KdiH

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27a.0.1. New York, The Morgan Library & Museum, MS M.1045

Bearbeitet von Martin Roland

KdiH-Band 4/1

Datierung:

Um 1460.

Lokalisierung:

Wien (?).

Besitzgeschichte:

Auf 259v ein schon ursprünglich vorgesehenes, gezeichnetes Wappen mit Beischrift: Das schiltel ist oben plab unten rot, dye zebter gell. In dem rem Diet[er]storffer (Opll/Roland [2006] Abb. 47). Als Auftraggeber ist Leonhard Dietersdorfer anzunehmen, der erstmals 1443 als Notar in Salzburg nachweisbar ist und bis 1456 dort häufig auftritt (im Detail Opll/Roland S. 96–98). Die Stadtansichten von Wien (105v, Opll/Roland Abb. 35) und Wiener Neustadt (137v, 141v, Opll/Roland Abb. 38, 41, 42) machen jedoch wahrscheinlich, daß sich der Lebensmittelpunkt Dietersdorfers dann nach Ostösterreich verlagert hat. Die Handschrift befand sich dann in Wien, Liechtensteinische Fideikomissbibliothek, bei H. P. Kraus und W. H. Schab, beide New York, und Clara S. Peck (Ex Libris auf dem Spiegel des Vorderdeckels). 1983 als Teil des Clara S. Peck-Bequest an die Pierpont Morgan Library.

Inhalt:
1r–263r Ulrich von Lilienfeld, ›Concordantiae caritatis‹
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 264 Blätter (Blattverlust vor den Blättern 106 und 108), 350 × 265 mm, der die Bildgruppen erläuternde, weitestgehend lateinische Text und die lateinischen Bildtituli in Textualis, die zusätzlichen Bildbeischriften bei den Zeichnungen in Kursive.

II. Bildausstattung:

Zu jeder typologischen Gruppe – 246 der ursprünglich 248 sind erhalten – steht jeweils verso eine Deckfarbenminiatur (2v–128v) bzw. eine Feder(vor)zeichnung (129v–155v, 158v–249v). Die bildhaften Teile des Tugend- und Lasteranhanges (250v–263r) ebenfalls in Federzeichnung.

Bei den Zeichnungen stehen mitunter Beischriften, die zumeist (aber nicht durchgängig) deutsch sind: Die erste Beischrift findet sich bei den Naturbeispielen auf 130v: Pelican wast sein essen in den wasser bzw. Stigus (?; lat.: carduelus [Distelfink, Stieglitz]) isst phenich (eine Hirseart [vgl. Lexer], lat.: de cardonibus); weitere Beispiele z. B. der aff sneidt de chind das hawbt ab (133v, 2. Naturbeispiel), stueten mit dem füll (134v, 1. Naturbeispiel), dy kacz schaut sach in prun (148v, 2. Naturbeispiel; vgl. Roland [2002] Abb. 9: aus dem Lilienfelder Exemplar, nur mit lateinischem Titulus und Schriftband mit cactus), in dem kessl ist saltz er gewst pluet ine [?] (237v, 2. Naturbeispiel). Als Kuriosum sei die Beischrift scheysst pissen auf 211v erwähnt, die bei der ihre Notdurft beim Wasser verrichtenden rosecula steht. Vergleichsweise häufig sind Einzelbenennungen; z. B. wasilischck (131v für Basilisk), 132v folgen per für Bär und hunt [?] für Hund, 237v straws.

Bei den biblischen Szenen sind Beischriften seltener. Auf 137v wird die im Hintergrund des Antitypus dargestellte Stadt (an sich Jerusalem) als dii newstat (Wiener Neustadt, Opll/Roland Abb. 38) bezeichnet. Zur inhaltlichen Bestimmung dient hingegen die Beischrift beim ersten Typus 144v: ayn beib [Weib] im ckrweg [Krug] und geust [gießt] ir hais pley ein (irrige Interpretation von Za 5, 5–11); beim Antitypus wurde wass[er]suhtig beigefügt (Jesus heilt einen Wassersüchtigen, Lc 14, 1–6). Beim 1. Typus auf 173v (Paradiesflüsse): vier wasser rinent aus den paradiss, beim 2. Typus auf 174v: spiegl hangend am pruwn (Brunnen, Ex 38, 8), beim 1. Typus auf 206v: ain gul[den] chro[n] auf ain merblen tisch mit g[old] peslagn (Ex 25, 23–26, Opll/Roland Abb. 11). Daß die Beischriften und die Illustrationen im New Yorker Exemplar nicht immer ganz korrekt sind, belegt z. B. »Krone« für corona (recte: Einfassung). Mitunter kommen auch lateinische Bezeichnungen vor; vgl. auf 142v die Beischriften spiritus sanctus und mundus zur Geisttaube und zur Weltscheibe, die Jesus den Aposteln vorhält um ihnen die beiden »Herren«, von denen Mt 6, 24 die Rede ist, bildhaft vor Augen zu führen.

Die Positionierung der Beischriften innerhalb der Bildfelder setzt eine genaue Vorstellung über die Bildkomposition voraus. Es müssen also zumindest Kompositionsskizzen (z. B. Griffelzeichnungen) eingetragen gewesen sein, von denen sich freilich keine Spuren finden. Es ist daher anzunehmen, daß die Beischriften erst nachdem die Zeichnungen ausgeführt waren, entstanden. Einerseits handelt es sich um Maleranweisungen im eigentlichsten Sinn, die also nicht primär auf den Inhalt oder die Komposition, sondern auf Farben Bezug nehmen; vgl. die oben erwähnte Wappenbeschreibung und – sogar als Anweisung formuliert – beim Antitypus auf 165v (Bethlehemitischer Kindermord): mach im rott pertt (Opll/Roland Abb. 12). Der apokalyptische Reiter des 1. Typus auf 237v (Commune sanctorum: ein Märtyrer) wird so beschrieben: ways ros und 1 weissen rock und pluet dar in gesprengt; wieder ist die besondere Bedeutung der Farbe wohl der Anlaß für die Beischrift, denn die von Johannes (Apc 19, 11–13) beschriebene Krone (recte viele Kronen) ist ja schon in der Zeichnung zu sehen, während die korrekten Farben in der Zeichnung naturgemäß nicht wiedergegeben werden konnten (weitere Beispiele Opll/Roland S. 33–35). Andererseits bezeichnen die Beischriften Personen, Tiere, Pflanzen, Gegenstände und erläutern die dargestellte Handlung. Während die Farbangaben für eine spätere Ausmalung von entscheidender Bedeutung waren, sind die erläuternden Angaben für die technische Vollendung unerheblich. Sie dienten parallel zu den lateinischen Bildtituli – die wegen ihrer metrischen Form mitunter schwer verständlich waren – dem Betrachter zum Verständnis. Die Beischriften sind also multifunktional und bestätigen die unklare Stellung der Zeichnungen. Diese sind als reine Kompositionsskizzen viel zu bildhaft ausgeführt, sind aber andererseits doch keine vollgültigen graphischen Buchillustrationen (vgl. den kleinen Kreis als Zeichen für ›Auge‹). Offenbar entschloß sich Leonhard Dietersdorfer, die Illustrationen in einem »graphischen Zwischenstadium« ausführen zu lassen, da eine vollständige Ausmalung zeitnah nicht zu realisieren war. Es gibt gute Argumente für die Vermutung, die Beischriften seien nicht erst später, sondern schon während dieses offenbar problematischen Herstellungsprozesses angebracht worden. Die Hauptargumente sind die Farbangaben, die die Zeichnung voraussetzen und die spätere Ausmalung ermöglichen, und die erklärende Beischrift beim Wappen Dietersdorfers.

Die Lokalisierung der Handschrift in den ostösterreichischen Raum ist durch die Stadtansichten von Wien und Wiener Neustadt gesichert, wobei für Wien die Tatsache spricht, daß offenbar alle anderen Abschriften des 15. Jahrhunderts hier entstanden. Die Datierung »um 1460« spiegelt den historischen Befund wider (vgl. die oben genannten Quellen zum Erstbesitzer), berücksichtigt die sehr detaillierten Rüstungsdarstellungen (Opll/Roland S. 60–62) und den ungemein fortschrittlichen Stil, der die Kenntnis oberrheinischer und oberitalienischer Vorlagen voraussetzt (Opll/Roland S. 47–59).

Literatur:

Heider (1861) 27–32 und Taf. VI; Tietze (1905) Sp. 44–59 und Fig. 16–24; Hanns Bohatta: Die Fürstlich Liechtensteinische Fideikomissbibliothek in Wien. Geschichte, Übersiedlung, Kataloge. Zentralblatt für Bibliothekswesen 32 (1915), S. 185– 196, bes. S. 187; H. P. Kraus: A Rare Book Saga. The Autobiography of H. P. Kraus. New York 1978, S. 152 f.; Twentieth Report to the Fellows of the Pierpont Morgan Library 1981–1983. New York 1984, S. 24–30 (mit Literatur); Spätmittelalter und Renaissance. Hrsg. von Artur Rosenauer. München 2003 (Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 3), S. 527 f. [Martin Roland]; Opll/Roland (2006).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 5: 237v. Ulrich von Lilienfeld, ›Concordantiae caritatis‹: Märtyrertod, umgeben von vier Prophetenhalbfiguren, darunter apokalyptischer Reiter / Ermordung Gedaljas (Godolias) als Antitypen, Vogel Strauß / Blut in Salz gießen als Naturbeispiele.

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Abb. 5.