KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

22.3.1. Granada, Biblioteca Universitaria, Cod. C-67

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 3

Datierung:

Um 1440 (Suckale, Regensburger Buchmalerei [1978]: um 1445).

Lokalisierung:

Wien – Bayern.

Besitzgeschichte:

Möglicherweise für Friedrich III. von Habsburg, seit 1440 deutscher König, angefertigt. Nach Ziegler (1988) vermutlich im 17. Jahrhundert aus dem Jesuitenkolleg in Graz in das Kolleg San Pablo de los Padres de la Compania de Jesus in Granada gekommen.

Inhalt:
1. 1r–81rb Thomas von Cantimpré, ›De natura rerum‹, Kap. III, Ende, bis IX
mit Einschub des Traktats ›De falconibus‹ von Teodorico Borgognoni 41v–42v beim Buchstaben F
2. 82r–116v Kompilation aus ›Tacuinum sanitatis‹ und Thomas von Cantimpré, ›De natura rerum‹, Kap. X–XII
Auszüge aus dem ›Tacuinum sanitatis 82r–88v, 99r, 103v–112v; Auszüge aus ›De natura rerum‹, Kap. X 89r–95r, 99r–v; Kap. XI 96v–98v, 100r–103v; Kap. XII 113r–116r
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, 116 Blätter, 455 × 345 mm, Textura, eine Haupthand, eine zweite Hand schreibt neun Zeilen auf Blatt 81rb. Nach Ziegler (1988) S. 81 ist sie identisch mit der des ›Trojanerkrieges‹ (Wien, Cod. 2773), ebenso ist der Rubrikator in beiden Codices derselbe; Marginalien von einer Bastardahand der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. 1r–2r, 82r–116v einspaltig, 2v–81r zweispaltig (anfangs mit einspaltigen Passagen: 6r–v, 8r oben, 9v), die Register dreispaltig, 50 Zeilen, rote Strichel, Unterstreichungen, Caput-Zeichen, bei neuen Absätzen abwechselnd rote und blaue Lombarden über zwei oder drei Zeilen. Ober- und Unterlängen in Anfangs- und Endzeilen einer Seite, auch Reklamanten (40v) mehrfach cadellenartig kalligraphiert, gelegentlich auch mit Profilfratzen in Federzeichnung ornamentiert (40v, 49v). Lateinisch, Mundart der Marginalien: mittelniedersächsisch.

II. Bildausstattung:

611 Deckfarbenminiaturen; fünf Textillustrationen zu Kap. III; Initialen 2vb, 7ra und 7va sowie in Textillustrationen zu Kap. IV; Initiale 32rb, Vorzeichnung einer Initiale 41va, 120 Textillustrationen zu Kap. V; Initiale 54ra und 50 Textillustrationen zu Kap. VI; Initiale 61va und 90 Textillustrationen zu Kap. VII; Initiale 70va und 42 Textillustrationen zu Kap. VIII; Initiale 75rb und 61 Textillustrationen zu Kap. IX; figürliche Initiale 82ra und 132 Textillustrationen zur ›Tacuinum sanitatis‹/›De natura rerum‹-Kompilation. Ausführung von Martinus Opifex und Werkstattmitgliedern (nach Ziegler [1988] u. a. der Peutinger Gebetbuchmeister).

Format und Anordnung:

Bei einspaltiger Textanordnung schriftspiegelbreite, knapp halbseitige querrechteckige Bilder (1r–2r: 143–152 × 218–220 mm, 82r–116r: 110–166 × 195–222 mm), dem Bezugstext stets vorausgehend, meist zu zweit auf einer Seite. Bei zweispaltiger Textanordnung anfangs meist in Spaltenbreite oder über eineinhalb Spalten reichend (107–135 × 103–192 mm), ab 11ra kleiner, fast initialenartig am Absatzbeginn stehend, dabei jedoch rechtsbündig in die Textspalte eingerückt, nur noch ausnahmsweise die Breite einer ganzen Spalte einnehmend (37–70 [selten bis zu 90] × 50–105 mm). Bis Blatt 10r Rahmung der Bilder durch kräftigen roten Pinselstrich, 11r–116r Einfassung durch schwarzen Federstrich. Bei den kleinen Bildern oft Einrückungen für in den vorgesehenen Bildraum hineinragende Textzeilenenden, bei den letzten Spaltenbildern (ab 80r) fehlt meist die untere Einfassungslinie.

Bildaufbau und -ausführung, Bildthemen:

Zwei Bildtypen, großformatige Szenenbilder und kleinformatige Einzelporträts von Tieren. Dabei setzt sich der Bruch in Texteinrichtung und Text-Bildanordnung (ab 11r ausschießlich zweispaltig mit höchstens spaltenbreiten Bildern) in den Bildthemen fort: Bis Blatt 10r werden auch die Vierbeiner in szenischen Handlungsbildern (mit Menschen) vorgestellt, danach gibt es nur noch kleine Einzeldarstellungen, die somit den Hauptanteil des Bildprogramms bilden.

Vierbeiner (Kap. IV: 11r–31v) werden stereotyp im Profil, in nahezu ausschließlich nach rechts aufschauender Haltung vor leicht ansteigendem grünem oder beige-grauem, pointillistisch in dunklerer Abtönung gestrichelten Gelände dargestellt, Vögel (Kap. V: 31v–54r), Meeresungeheuer (Kap. VI: 54r–61r) und Fische (Kap. VII: 61r–70r) sind meist nach links gewandt. Vögel auf meist grauen, hellockerfarbenen oder grünen gestrichelten Bodenstücken, manchmal auch im Wasser stehend, selten in der Luft fliegend; die Meerestiere und Fische in transparentem, nach oben dunkler werdenden Grautönen laviertem Wasser, aufgelegt sind schwarze und weiße Linien für Wellen, gelegentlich weiße Pinseltupfer für Schaumkronen. Die Meerestiere selbst sind genauso laviert wie das Wasser. Schlangen (Kap. VIII: 70r–75r) und Insekten (Kap. IX: 75r–81r) auf transparenten, nach oben zum Horizont hin bläulich, z. T. rotbläulich, bei den Insekten auch sandfarben lavierten Bodenausschnitten. Auffallend: Schlangen und größere Insekten werfen stets deutliche Schatten. Kleinere Insekten sind meist in Gruppen von drei bis vier Tieren dargestellt.

Ein kräftiger schwarzer Federstrich teilt als Horizontlinie das Bild deutlich in zwei horizontale Zonen. Der Horizont liegt besonders bei den Darstellungen der Meerestiere sehr hoch, so daß hier kaum Platz für den Hintergrund bleibt. Dieser ist stets mit flächigem Farbauftrag gefüllt (violettrot, gelblichgrün, blau, selten auch gelb) und mit Pinselgold-Federwerk (Ranken, selten auch Rauten) ornamentiert. Nur bei den Vögeln gibt es statt des Ornamenthintergrundes gelegentlich realistisch kolorierten Himmel. Bis auf die kargen Bodenstücke fehlt jegliche Kulissenausstattung, lediglich bei den Vierbeinern finden sich ausnahmsweise durch baumbestandene helle Felsen belebte Bilder (11rb Chimera, 27va Simia).

Größeren kompositorischen Spielraum erlauben die großformatigen Bilder (1r–10r, 82r–116r), auf denen Figurenensembles im Vordergrund einer bühnenhaft aufgeklappten Bildfläche agieren. Die fünf erhaltenen Bilder zum fragmentarischen Kapitel III (1r–2v) zeigen die Wundermenschen in gängiger Ikonographie, jedoch eingebettet in eine Landschaftskulisse, 2r (›Colosus‹) mit zwei Begleitfiguren, die den Anblick des schlafend im Wasser liegenden Riesen zu diskutieren scheinen. Die ersten Bilder zu den Säugetieren (Kap. IV: 2v–10v) nehmen in szenischer Ausmalung eines oder mehrere der Charakteristica des jeweiligen Tieres aus dem Text auf (z. B. 9ra ›Castores‹: ein Biber wird von Jägern getötet; zwei weitere ziehen einen dritten auf dem Rücken liegenden und mit Holz beladenen am Schwanz weg; 9vb ›Cana‹: ein Luchs wird von einem Reiter mit Gefolge, der sich einer Stadt nähert, wie ein Hund am Halsband geführt). Die Darstellungen zur ›Tacuinum sanitatis‹-Kompilation (über Bäume und Kräuter) stimmen in ihrer Einordnung in den Text und in der Wahl der Hauptthemen v. a. mit der älteren Überlieferung des ›Tacuinum sanitatis‹ überein: Großformatige Bilder sind wenigen Textzeilen vorangestellt, in den Bildern dominiert die Darstellung der im Text besprochenen Pflanze, hinzu treten meist weibliche Figuren oder Paare beim Pflanzen, Ernten oder Gebrauch der Kräuter, Blätter und Früchte. Daneben wird die Abbildung der Pflanze auch ergänzt durch Begleitfiguren, auf die im Text erläuternd (z. B. 89r zu ›Abies‹ eine Köhlerszene, 93v zu ›Larex‹ eine Zimmermannsszene, 94v zu ›Morus‹ die Darstellung eines Schiffsbaus) oder anekdotisch verwiesen wird (94v unten zu ›Thimus‹ Salomo empfängt die Königin von Saba mit Gefolge, 99v zu ›Arbores solis et lune‹ Alexander der Große mit Gefolge, vgl. auch 90r zu ›Ariana‹ Alexander mit Gefolge), oder die mit dem Text nur sehr locker (z. B. 99r unten zu ›Arbores edon id est voluptatis‹ Adam und Eva mit dem Apfel im Paradies) oder gar nicht vernetzt sind: erotische Szenen (z. B. 87r, 87v, 88r, 90r, 98v, 110r, 113r) und Szenen höfischen Lebens (88v Brettspiel, 89r Versteckspiel, 93r und 113v Falkenjagd).

Gegenüber den stereotyp, manchmal auch dilettantisch gezeichneten Tieren sind Menschen sehr geschickt konzipiert, mit bewegter Mimik und Gestik in abwechslungsreichen Konstellationen gruppiert. Vor allem in den Arbeitsszenen Menschen in deutlicher, oft extremer Aufsicht, daher übergroß wirkende Köpfe und optische Verkürzungen der Beine. In den höfischen Szenen schlanke, in der für Martinus Opifex charakteristischen puppenhaften Weise gestaltete Figuren mit ovalen, blassen Gesichtern, die mit nur wenig Rosa oder Ocker modelliert sind; auch die schmalen Münder sind mit blassem Rot kaum akzentuiert. Sehr variantenreich und phantasievoll gewählte Gewänder, die Kleider stoßen in voluminösen, wulstigen, weich modellierten Falten breit am Boden auf. Breite Ausgestaltung modischer Details (Brokatgewänder, kunstvoll ondulierte Haartrachten u. ä.). Die höfischen Paare tragen vereinzelt Spruchbänder, darauf recht anzügliche Bemerkungen in bairisch-österreichischer Mundart (110r mit arabischen oder dem Arabischen nachempfundenen Schriftzügen).

Standfläche der Figuren bilden meist grüne Bodenstücke mit heller gelblich getönten Grasbüscheln und Kräutern oder mit pointillistisch aufgetragenen Stricheln versehen. Baumgruppen haben eine zusammenhängende, flächig dunkelgrün kolorierte Krone, von der sich stets anders geformte Blätter in heller Farbgebung kontrastreich abheben; braune, schlanke Stämme mit unter der Krone sich verzweigenden Ästen, Modellierung durch Deckweißhöhungen. Auch die großformatigen Bilder haben meist farbigen, in gold ornamentierten Hintergrund, gelegentlich stattdessen auch Goldgrund, selten dagegen ein natürlicher Himmel über dem Horizont. Die aufgeklappte Bildbühne bietet manchmal jedoch Raum für weite Landschaftskulissen.

Für das ›Tacuinum sanitatis‹ sieht Suckale (Regensburger Buchmalerei [1987] S. 108) Ähnlichkeiten zum Wiener Cod. ser. nov. 2644, der aber keinesfalls die Vorlage ist. Initialen auf Blattgoldgrund, Buchstabenkörper in Blattrankenornamentik, Binnenfeld in Camaieu, Rankenausläufer. 82r mit figuraler Füllung: Autor mit Schriftrolle und Schreibwerkzeug am Schreibpult mit Buch. Der Bildzyklus gilt als früheste Wiener Arbeit des Martinus Opifex.

Farben:

Intensiv deckende Töne wie Weinrot, Leuchtendgelb, Blau, Grün, neben matten transparent wirkenden Tönen wie Sandfarben, Altrosa, Grau, Braun in Ausmischungen. Daneben Pinsel- und Blattgold, Deckweiß und Schwarz. Faksimile: Luis Garcia Ballester: De natura rerum (liber IV–XII) por Tomás de C. Tacuinum sanitatis. Codice C. 67 (fols 2v–116r) della Biblioteca Universitaria de Granada [zwei Bände]. Granada 1974 (mit Hinweisen auf ältere spanische Literatur).

Literatur:

Datos referentes à la Biblioteca universitaria de Granada. Revista de archivos, bibliotecas y museos. Tomo VII. Madrid 1877, S. 287. – Exposición Histórico Europea. 1892 á 1893. Catálogo General. Madrid 1893 [ohne Seitenzahlen]. Sala X. Biblioteca Universitaria de Granada. 227; Paul Durrieu: Manuscrits d’Espagne remarcables par leurs peintures ou par la beauté de leur execution d’après des notes prises, à Madrid, à l’xposition Historique pour le quatrième centenaire du Colomb, et complétées à la Biblioteca nacional et à la Bibliothèque de l’Escurial. Bibliothèque de l’Ecole de Chartres 54 (1893), S. 72; Diego Marin: Exposición de Arte Histórico. Granada. Museum 2 (1912), S. 262, Abb. S. 251; Friedrich Winkler: Kunstchronik. Einige Niederländische und Deutsche Werke des 15. und 16. Jahrhunderts auf der Ausstellung 1912 in Granada. Zeitschrift für bildende Kunst 24 (1913), Sp. 99–102, hier Sp. 102; L’Art en Espagne. Guíde du Musée du Palais National. Troisième édition, révisée par le Dr. D. Manuel Gomez-Moreno: Barcelona 1929 (Exposition International de Barcelone 1929), S. 248 (salle XVIII, Nr. 3395), Abb. bei S. 269 (114v); August L. Mayer: Eine österreichische Miniaturhandschrift in Granada. Belvedere 1929, S. 423–424, Abb. 15 (82vb). 16 (84ra); Betty Kurth: Eine Bilderhandschrift des österreichischen Miniaturmalers Martinus Opifex in Spanien. Belvedere 1931, S. 18–19, Abb. 16/1 (9vb). 17/1 (94v unten). 18/1 (99r unten); Stange 11 (1961) S. 39, Abb. 76; Gotik in Österreich (1967), S. 158. 163, Nr. 100; Regensburger Buchmalerei (1987) S. 108, Nr. 98, Taf. 167 (84v); Ziegler (1988) S. 8, 50–57, 84–90 u. ö., Abb. 33 (82r). 34 (94r). 35 (111r). 37 (110v). 37a (1r). 38 (87v). 46 (65v). 47 (27v), Taf. 1 (88r). 2 (93r). 3 (99r). 4 (99v). 5 (105v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. VIa: 1v. Monströse Menschen.

Taf. VIb: 2r. Riese.

Taf. VII: 94v. Bau der Arche Noah; Salomo empfängt die Königin von Saba.

22.3.1._Taf._IVa.jpg
Taf. IVa.
22.3.1._Taf._IVb.jpg
Taf. IVb.
22.3.1._Taf._VII.jpg
Taf. VII.