56.2.1. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. poet. et phil. 2º 4; Köln, Historisches Archiv der Stadt, Best. 7050 (Hss.-Fragm.) A 89 [Verbleib unbekannt]; Wallraf-Richartz-Museum, Nr. 109; Nr. 110–111
Bearbeitet von Kristina Domanski
KdiH-Band 6
1471–1474.
Mudau im Odenwald (
Aufgrund der niedrigen Signatur gehört die Stuttgarter Handschrift wohl zu den älteren Beständen der württembergischen Königlichen Bibliothek;
Stuttgart, Cod. poet. et phil. 2º 4
1. | 1ra–91ra | Jean de Mandeville, ›Reisebeschreibung‹, deutsch von Otto von Diemeringen |
2. | 91rb | kurzer lateinisch-deutscher Tischsegen |
3. | 91v–104v | Michel Wyssenherre, ›Herzog von Braunschweig‹ |
4. | 105r–110v |
›Der König im Bade‹
Fassung II, vgl.
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5. | 112r–114v |
›Rat der Vögel‹, ab Strophe 6
vollständiger Abdruck:
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Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Nr. 109
Recto |
›Rat der Vögel‹, Strophe 1–5
Edition:
PBB 58 (1934), S. 265–267; |
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Verso | leer |
Papier, II + 115 [+1] + I Blätter (moderne Blattzählung 1–115 in schwarzer Tinte am oberen Seitenrand), fehlende Blätter: zwei vor Blatt 1, je eines nach Blatt 35, 46 und 61; Blatt 1–3 vertauscht (richtig wäre 2–1–3), das Kölner
südrheinfränkisch.
239 kolorierte Federzeichnungen, davon 205 zu Text 1, neun zu Text 3 (91v, 94r, 96r, 97r, 98r, 99r, 100r, 102r, 104v), insgesamt 30 Vogeldarstellungen in Text 5. Laut Kolophon ein Zeichner: Hans von Gochsheim.
Text 3 ist eine ganzseitige Illustration als Titelbild (91v) vor- und eine als Abschluss nachgestellt (104v). Die sieben Textillustrationen, wie die übrigen ungerahmt, im Format halb- bis ganzseitig (ganzseitig sind 96r, 102r), reichen bis an die Blattränder, nehmen jeweils die untere Blatthälfte ein und befinden sich sämtlich auf Versoseiten. Es ergibt sich eine sehr dichte, fast regelmäßige Bilderfolge innerhalb des Textes.
Die Szenen spielen auf einer nahsichtigen Bildbühne ohne Angabe eines Hintergrundes, einige Wellenlinien oder eine Reihe von Blättern genügen, um den Handlungsraum als Landschaft zu charakterisieren, Architekturen werden gern schräg ins Bild gesetzt. Die Federzeichnung wird bestimmt durch kräftige, fließende Konturlinien, die kaum abgesetzt werden und mit großer Sicherheit ausgeführt wurden. Die Binnenzeichnung, ausgeführt in derselben Strichstärke, wird bevorzugt für ornamentale Füllungen von Oberflächen eingesetzt (Dächer, Butzenscheiben in Fenstern). Für die Ausarbeitung von üppigem Faltenwurf bieten die Illustrationen kaum Gelegenheit, bei den kurzen Schecken der Männer deuten nur einigen gerade Linien Falten an. Auffällig ist die Freude an ornamentaler Gestaltung: Löwenmähne in dichten Lockenkringeln, Gefieder der Greifen ( 94r, 96r), Geäst des Baumes (102r), gerolltes Blattwerk der Handlungsbühne. Die Figuren in eher gedrungenen Proportionen, mit kräftigen Körpern; die Differenzierung der meist im Halbprofil wiedergegebenen Gesichter beschränkt sich auf wenige Striche für Augen, Mund und Nase, wobei Nasenrücken und Augenhöhle meist in einer durchgehenden Linie gebildet werden. Trotz der überwiegend flächenfüllenden Kolorierung, die nur wenige Grundtöne in laviertem Farbauftrag verwendet, gelingt dem Illustrator eine erstaunliche Plastizität, insbesondere bei Tierkörpern. Die Konturen werden zur Schattierung sorgfältig mit Grau, zuweilen auch mit Grau und Grün nachgefahren. Der Löwe mit überschlankem Leib, mächtiger, ondulierter Mähne und dicht gesetzten Haarbüscheln an den Beinen mit heraldischen Merkmalen.
Gegenüber der älteren Forschung (
Für die Illustrationen wurden vor allem spektakuläre Szenen der Abenteuer und der ritterlichen Bewährung ausgewählt, wobei zuweilen mehrere Handlungsmomente in einem Bild zusammengezogen werden:
- Das thronende Ehepaar mit dem Löwen (91v).
- Der Herzog mit Knecht und Pferd im Schiff, der Greif trägt den in die Pferdehaut eingenähten Herzog im Schnabel davon (94r).
- Der Herzog tötet die Jungen im Nest des Greifen und flieht mithilfe der Krallen (96r).
- Der Herzog gemeinsam mit dem Löwen im Kampf gegen den Drachen (97r).
- Der Herzog fährt mit dem Löwen auf dem Floß auf die Höhle zu (98r).
- Der Herzog nun mit langem Haupthaar und Bart vor der Burg der Vogelmenschen (99r).
- Der Herzog gemeinsam mit dem Löwen im Kampf gegen die Vogelwesen (100r).
- Die Heimkehr des Herzogs: Im Vordergrund der Herzog mit dem Löwen vor dem Tor Braunschweigs (bezeichnet in roter Tinte rechts oben brunczwig), der kopflose Teufel entweicht, dahinter der Herzog in Begleitung des Löwen im Gespräch mit einer Frau im Garten (102r).
- Der Löwe sitzt auf dem Grab des Herzogs (104v).
Für diese Folge bilden Titel- und Schlussbild (91v, 104v) einen Rahmen, indem sie Varianten der Treue und Ergebenheit veranschaulichen: Zu Beginn evoziert das Ehepaar, das sich die Hände reicht, die alle Trennung überdauernde Verbundenheit der Ehegatten, während der Löwe zu ihren Füßen den ergebenen Begleiter zeigt, dessen Treue zum Abschluss ein weiteres Mal ins Bild gesetzt wird.
Ocker, Rostrot, und Grün. Grau vor allem in laviertem Farbauftrag für Schatten oder Tiefen.
Stuttgart: http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz330059009/
Köln, Nr. 109: http://www.bildindex.de/document/obj05738854
Köln, Nr. 110: http://www.bildindex.de/document/obj05172017?part=1
Köln, Nr. 111: http://www.bildindex.de/document/obj05172017?part=2
Taf. 56.Ib: 100r. Der Herzog gemeinsam mit dem Löwen im Kampf gegen die Vogelmenschen.