KdiH

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52.6.1. Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. O 213

Bearbeitet von Nicola Zotz

KdiH-Band 6

Datierung:

Vor 1509.

Lokalisierung:

Mitteldeutschland.

Besitzgeschichte:

Aus dem Besitz Bruder Bertholds, des Beichtvaters Friedrichs des Weisen. 1547 aus den Beständen der ernestinischen Wettiner nach Weimar in die Residenz gekommen, wo das Gemeinschaftliche Hauptarchiv des Sachsen-Ernestinischen Gesamthauses entstand.

Inhalt:
1r–100v Wittenberger Heiltumsbuch
1r Register der Heiligen, deren Reliquien im Heiltumsbuch versammelt sind; 2r–91r Das Heiltum in Bild und Text; 92r–95r Register der Reliquiartypen; 96r–100v Register der Gänge und des jeweils gewährten Ablasses
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 101 Blätter (Blatt 75a moderne Einfügung), Folio (350 × 230 mm), Kursive, verschiedene Hände, 1r zweispaltige Liste, 2r–91r Beischriften in Breite und Höhe sehr frei, ab 92r Text als einspaltige Liste mit bis zu 30 Zeilen.

Schreibsprache:

mitteldeutsch.

II. Bildausstattung:

82 zum größeren Teil sparsam lavierte Federzeichnungen. Gemeinschaft von mehreren Zeichnern, wohl aus der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä.

Format und Anordnung:

Zunächst wurden Einzelblätter unterschiedlichen Formats (ganz- bis halbseitig) mit einer Zeichnung und einer Beischrift versehen; meistens steht die Beischrift auf der Rückseite, in etlichen Fällen auch neben der Zeichnung. Da die Beischriften in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anfertigung der Zeichnungen angebracht wurden, ist anzunehmen, dass jemand (der Zeichner selbst?) die Informationen von den in den Reliquiaren enthaltenen Zetteln zusammenstellte und sofort auf dem Skizzenblatt notierte. (Anders Bruck [Originalentwürfe] S. 303 und Flügel [1988, beide s. u. Literatur] S. 23–31, die die Zettel für die Entwurfsskizzen der Goldschmiede halten, mit denen diese sich für Aufträge am kurfürstlichen Hof beworben hätten; dagegen spricht vor allem die häufig geringe Größe und Sorgfalt der Blätter.) Anschließend hat man diese Einzelblätter in ein Buch eingeklebt, wobei die bestehenden Buchseiten so beschnitten wurden, dass Vorder- und Rückseite der eingeklebten Seiten lesbar blieben (bei kleinen Formaten, indem man Fenster in die Buchseiten schnitt, bei ganzseitigen, indem sie auf einen Steg aufgeklebt wurden). Dieses Vorgehen führt dazu, dass die Zeichnungen sehr regelmäßig auf den recto-Seiten stehen. Zwei der Zeichnungen sind auf je einer Doppelseite direkt in das Buch angebracht worden ( 18v–19r und 74v–75r).

Bildaufbau und -ausführung:

Die Reliquiare sind ohne Rahmen und nur in seltenen Ausnahmen mit Bezug zum sie umgebenden Raum dargestellt.

Insgesamt überwiegt bei den Darstellungen das Skizzenhafte. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Zeichnern: Neben dem Anspruch einer großen Detailtreue und Gewissenhaftigkeit, die sich insbesondere in der sorgfältigen Herausarbeitung von Hell-Dunkel-Schattierungen durch differenzierte Schraffuren und in bis ins Kleinste liebevoll ausgestalteten Elementen zeigt (so beispielsweise auf 16r, 32r oder 40r), fallen Zeichnungen auf, die durch einen eher schematischen und ungeübten Umgang mit Schraffuren geprägt sind und stark von der Umrisslinie her dominiert werden (vgl. etwa 4r, 14r oder 29r). Wieder andere Zeichnungen legen Zeugnis ab von einer schwungvollen, geübten Hand, die Details oder die genaue Berücksichtigung von Proportionen zugunsten einer zügigen Vorgehensweise und der Konzentration auf das Wesentliche zurückzustellen scheint (so 3r, 25r oder 47r). Manche der Zeichnungen sind von einer Einfachheit, die an die ungeübte Hand eines Lehrlings denken lässt (vgl. etwa 6r, 23r oder 38r). Entsprechend dem Können der verschiedenen Zeichner hat man offenbar auch die Reliquiartypen aufgeteilt, so dass figürliche und handwerklich komplexe Stücke von den geschickteren Künstlern übernommen und einfach strukturierte Kästchen oder Monstranzen den weniger geübten Händen überlassen wurden.

Auch der zurückhaltende und stets pauschal-ungenaue Einsatz der Lavierung steht ganz im Dienste des Skizzenhaften: Die Farbe wird dazu genutzt, dem Formschneider eine bessere Vorstellung vom Material des Darzustellenden zu vermitteln. Raum und Struktur hingegen entstehen nicht durch den Farbauftrag, sondern immer durch die Zeichnung, was der Vorlagenfunktion der Zeichnungen in Hinblick auf die Holzschnitte genau entspricht.

Inwiefern Wirklichkeitsnähe das Ziel der Darstellungen war, lässt sich nur an dem einzigen noch erhaltenen Stück, dem Elisabethglas (47r, das Original ist heute in den Kunstsammlungen der Veste Coburg), nachvollziehen. Für dieses Stück lässt sich eindeutig zeigen, dass die Zeichnung bestrebt ist, die Besonderheiten des tatsächlichen Objekts möglichst genau wiederzugeben: den Fußring mit den quadratischen Einschnitten ebenso wie die Verzierungen des Glases mit Doppelvoluten und Strahlen in verschiedenen Formen. Es ist freilich denkbar, dass nicht alle Zeichner eine gleichermaßen realitätsnahe Wiedergabe anstrebten. Dennoch ist es auffällig, dass etliche Zeichnungen auch Stilmerkmale früherer Epochen recht genau einfangen ( Cárdenas [2013a] S. 168–171), woraus man schließen kann, dass das Ideal der Wirklichkeitsnähe stärker war als das, die Stücke möglichst modern oder an der eigenen Erfahrungswelt ausgerichtet darzustellen. Dies ist insbesondere auffällig im Vergleich zu Cranachs Holzschnitten, die auf diesen Zeichnungen basierten (siehe 52.6.a. und 52.6.b.).

Bildthemen:

Das Heiltum ist in sieben Gänge eingeteilt. Im Unterschied zu den gedruckten Ausgaben des Heiltumsbuchs (52.6.a. und 52.6.b.) sind die Gänge noch nicht hierarchisch nach Heiligen geordnet.

Die Beischriften bezeichnen in der Regel das Material und die Form des Reliquiars und zählen die enthaltenen Partikel der jeweiligen Heiligen auf. In seltenen Fällen fallen die Angaben zum Reliquiar weg, nie aber die zu den enthaltenen Partikeln. Da den Zeichnungen die enthaltenen Partikel nicht zu entnehmen sind, haben die Beischriften die Funktion, diese nicht sichtbaren, aber das Wesen der Reliquie ausmachenden Informationen zu liefern. Die Angabe von Material und Typus des Reliquiars erfolgte wohl in Hinblick auf den Druck, dessen Beischriften, wenn sie auch neu formuliert wurden, mit denselben Informationen aufwarten. Die Prächtigkeit und der Wert der Reliquiare gehören in diesem Heiltumsbuch fast so selbstverständlich zum Informationsgehalt wie die Angabe der Reliquien selbst.

Farben:

wässriges Gelb oder Beige.

Literatur:

Robert Bruck: Friedrich der Weise als Förderer der Kunst. Straßburg 1903 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 45), bes. S. 214–218, 303–307, Taf. 37–40 (68r, 10r, 41r, 51r, 45r, 1r); ders.: Die Originalentwürfe zu den Wittenberger Heiltümern. Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft 3 (1903), S. 301–304, Abb. 1–4 (37r, 63r, 59r, 8r); Katharina Flügel: Das Weimarer Skizzenbuch zum Wittenberger Heiligtum. Die Zeichnungen der Reliquienstatuetten und einige Bemerkungen zur Kunst in Sachsen unter Friedrich dem Weisen. [Diss. masch.] Leipzig 1988; Cárdenas (2002) Abb. 50 (39r); Cárdenas (2013a) S. 168–176, Abb. 95 (45r), 97 (29r), 99 (53r); Cárdenas (2013b) Abb. 12 (47r), 14 (31r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 52.8: 3r. Georgsreliquiar.

Abb. 52.10: 32r. Margarethareliquiar.

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Abb. 52.8.
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Abb. 52.10.