vor.
Bis um 1900 wurde die Handschrift als ›Speculum humanae salvationis‹ angesehen, dazu passt, dass die Reihenfolge der ersten Bilder mit der des ›Speculum‹ übereinstimmt. Mit dem ›Speculum‹ (und den Blockbüchern der ›Biblia pauperum‹) teilt die Ausstattung des Würzburger Kodex ansonsten lediglich die Tendenz, Bilder stets in die obere Seitenhälfte, gelegentlich auch auf zwei gegenüberliegende Seiten zu platzieren. – Auf das Bildprogramm der Historienbibeln IIa greift die Würzburger Handschrift nicht erkennbar zurück, bezieht ihre Bildinhalte aber keineswegs ausschließlich aus dem oft sehr verkürzten Text, sondern greift auf Bildmuster wohl unterschiedlicher Herkunft zurück; deutlich wird dies vor allem in der Illustration des neutestamentlichen Teils: Die Marienkrönung durch die Trinität ( 186r) ist zwar auch in Lauber-Handschriften eine in mehreren Varianten durchgespielte, gängige Bildformel (v. a. in von der Buchmalergruppe A gestalteten Handschriften der Gruppe IIa: Nr. 59.4.20. [Zürich C 5]; Nr. 59.4.8. [Købnhavn Thott. 123 2º]; vgl. auch München, Cgm 206 [Nr. 59.4.12.]) und könnte durch sie inspiriert sein; die Vision des Königs Augustus (Ara coeli, 157r) dagegen kommt in IIa-Handschriften nicht vor. Auf einen (vielleicht franziskanisch beeinflussten) Bildträger aus anderem Kontext geht wohl die Interpretation der Verkündigung zurück, in die in den Lichtstrahl, der vom Himmel auf Maria hinabfährt, neben der Taube des Heiligen Geistes auch das kreuztragende Jesuskind eingefügt ist (153v); die Geburtsszene variiert das in der Regel von den ›Revelationes‹ Birgittas von Schweden geprägte Bildmuster, indem neben der Darstellung Marias, die das nackt im Stroh liegende und vom Atem von Ochs und Esel gewärmte Jesuskind anbetet, auf Josef völlig verzichtet wird, stattdessen ein Engel vom Himmel fährt und Maria ein Tuch bringt (156r); auch die Darstellung des Marientods verrät mit der Fülle von Nebenszenen, in denen nahezu jeder Apostel in einer anderen Handlung gezeigt wird, eine breite Kenntnis entsprechender Motive (183v: ein Apostel mit Buch zur Rechten Mariens sitzend, ein weiterer am Fußende des Bettes in die Lektüre eines Buches vertieft, ein dritter hält ein liturgisches Buch, dem Petrus, durch seine Stola als Geistlicher gekennzeichnet, den Ritus für die Spendung des Sterbesakraments entnimmt, jeweils ein weiterer bläst in ein Rauchfass, hält eine Fackel, beugt sich mit einem Kruzifix über Maria, usw.).
warmes Grün, Violettrot und Orangerot, Blau, lichte Braun- und Grautöne.
Zu Text 2 siehe Stoffgruppe 63. Jüngstes Gericht.
Taf.