KdiH

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66.2.3. Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. germ. 19

Bearbeitet von Kristina Domanski

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1400–1430.

Lokalisierung:

Bayern-Österreich.

Besitzgeschichte:

Besitzeintrag 270r: G Albert (16. Jahrhundert), später Johann Gerhard Meuschen (1680–1743), 1719 von Zacharias Conrad von Uffenbach, nach dessen Tod in der Bibliothek der Brüder Johann Christoph (1683–1739) und Johann Christian Wolf (1689–1770), deren Sammlung 1767 als Geschenk an die Hamburger Stadtbibliothek ging. Während des Zweiten Weltkrieges ausgelagert, danach nach Moskau überführt, im Oktober 1990 an die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg zurückerstattet, seither Verlust der letzten neun Blätter.

Inhalt:
1. 8ra–79vb Stricker, ›Karl der Große‹
Handschrift Y
2. 81ra –166vb Wolfram von Eschenbach, ›Willehalm‹
Handschrift Ha
3. 168ra – 262vb Rudolf von Ems, ›Barlaam und Josaphat‹
Handschrift H

ehemals

4. 263ra–271vb vermutlich Jakob Engelin, Pesttraktat ›Also das ein mensch zeichen gewun‹ (Archivbeschreibung Fritz Burg [1905])
Heinz Bergmann, in 2VL 2 [1980] Sp. 561–563 ohne diese Handschrift
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, die beiden Miniaturen auf Pergament, erhalten 262 von ursprünglich 271 Blättern, Verlust der letzten neun Blätter mit Text 4 (Becker [1977] S. 115), 2r–7v leer; Foliierung mit Tinte, auf Blatt 1 links oben, danach oben rechts eingetragen, 300 × 215 mm, zweispaltig, 44 Zeilen, Bastarda, mindestens vier Hände: Text 1 von einer Hand A, Text 2 und 4 von Hand B, Text 3 von A und B sowie von zwei weiteren Händen, rote und blaue Lombarden.

Schreibsprache:

südbairisch.

II. Bildausstattung:

Zwei Miniaturen in Deckfarbenmalerei (1v, 80v), davon eine zu Text 1 und die andere zu Text 2, von einer Hand (?).

Format und Anordnung:

Die beiden Miniaturen auf separaten Pergamentblättern (200–205 × 130–135 mm) als Versoseiten jeweils dem Textanfang gegenüberliegend, 1v fest mit dem vorderen Einband verklebt, 80v eingehängt. Die beiden nicht vollständig ausgearbeiteten Illustrationen sind als »Titelillustrationen« zu verstehen und jeweils auf den nachfolgenden Text zu beziehen.

Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

Der auf einer steinernen, frontal zum Betrachter ausgerichteten Thronbank sitzende Karl wendet sich mit ausgeprägtem, elegantem S-Schwung zu seiner Rechten, um von einem im Verhältnis miniaturhaften Engel das Schwert Durndart entgegenzunehmen, während er in der Linken das Zepter hält. Auffälligstes Detail ist die dreistöckige Krone, die einer zeitgenössischen päpstlichen Tiara stark ähnelt. Es handelt sich jedoch um eine corona triplex, eine fiktive, auf legendarische Überlieferung zurückgehende kaiserliche Insignie, die die dreifache Krönung des deutsch-römischen Kaisers symbolisieren sollte (Robert W. Scheller: Corona Triplex und Triregnum. Überlegungen zu Kaiser- und Papstkronen in der bildenden Kunst des Mittelalters. Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 53 [2002], S. 57–101). Über seiner modischen Kleidung, einer grünen enganliegenden Schecke mit einem Dunsing über den Hüften, trägt er einen roten, auf der Brust mit einer Agraffe geschlossenen Mantel, der seine Gestalt in den für den »Internationalen Stil« charakteristischen üppigen, weichfallenden Faltenkaskaden umspielt und die Körperkontur verunklärt. Neben ihm ein Hündchen, der Hintergrund einfarbig blau. Der Engel, das Hündchen, die metallenen Bildgegenstände (Krone, Schwert, Zepter, Dunsing) sowie ein rechts oben angebrachtes Wappen ohne farbige Ausarbeitung, die beiden Schriftbänder ohne Text. Die auffällige Kombination der Herrscherinsignien und Kleidungsstücke verknüpft königliche Würde und höfische Eleganz (zeremonieller Mantel und Schecke mit Dunsing).

Physiognomische Eigenheiten des Dargestellten machen zudem ein Kryptoporträt König Sigismunds wahrscheinlich, wenngleich er hier nicht die charakteristische Pelzkappe trägt, die ihn auf vielen späteren Porträts auszeichnet. Bei Haar- und Barttracht, an der Augenpartie – etwa den zusammengezogenen Augenbrauen, aber auch durch den leicht geöffneten Mund sind deutliche Ähnlichkeiten mit zeitgleichen Porträts Sigismunds von Luxemburg zu konstatieren (vgl. das 1417 angefertigte Fresko, ehemalige Augustinerkirche Konstanz, Abb. in: Sigismundus Rex et Imperator. Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds von Luxemburg 1387–1437 [Ausstellungskatalog Budapest]. Hrsg. von Imre Takács. Mainz 2006, Kat.-Nr. 2.12, S. 161 f., und die um 1415 entstandenen Fresken des Meisters Wenzel, Friedhofskapelle, Riffian, Südtirol, Dušan Buran: Die Wandmalereien in Riffian und Sigismund von Luxemburg. Überlegungen zu einer kirchenpolitisch motivierten Ikonographie um 1400. In: Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Hrsg. von Michel Pauly und François Reinert. Mainz 2006, S. 301–318, hier. S. 313 f. und Abb. 11). Sigismund, seit 1411 römisch-deutscher König und späterer Kaiser, hatte sich unter Berufung auf seine Funktion als ›advocatus et defensor ecclesiae‹ maßgeblich für die Einberufung des Konstanzer Konzils eingesetzt, um das Schisma der christlichen Kirche zu beenden. Wie für den karolingischen Kaiser lassen sich auch für Sigismund Darstellungen mit der corona triplex nachweisen, wenngleich letztere einige Jahrzehnte später entstanden (z. B. Johannes de Thurocz, ›Chronica Hungarorum‹ Heidelberg, Cod. Pal. germ. 156, 116r, Nr. 26A.31.2., Augsburg: Erhard Ratdolt 1488 [GW M14775], o2v). Über das suggestive Attribut der hohen dreistöckigen Krone bietet die Illustration eine weitere visuelle Verbindung zur kirchenpolitischen Krise, die das Konzil beenden sollte, erinnert sie doch stark an die zeitgenössischen Handschriften der Joachim von Fiore zugeschriebenen ›Vaticinia de summis pontificibus‹, jene Papst-Prophetien, die im Umfeld des Konstanzer Konzils (1414–1418) zu großer Verbreitung gelangten (vgl. etwa München, Clm 313). Da nicht nur Karl der Große, sondern in seiner Nachfolge auch Sigismund hier als Retter des christlichen Glaubens vorgeführt wird, macht die ikonographische Besonderheit der Darstellung schließlich eine Datierung in zeitlicher Nähe zum Konstanzer Konzil wahrscheinlich, zumal dies auch der stilistischen Einordnung entspräche.

Farben:

Rot, Blau, Braun, Hellgrün.

Literatur:

Christian Petersen: Geschichte der Hamburgischen Stadtbibliothek. Hamburg 1838, S. 245. – Bartsch (1857) S. 434; Becker (1977) S. 115–117; Eva Horváth: Zur Rückkehr des ›Willehalm‹-Codex Ha der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Schicksale Hamburger Handschriften von ihrer Auslagerung bis zu ihrer Rückkehr 1989/90. Wolfram-Studien XIV (1996), S. 409–422, Abb. 16 f. (81v, 166v); Hans-Walter Stork / Ines Dickmann: Blicke in verborgene Schatzkammern. Mittelalterliche Handschriften und Miniaturen in Hamburger Sammlungen. Hrsg. von Jörn Günther. Hamburg 1998 (Schriften aus dem Antiquariat Dr. Jörn Günther, Hamburg 1), Kat.-Nr. 30, S. 72 f., Abb. S. 73 (80v); Horváth/Stork (2002) Nr. 25, S. 70 f., Abb. S. 71 (1v); Weber (2010) S. 55 f.; Klaus Klein: Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften (Wolfram und Wolfram-Fortsetzer). In: Wolfram von Eschenbach. Ein Handbuch. Hrsg. von Joachim Heinzle. Berlin / Boston 2011, Bd. 2, S. 941–1002, hier S. 974.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XXXII: 1v. Kaiser Karl.

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Taf. XXXII.