KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

45.6.1. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. hist. 4º 584

Bearbeitet von Peter Schmidt

KdiH-Band 6

Datierung:

Anfang 16. Jahrhundert (Teile 1487, 1656).

Lokalisierung:

Weingarten oder Konstanz?

Besitzgeschichte:

Klosterbibliothek Weingarten: Auf 1v deren Signatur G. 30, unter dieser auch verzeichnet nach der alten Bibliothekssystematik bei Löffler (siehe unten Literatur) S. 105; auf dem erneuerten Rücken klebt jedoch ein altes Weingartener Signaturenschildchen G 25, eine Leerstelle in Löfflers Katalog. Im vorliegenden Band sind also zwei ursprünglich selbständige Einheiten zusammengefügt worden: Die heute letzte Lage (60–67 mit den Texten 3 und 4) gehörten nicht zu einer Bindeeinheit mit den Texten 1 und 2 (59v finden sich Leimreste und Spuren eines Lederumschlags – dort also endete einst der erste Band (G 30). Auffällig ist, dass sich auf Blatt 60r der Signaturstempel der Koninklijken Bibliotheek Den Haag wiederholt, der auch schon auf 2r angebracht war (eine ältere Signatur Y 420 (1099) auf 1v lässt sich nicht zuordnen). Die Beschreibung von Arnoldi (siehe unten: Literatur) bestätigt den Befund, wonach die beiden Teile vermutlich zunächst getrennt in die Koninklijke Bibliotheek kamen, dort jedoch bereits – nach Ausweis der gemeinsamen Signatur – gemeinsam aufbewahrt wurden. Nach Den Haag gelangten sie vermutlich, nachdem Wilhelm-Friedrich von Oranien-Nassau, der die Weingartner Handschriften nach der Aufhebung des Klosters 1803 zunächst in seine Residenzstadt Fulda beordert hatte, 1815 König der Niederlande wurde. Nach der Erwerbung durch die Landesbibliothek in Stuttgart 1944 wurde die Handschrift 1956 neu gebunden und foliiert.

Inhalt:
1. 7v–48v Reihe welfischer und staufischer Fürstenbildnisse mit biographischen Erläuterungen

Titel 7v: Diß nachgemalte sind die stiffter des hailigen römischen reichs gotzhaus Wingarten

2. 49r–59r Texte zur Geschichte des Heiligen Blutes von Weingarten, lateinisch

49r–53v ›Inclitus martyr‹, 53v–55v ›Tempore quo‹, 55v–57v ›Ea tempestate‹, 57v–58r ›De translatione‹, 58v–59r ›Sancrosancte Dominice‹

3. 61r–64r Altäre der Klosterkirche (Weihen, Reliquien)
4. 64r–65r Altäre der Klosterkirche, jüngere Nachträge (1656)
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 67 Blätter (das heutige Blatt 1 ehemals Deckelspiegel), 265 × 170 mm (Blatt 1–59), 250 × 180 (Blatt 60–67), Text 1 in anspruchsvoller humanistischer Übergangsschrift, die Tituli der Bilder noch stärker an einer Minuskel des 12. Jahrhunderts orientiert als der Haupttext (zur Schrift dieses Codex siehe Johan Peter Gumbert: Italienische Schrift – humanistische Schrift – Humanistenschrift. In: Renaissance- und Humanistenschriften. Hrsg. von Johanne Autenrieth. München 1988 [Schriften des Historischen Kollegs – Kolloquien 13], S. 63-70, hier S. 68), Text 2 Minuskel, Text 3 Bastarda, einspaltig, zwei bis 32 Zeilen, datiert 1487.

Schreibsprache:

alemannisch.

II. Bildausstattung:

41 ganzseitige Bildnisse von meist stehend, nur die ersten drei thronend dargestellten Herrschern und Herrschergattinnen: 8r, 9v, 10r, 11v, 12r, 13r, 14v, 15r, 16r, 17r, 18v, 19r, 20r, 21v, 22r, 23r, 24r, 25v, 26r, 27r, 28v, 29r, 30r, 31r, 32r, 33v, 34r, 35r, 36r, 37r, 38r, 39v, 40r, 41r, 42r, 43r, 44r, 45r, 46r, 47r, 48r. Deckfarbenmalerei von einer Hand.

Format und Anordnung:

Für jede Person ist eine ganze Bild- und eine Textseite vorgesehen, wobei letztere jeweils eine Beschreibung mit Kurzcharakteristik etwa bedeutender Taten von stark schwankender Länge bietet (2 bis 19 Zeilen, auf 2v, 19v, 29v, 34v, 36v und 37v fehlte offenkundig jede Information, die Seiten bleiben leer). Die Bildnisse von Ehepartnern wurden nach Möglichkeit auf einer Doppelseite gegenübergestellt. In diesen Fällen geht die zugehörige Textseite dem auf der Versoseite befindlichen Bild auf der Rectoseite voraus, seinem Pendant folgt die Beschreibung auf der Versoseite nach. Um alle textlichen und bildlichen Informationen über ein Paar zu erhalten, muss also zweimal umgeblättert werden. Da auch einige Herrscher ohne Partner auftauchen und konsequent ohne Pendant auf Rectoseiten präsentiert werden, war ein regelmäßiger Rhythmus von bebilderten Doppelseiten nicht realisierbar.

Bildaufbau und -ausführung:

Der architektonische Aufbau aller Bildseiten ist gleich angelegt, in den Detailformen jedoch raffiniert variiert. Die Personen stehen stets auf Rasengrund – zu ihren Füßen ihr Wappenschild – in einem Rahmen, der ein üppig ornamentiertes Relief mit blauem Grund und goldenen Einfassungen imitiert und dessen Binnenflächen teils mit spätgotischen Maßwerkmustern, teils mit antikisierenden Grotesken gefüllt sind. Vorbildern der italienischen Renaissanceornamentik folgen auch die Girlandenpaare, die über den meisten Personen hängen, teils durch ähnlich angeordnete Fabelwesen oder Blattmasken ersetzt. Vor dem breiten Feld am unteren Rand des Rahmen jeweils eine Kartusche, oft von Tieren oder Putten von beiden Seiten gespannt, die einen zwei- bis vierzeiligen Titulus mit dem Namen der Person und manchmal einer knappen Charakterisierung enthält.

Gemalt in sehr kräftigen, leuchtenden Deckfarben, die durch Abmischungen in einem weiten Spektrum sehr fein schattiert sind. Höhungen in Weiß, in hellen Ausmischungen der Grundfarbe sowie in Pinselgold tragen zusätzlich zur plastischen Differenzierung und zu einer reichen Oberflächenwirkung bei. Die Konturen sind in feinen schwarzen Pinselstrichen gezogen. Wappen, Metallteile der Kleidung, Waffen und Rüstungen sind in Blattgold und -silber auf roter Grundierung angelegt. Diese Metallauflagen sind oft noch mit Weißhöhungen oder schwarzen Schraffuren strukturiert, auch wurde Muschelgold auf Silberflächen mit diesem Zweck aufgebracht.

Die teils altertümlichen Formen, die sich sowohl im Figurenstil als auch in den Kostümformen finden, ziehen sich nicht konsequent genug durch die ganze Bildfolge, um als bewusstes historistisches Konzept einer bildlichen Betonung von altehrwürdiger Tradition gedeutet zu werden. Vielmehr scheint eine Sammlung von älteren Herrscherdarstellungen vorgelegen zu haben, aus der sich der Buchmaler bedienen konnte. Auffallend ist die Häufung von Zaddelgewändern, die charakteristisch für das späte 14. bis frühe 15. Jahrhundert sind. Ob man daraus einen vollständigen genealogischen Zyklus dieser Zeit rekonstruieren kann, der verloren ist, hier aber einen späten Widerhall findet, muss offen bleiben. Schwierig bleibt auch die Bestimmung des Herstellungsortes. Dass die Konzeption eines solchen Programms nur in Weingarten zu denken ist, steht außer Zweifel. Eine Buchmalerwerkstatt existierte dort zu jener Zeit jedoch nicht mehr. Bernd Konrad (Buchmalerei im Bodenseeraum [1997]) hat auf die Nähe zu den Arbeiten des Konstanzer Malers Andreas Haider hingewiesen. Die Ausführung zumindest der Malerei in einem städtischen Atelier ist wahrscheinlich.

Bildthemen:

Der Fürstenreihe vorangestellt ist eine Darstellung des thronenden Kaisers Maximilian I. mit Bügelkrone, Sphaira und Schwert. Sie dürfte zunächst als Referenz an den aktuellen Herrscher zu verstehen sein; der Vorschlag von Rudolf (2008), sie als Kommentar zum habsburgischen Begehren jener Zeit, die Reichsabtei Weingarten zu mediatisieren, zu lesen, bleibt hinsichtlich der Funktion des Herrscherbildes in einem solchen Kontext unklar. Die eigentliche Welfengenealogie beginnt 9v mit dem Bild der sagenhaften Tochter Catilinas, von welcher der Text auf der vorausgehenden Seite den Namen des Geschlechts ableitet. Ihr folgt auf 10r Welf I., dessen trojanische Wurzeln auf der Kartusche hervorgehoben werden. Die Reihe dieses Geschlechts endet mit Welf VII. Als dieser 1167 gestorben war, hatte sein Vater die welfischen Hausgüter in Schwaben an Friedrich Barbarossa vermacht. Deshalb endet hier die Welfenreihe; es folgt eine siebenteilige Serie ihrer Nachfolger als Territorialherren, wobei gleichsam als Scharnier die negativ konnotierte Figur Leopolds steht (als Markgraf von Österreich Leopold IV., seit 1139 Herzog von Bayern), der – wie der Text ausführt – vil krieg gehebt hat mit den Gwelffen (42r). Ihm folgt Friedrich Barbarossa (43r), der als Wohltäter des Klosters Weingarten beschrieben wird und die Reihe der sechs Stauferkönige und -kaiser einleitet. Nach Heinrich VI., Philipp von Schwaben, Friedrich II., Heinrich VII. endet diese mit dem letzten Stauferkönig Konrad IV. (48r).

Farben:

Blau, Grün, Rot, Rosa, Inkarnat, Gelb, Ocker, Grau, Schwarz, Weiß, Braun, Violett, Blattgold und -silber, Pinselgold.

Literatur:

Johannes von Arnoldi: Beschreibung eines codex picturatus der Königlich-Niederländischen Bibliothek in Haag, betitelt: Historia Guelphica cum iconibus. In fine Historia S. Sanguinis. Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde 3 (1821), S. 37–47; Karl Löffler: Die Handschriften des Klosters Weingarten. Leipzig 1912 (Beihefte zum Zentralblatt für Bibliothekswesen 41), S. 105; Irtenkauf (1985) S. 78 Nr. 33, S. 101; Norbert Kruse: Die historischen Heilig-Blut-Schriften der Weingartener Klostertradition. In: 900 Jahre Heilig-Blut-Verehrung (1994) S. 78; Buchmalerei im Bodenseeraum (1997) S. 326 Nr. KO 90 (Bernd Konrad); Graf (2001) S. 209; Rudolf (2008); Kruppa (2008) S. 258–264.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 45.VIII: 15r. Beata von Hohenwart.

45.6.1._Taf._45.IX.jpg
Taf. 45.IX.