85.8.1. St. Petersburg, Rossijskaja Natsionalnaja Biblioteka, O.v.XIV.1
Bearbeitet von Isabel von Bredow-Klaus
KdiH-Band 9
Um 1400.
Köln/Niederrhein.
Auftraggeberin oder eine frühe Besitzerin war Margarete von Berg (vor 1357–1425; ihr Wappen und das ihres Ehemannes Adolf von Kleve auf 39v und 40r sowie die Helmzier 57r können auch später auf dem Rand eingemalt worden sein). Im 17. Jahrhundert befand sich die Handschrift im Jesuitenkolleg Münster (1r), später im Besitz Peter Dubrowskys (1v), bevor sie ca. 1806 nach St. Petersburg gelangte.
Bruder Hans, ›Marienlieder‹ |
Pergament, 141 Blätter, Duodez (Angaben nach
Die nachträgliche Einordnung von Bl. 68 von der Hand des ersten Teils belegt nach
niederrheinisch.
Eine Miniatur (39v), eine zwölfzeilige historisierte Initiale (75r), zwei Randminiaturen (1r, 5r).
Die Miniatur auf 39v ganzseitig, die Randminiatur auf 1r oberhalb der Initiale, die auf 5r oberhalb der rechten Bordüre.
Die ganzseitige Miniatur ist gerahmt von einer breiten Leiste, die aufwendig außen orange, innen rot gefärbt und mit Zickzackband belegt ist.
Maria sitzt leicht nach rechts gewandt auf einer kleinen Treppenstufe vor einem goldenen Quadratmustergrund. Ihr weiter zweifarbiger Mantel in Grün und Weiß fällt in großen Wellen weit über den Rahmen der Miniatur hinaus. Anstelle eines Schleiers hat Maria den Kragen ihres Mantels bis über die Ohren hochgezogen. Die Gesichter sind sehr zart und fein gezeichnet, besitzen aber keine individuellen Merkmale. Marias Körperformen sind unter dem Gewand nicht auszumachen, sie hält den Kopf elegant geneigt und schaut das Kind auf ihrem Schoß an, das sich etwas zu ihr hochreckt. Zwei Engel krönen die Gottesmutter. Der Maler benutzt zur Modellierung weiß glänzende Höhungen und für den Faltenwurf des Stoffes farbliche Abtönungen.
Die Textanfänge sind unterschiedlich aufwendig verziert. Während die Textanfänge des zweiten Faszikels lediglich Perlstabfleuronné oder kleine Federranken tragen, sind die Gesänge Nr. 2 (Genealogie) und Nr. 3 (Ave) des ersten Faszikels an zwei (5r) bzw. drei (22r) Seiten versehen mit einem Bordürenstab, aus dem Dornblattranken wachsen. Diese französischen Ranken mit den charakteristischen sternförmigen, spitzen Dornblättern kommen auch in den Petites heures des Duc de Berry aus den 1380er Jahren (Paris, ms. lat. 18014) und vor allem im Werk André Beauneveus (z. B. im Psalter für den Duc de Berry, Paris, ms. fr. 13091) vor. Dort finden sich fast identische Initialen-, Rahmen- und Rankengestaltungen, während im selben Psalter von der Hand seines Werkstattkollegen Jacquemart de Hesdin der auffallende Quadratmustergrund der Initialen und der Miniatur auf mehreren Seiten der Petersburger Handschrift ins Auge fällt (1r, 22r, 40r, 57r). Eine Herstellung unter dem Einfluss der Werkstatt, die für den Duc de Berry arbeitete, liegt folglich nahe.
Der zweite Faszikel mit den Marienliedern 4 bis 7 wird mit der Madonnenminiatur eingeleitet. Diese Miniatur zeigt einen unmittelbaren, aber dennoch allgemeinen Bezug zur folgenden Marien genaat, die die Begründung der Menschwerdung Christi und die Zeit der Verkündigung an Maria bis zur Heimsuchung zum Thema hat.
Der 5. Gesang ist mit einer historisierten Initiale versehen, die jedoch so abgegriffen ist, dass ihre Thematik nur erahnt werden kann. Offenbar sitzen drei Engel (?) im Halbkreis, von denen der mittlere aus einer Schriftrolle liest. Thema des Gesanges sind die Freuden im Paradies.
Die Darstellung von Christi Gebet am Ölberg oberhalb der Initiale zur einleitenden Glosse über das Ave Maria 1r (auch: 1. Gesang) erschließt sich nicht inhaltlich. Ein musizierender Engel auf der Randleiste dagegen mag als allgemeiner Hinweis auf die an der Stelle beginnenden eigentlichen Gesänge dienen (5r). Nur die vier Lieder in diesem zweiten Faszikel tragen Überschriften (Marien genaat, Marien staat, Marien danz, Marien glanz). Der 4. Gesang beginnt als einziger mit einer Einleitung zum Thema und wird zudem von einer Miniatur eingeleitet, was darauf hindeutet, dass dieser den Anfang des Werkes darstellte. Der 6. Gesang endet mit einer Schlussformel. Vermutlich waren diese drei Gesänge ursprünglich geplant, an die der 7. Gesang angefügt wurde, der mit einer weiteren Schlussformel mit Fürbitte endet. Dieser Faszikel stellt nach
Gold, Rot, Grün, Weiß, Beige, Braun, Violett.