KdiH

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63.3.7. St. Gallen, Stiftsarchiv, Cod. Fab. XVI

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

2. Viertel 15. Jahrhundert.

Lokalisierung:

Oberrhein(?).

Besitzgeschichte:

Im vorderen und hinteren Einbanddeckel sowie 1r und 122v diverse Benutzereinträge (Sprichwörter u. a.), Einträge 122v und hinterer Einbanddeckel weisen nach Neuchâtel, als Auctor huius operis nennt sich ein Mönch Valentinus aus Surrburg (Surbourg im Elsass). Eine weitere Notiz erwähnt den Eintritt (desselben Mönchs?) in ein Kloster Celle Marie im Jahr [14]66. Seit ungefähr dem 17. Jahrhundert (Besitzeintrag 3r) bis zur Aufhebung 1838 im Kloster Pfäfers.

Inhalt:
1. 3ra–107va Jean de Mandeville, ›Reisen‹, deutsch von Otto von Diemeringen
2. 107vb–120r ›Antichrist-Bildertext‹
107vb–118r Vom Antichrist
118r–119r Die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht
119v–120r Vom Jüngsten Gericht
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 123 Blätter (neuzeitliche Foliierung, vor Blatt 3 mindestens zwei Blätter herausgeschnitten, 108 leicht defekt, 109 zu drei Viertel herausgerissen; Wasserzeichen siehe Romain [2002]), 295 × 215 mm, zweispaltig (116r unten bis 118r, 119v–120r einspaltig), 25–34 Zeilen (anfangs dichter, später lockerer), kursive Bastarda, ein Schreiber, rote Strichel, Lombarden über zwei bis drei Zeilen.

Schreibsprache:

niederalemannisch.

II. Bildausstattung:

152 kolorierte Federzeichnungen zu Text 1, 57 erhaltene (von 63) zu Text 2 (ausgerissen 108rb [eine Zeichnung], 109rb [zwei Zeichnungen], 109vb [drei Zeichnungen weitgehend]). Eine Hand.

Format und Anordnung:

In Text 2 ungerahmte Zeichnungen zwischen dem Text. Zunächst nahezu quadratische Einzelbilder, meist als vertikaler Streifen von drei Bildern stets in der rechten Spalte, nicht immer präzise dem abschnittweise in der linken Spalte gegenüberstehenden Text zugeordnet (ohne horizontale Gliederung der Seiten); einzelne Bilder auf die Randstege, gelegentlich auch in die linke Spalte ausgreifend, 108va (das erste Bild zum Antichrist) ausnahmsweise selbst in der linken Spalte. Ab Blatt 112 wird das Konzept aufgegeben, die dem anfänglich realisierten Text-Bild-System widersprechende Anordnung von Text und Bild auf 112r–v ist vielleicht einem Irrtum des Schreibers zuzuschreiben: Statt nach 112ra mit dem Text auf 112va fortzufahren, hat er die eigentlich als Bildleiste vorgesehene Spalte 112rb benutzt, es folgen 112v zwei querrechteckige Bilder über die gesamte Breite des Schriftspiegels lediglich zu den beiden letzten Textabsätzen von 112rb; damit bleiben einige Szenen ohne Bild. Ab 114v vollends unregelmäßige Text-Bild-Zuordnung, nachdem die Episode von der Bezeichnung der Mohren (die eigentlich auf 114rb hätte platziert werden müssen) in Text und Bild erst 114vb nachgeholt wird. Textabsätze wie Bilder sind nun nicht mehr einer festen Spalte zugeordnet, können auch über beide Spalten reichen, erneut bleiben einzelne Absätze ohne Bild (115v Frohlocken über die Ermordung der Propheten, 116r Antichrist prophezeit seinen Tod) oder werden mit einem gemeinsamen Bild versehen (117r Antichrist kündigt seine Himmelfahrt an / Antichrist wird von Erzengel Michael erschlagen). Fünfzehn Zeichen: 118r einspaltige Textseite, mit dem 1. Zeichen wird der Text-Bild-Verlauf zweispaltig weitergeführt; 118ra–119rb pro Spalte bis zu vier spaltenbreite Bildchen unterschiedlicher Höhe zwischen dem Text, stets im Anschluss an den Bezugstext. 120r halbseitige Weltgerichtsdarstellung, die besonders weit über die vorgezeichnete Schriftspiegeleinfassung hinausragt, aber auch für die übrigen Bilder wird diese Einfassung nicht als Bildbegrenzung aufgefasst.

Bildaufbau und -ausführung:

Hintergrundlose Szenen spielen meist auf einem Bodenstück, nur dessen Oberkante ist durch einen Federstrich markiert, die flächig grüne Lavierung (gelegentlich mit der Feder eingezeichnete Strichel für Gräserbüschel) ist nach unten offen, mehrfach am unteren Rand entlang transparente olivockerfarbige Tupfer. Figurenzeichnung konturbetont in durchgehenden weichen Linien, mehrfach ist der Kontur nach der Farblavierung nochmals nachgearbeitet. Sehr schematisch angelegte Parallel- und Kreuzschraffen zur Kennzeichnung von Schatten (insbesondere Röhrenfalten der Gewänder), dennoch bleibt die Zeichnung wenig plastisch; auch die flächige Lavierung in wenigen Farben modelliert selten. Viel freistehender Papiergrund. Die Figuren lang und schmal, oft proportional zu kleine Köpfe, die in ihrer kleinteiligen Zeichnung mit feinerer Feder wie aufgesetzt wirken; flächige Gesichter mit stereotyp angelegten Physiognomien, ohne Farbakzentuierungen, meist wirr-krause, beidseitig abstehende Haartrachten. Einzelne Figuren werden durch Kleidungsmerkmale aus den oft seriell gereihten Figurengruppen herausgehoben und individualisiert (Ornat der Könige, Libyerkönig mit schwarzem Vollbart, Amazonenkönigin in rot-gelb quergestreiftem Gewand, Elias und Henoch mit konsequent unterschiedlichen Kopfbedeckungen). Der Antichrist ist mit ausladendem Jägerhut ausgestattet, entgegen der sonst üblichen Ikonographie nie mit Teufel als Begleitfigur. – Stilistisch der werkstattmäßigen oberrheinisch-elsässischen Buchmalerei um 1420/30 nahestehend, bislang nicht konkreter zuzuweisen (entgegen den Hypothesen von Bräm [1997]: Augsburg/Ulm, oder Konrad [1997]: Bodenseeraum).

Bildthemen:

Siehe Romain (2002) S. 77–79 und Bildthementabelle Einleitung der Untergruppe 63.3. Das Bildprogramm weist wegen der Störungen der Text-Bild-Anordnung insbesondere in der Antichrist-Vita, aber womöglich auch unabhängig davon Besonderheiten auf: Zum Antichrist war ein zusätzliches Eingangsbild unbekannten Inhalts vorgesehen (ausgerissen 108rb); die Prophezeiung Jakobs zur Stammvaterschaft seines Sohnes Dan für den Antichrist ist mit zwei sonst selten überlieferten Bildern versehen (Schlange Cerestes – in der ›Antichrist-Bildertext‹-Überlieferung nur noch in Wien, Cod. 2838 [Nr. 63.3.8.] – und Schlange Coluber, beide 108vb). Die Antichrist-Vita ist um einige Episoden verkürzt, vor allem die Bildsequenz zu seinem Sturz ist gestrafft, dabei weist die Darstellung des Antichrist, wie er seine Himmelfahrt ankündigt, wobei sich bereits Erzengel Michael mit dem Schwert nähert (117r oben), dezidiert Züge der Weltgerichtsikonographie auf (Antichrist frontal auf einem doppelten Bogen sitzend, vgl. auch 120r). Bei den Fünfzehn Zeichen sind die Zeichen 2 (Meere verschwinden), 9 (Einebnung der Erde) und 15 (Himmel, Erde und Menschen erstehen neu) mit nahezu demselben Motiv illustriert: lediglich eine blassgelb lavierte Erdkugel, nur beim 15. Zeichen zusätzlich versehen mit drei sich öffnenden Gräbern (vgl. auch hier Wien, Cod. 2838, 177rb). Die Darstellung des Weltenrichters 120r greift die Motivgestaltung aus Text 1 auf (42r), nun jedoch zusätzlich mit zwei Schwertern.

Farben:

Ockergelb, Rostrot, blasses Violettrot, blasses Mittelbraun, Grün.

Literatur:

Jurot Romain (unter Mitarbeit von Rudolf Gamper): Katalog der Handschriften der Abtei Pfäfers im Stiftsarchiv St. Gallen. Dietikon/Zürich 2002 (Studia Fabariensia 3), S. 73–79. – Werner Vogler: Die Abtei Pfäfers. Geschichte und Kultur [Ausstellungskatalog St. Gallen]. St. Gallen 1983, S. 131, Nr. 44 mit Abb. (94v); ders.: Kostbarkeiten aus dem Stiftsarchiv St. Gallen in Abbildungen und Texten. St. Gallen 1987, S. 48 mit Abb. (29rb); Andreas Bräm: Buchmalerei der Abtei und Stadt St. Gallen, der Abteien Pfäfers, Fischingen und Rheinau. In: Buchmalerei im Bodenseeraum (1997), S. 155–189, hier S. 185 Anm. 6; Konrad (1997) S. 292f., Nr. KO 46 mit Abb. (24r); Die Fünfzehn Zeichen des Jüngsten Gerichts und weitere Bilder aus dem Codex Fabariensis XVI. des Stiftsarchivs Pfäfers (im Stiftsarchiv S. Gallen). Hrsg. von Werner Vogler. In: Jahres-Agenden der Druckerei Hermann Brägger. St. Gallen 1995–98 und 2001 [nicht zugänglich]; Gerhardt/Palmer (2000) K16 g; Wagner (2016) S. 84, 156 u. ö., Abb. 57 (117v).

Anmerkungen:

Zu Text 1 siehe Stoffgruppe 107.

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XVIIIa: 112v. Antichristjünger predigt der Christenheit / Zug zum Antichrist.

Taf. XVIIIb: 118v. 3. bis 9. Zeichen: Vor dem Jüngsten Gericht.

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Taf. XVIIIa.
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Taf. XVIIIb.