KdiH

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73.2.1. ehem. Görlitz, Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Cod. A III.1.10 [verschollen]

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 8

Datierung:

Anfang 14. Jahrhundert (nach den Illustrationen).

Lokalisierung:

Bayern-Österreich (nach den Illustrationen).

Ausführliche Beschreibung der Handschrift siehe Nr. 63.1.1.

Inhalt:
2. 3vb–20ra Ava, ›Leben Jesu
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 56 Blätter, 238 × 150 mm, Textualis, ein Schreiber, zweispaltig, 40 Zeilen.

II. Bildausstattung:

28 kolorierte Federzeichnungen zum ›Leben Jesu‹, jeweils eine Zeichnung zum ›Johannes‹ und ›Jüngsten Gericht‹ (siehe Nr. 63.1.1. sowie ausführlich Gutfleisch-Ziche [1997] S. 132–241).

Format und Anordnung:

Bis auf vereinzelte Ausnahmen spaltenbreite, in etwa quadratische Illustrationen von zwölf Zeilen Höhe, einfach gerahmt, jeweils in unmittelbarer Nähe der Textstellen platziert. Abweichende Formate bieten die Darstellung des Abendmahles (12va–b) und der Maiestas Domini (21va–b), beide querformatig über beide Spalten, sowie die der Kreuzigung und der Himmelfahrt (15rb, 18rb), beide bedingt durch eine in die Höhe gestaffelte Komposition leicht hochformatig.

Unklar bleibt, welche Funktion die von Piper vereinzelt überlieferten Beischriften zu den Bildern hatten (z. B. Piper [1887] S. 144, 173, 186). Seine Angabe »Erklärung am unteren Rand der Seite« und der Vermerk, sie seien durch nachträglichen Beschnitt unleserlich geworden, weisen darauf hin, dass es sich um nicht vollständig gelöschte Maleranweisungen handelte. Für die Vermutung, dass Bildtituli vorhanden oder geplant waren, bietet das vorliegende Abbildungsmaterial keinen Anlass. Die sehr dichte Bebilderung und das Layout lassen an zeitgenössische Weltchronik- und Epenhandschriften denken und betonen den Charakter einer fortlaufenden Narration.

Bildaufbau und -ausführung:

Die von Piper (1888) publizierten Reproduktionen, die 20 der insgesamt 30 Illustrationen wiedergeben, schränken aufgrund ihrer minderwertigen Qualität die Aussagemöglichkeiten über die malerische Technik und den Ausarbeitungs- und Erhaltungszustand sehr ein. Auch die wieder aufgefundene Fotografie von Blatt 9r, die sich in der Handschrift Breslau, Ms. Akc. 1949/50 erhalten hat, lässt nur bedingt Rückschlüsse zu. Beschreibungen des Codex in der älteren Literatur sind sehr knapp, Piper erwähnt lediglich »Bilder« (Piper [1888] S. 223), Könnecke (1895, S. 22) bezeichnet sie als »gute Miniaturen«. Der frühere Besitzer Georg A. Will gibt an, es seien nur die ersten »vier Figuren« (=Bilder) eigentlich ausgemalt, die übrigen eher gezeichnet, bei den Szenen der Versuchung Christi sei jeweils die Figur des Teufels ausradiert (Will [1763] Teil 1, S. 2). Unklar bleibt daher, ob es sich bei den abgetönten Stellen der Reproduktionen, die eine etwas raue Oberfläche aufzuweisen scheinen, um abgeplatzte Deckfarbe, eine Metallauflage, eine unvollständige Kolorierung oder reproduktionstechnisch bedingte Unklarheiten handelt.

Dennoch beeindrucken die Wiedergaben durch eine flüssige Zeichnung, die mit wenigen, sicher geführten Linien für Kontur und Faltenwurf auskommt. Die Figuren füllen den Bildraum in der Höhe nahezu vollständig aus. Über die Personen hinaus wird auf weitere Requisiten und Angaben zu Räumlichkeiten bis auf wenig Mobiliar wie Thron oder Altar fast vollständig verzichtet. Eine Ausnahme stellt der schlichte Dreipassbogen dar, der die Darstellung im Tempel (6ra) überspannt. Doch bieten die sicher mit Pinsel nachgezogene Kontur und die Gestaltung der Gewänder mit einer insgesamt reduzierten, aber schwingenden Faltengebung ohne üppige Faltenkaskaden oder stark bewegte Säume stilistische Anhaltspunkte. Die Lieblichkeit der Physiognomien, das voluminös aufgebauschte Haupthaar am Oberkopf, das in großzügigen Wellen herabfällt, die von den Proportionen her mächtigen Köpfe auf schmächtigen Körpern deuten trotz der überlieferungsbedingten Unsicherheiten auf eine Entstehung in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts. Mangels modischer Accessoires lassen sich nur wenige Kostümdetails wie die ausladenden, mit Lilien besetzten Kronen der Könige, der Reisemantel des jüngsten Königs (5vb) und die Rüstungen der Grabwächter (16vb) heranziehen. Referenzwerke bieten trotz der hier wesentlich einfacheren materiellen Ausstattung und der schlichteren Ausführung eine Weltchronik (München, Cgm 6406, siehe Stoffgruppe 135. Weltchroniken) und ein deutsches Gebetbuch (München, Cgm 101, Nr. 43.1.117.), die einem gemeinsamen Werkstattzusammenhang zuzuordnen sind, dessen Lokalisierung jedoch bislang zwischen Regensburg, Passau oder Wien schwankt.

Bildthemen:

Die 30 Illustrationen der Handschrift bilden eine erzählerische Einheit und erstrecken sich als durchgehende Bildfolge über die versammelten Texte Avas. So steht die Verkündigung an Maria, die hier dem ersten Text, dem ›Johannes‹ auf 1va, vorangestellt wurde, in der biblischen wie auch der ikonografischen Tradition gewöhnlich am Beginn des Lebens Jesu. Auf sie folgen innerhalb des auch erzählerisch unmittelbar angeschlossenen ›Leben Jesu‹ 28 Szenen: 4rb: Heimsuchung, 4vb: Geburt Christi, 4vb: Verkündigung an die Hirten, 5vb: Anbetung der heiligen Drei Könige, 6ra: Darbringung im Tempel, 6va: Bethlehemitischer Kindermord, 6va: Flucht nach Ägypten, 6vb: der zwölfjährige Jesus im Tempel, 7ra: Taufe Jesu, 7va: erste Versuchung Christi, 7vb: zweite Versuchung Christi, 7vb: dritte Versuchung Christi, 9rb: Christus und die Samariterin, 10ra: das Gastmahl Simons, 11ra: Heilung des Blindgeborenen, 12va–b: Abendmahl, 13va: Jesus im Garten Gethsemane, 13vb: Gefangennahme, 14va: Geißelung, 15rb: Kreuztragung, 15rb: Christus am Kreuz, 16ra: Kreuzabnahme, 16va: Christus in der Vorhölle, 16vb: Auferstehung aus dem Grabe, 17ra: die beiden Engel am Grabe, 17va: Noli me tangere, 18rb: Christi Himmelfahrt, 19rb: Ausgießung des Heiligen Geistes. Die letzte Illustration auf 21va–b bietet mit Christus in der Mandorla, umgeben von Leidenswerkzeugen und Posaune blasenden Engeln, flankiert von Maria und Johannes als Fürbitter, eine ikonografische Verknüpfung von Elementen der Maiestas Domini und des Jüngsten Gerichts, und stellt damit sowohl eine passende Einleitung zu Avas letztem enthaltenen Text, dem ›Jüngsten Gericht‹, wie auch als eschatologischer Verweis einen Abschluss der gesamten Bildfolge dar.

Einige Szenen und ihre Ikonografien deuten darauf hin, dass der Bildzyklus auf eine ältere Vorlage zurückgeht: So ist mit Christus und die Samariterin (9rb) ein Bildthema aufgenommen, das im 11. und 12. Jahrhundert verbreitet ist (Gutfleisch-Ziche [1997] S. 167), Pipers Beschreibung der Heimsuchungsszene (4rb) mit zwei zurückgeschlagenen Vorhängen stützt diese Annahme (Piper [1887] S. 144), denn sie legt Bezüge zu einer seit dem Frühmittelalter bekannten Darstellungstradition nahe. Weitere ikonografische Besonderheiten, etwa die Flucht nach Ägypten (6va), bei der die Identifikation des zweiten Begleiters unklar bleibt, oder die Darstellung im Tempel (6ra), bei der nicht Joseph, sondern Hanna mit einer Taube Maria begleitet, wie auch das Bildprogramm insgesamt verdienten eine neuerliche Untersuchung.

Farben:

keine Angaben möglich.

Literatur:

Siehe Nr. 63.1.1. sowie Claussnitzer/Sperl (2014) S. XIXf.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 5: 9r. Christus und die Samariterin, Foto von 1924.

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Abb. 5.