KdiH

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26B.6.1. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 120 Extravagantes

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 3

Datierung:

Ca. 1510 bis um oder kurz nach 1514.

Lokalisierung:

Braunschweig.

Besitzgeschichte:

Autograph Botes. Verbleib vor 1671 (Eroberung Braunschweigs durch Rudolf August von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel) unbekannt (Hucker [1981] vermutet als Erstbesitzer Henning von Damm, in der fraglichen Zeit Küchenkämmerer der Stadt Braunschweig; seine Familie ist im Wappenbuch allein mit drei Wappen vertreten: 228r). 1671 oder später in den Besitz Herzogs Rudolf August (1627–1704) gelangt (1r eigenhändiges Monogramm des Herzogs: RA). Spätestens seit ca. 1725 in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel.

Inhalt: Hermann Bote, Schichtbuch
1r–159r Die fünf ›Schichten‹, ›Van der pagemunte‹
165r–176r Wappenbuch, Teil I
177r–187v Über die geistlichen Stiftungen in der Stadt Braunschweig (Kirchen- und Klösterverzeichnis)
188r–254v Wappenbuch, Teil 2
254r–v jüngerer Nachtrag
256r–257v Fremde Federzeichnungen: St. Blasius, St. Cyriacus
259r–266v Jüngere Federzeichnungen
271r Zeichnung Botes: Wappenschild
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, I + 271 (gezählt) + I Blätter, ca. 257 × 185 mm (das Doppelblatt256–257 ist jünger, aus unbekanntem Zusammenhang hier eingefügt, 200 × 163 mm, Blatt 259 lose einliegend, ca. 243 × 185 mm), einspaltig, ca. 24–27 Zeilen. Bastarda (Überschriften Textura), ein Schreiber: Hermann Bote (nach Schriftvergleich), im ersten Teil (1r–176v) zahlreiche Randnotizen und einige Nachträge (110v–112v, 158v–159r) von einer zweiten Hand des 16. Jahrhunderts, weitere Randnotizen (z. T. lateinisch) von einer dritten Hand, 159v–164v leer, 176v leer, 255r–v leer, 267r–270v leer.

Schreibsprache:

niederdeutsch.

II. Bildausstattung:

Zahlreiche kolorierte Federzeichnungen von der Hand Botes. Die beiden Zeichnungen auf dem Doppelblatt 256–57 (256v St. Blasius, 257r St. Cyriacus) sind von zeitgleicher, fremder Hand. Von Besitzern/Benutzern der Handschrift im 16. Jahrhundert stammen die Zeichnungen der Wappenschilde 254r–v und der ganzseitigen kolorierten Wappenschilde Braunschweiger Bürgerfamilien 259r: drei Mädchen mit Perlenketten und Haarschleifen auf rotem Grund (vgl. 234v unten links Knistedde? oder 232r Mitte links Heyde?), 261r: breiter Reif auf rotem Grund (vgl. 230v Mitte links Brouke), 263r: Hirschvorderteil auf weißem Grund (vgl. 231r unten rechts Koggel), 266v: drei B-artige Ornamente auf violettem Grund (239r unten rechts Olber).

Format und Anordnung:

Kapiteleinleitende Zeichnungen sind an drei Seiten in die Schriftspiegeleinfassung eingepaßt und knapp bis gut halbseitig (ca. 102–123× 114–124 mm); in den Partien ohne vorgezeichneten Schriftspiegel (Wappenbuch) ganz- oder halbseitig ungerahmt (153–193 × 89–182 mm). Darüber hinaus zahlreiche ungerahmte Zeichnungen zwischen dem Text; die Münzbilder (›Von der pagemunte‹) zum Teil in Initienposition; die Wappenschilde im Wappenbuch zeilenweise angeordnet, ohne fortlaufenden Text.

Bildaufbau und -ausführung:

Tiere und Personen in Ganzfigur stehen auf grünen, gewölbten Bodenstücken, nur in der Darstellung der Münzabgabe 113r wird durch einen Kachelboden Innenraum angedeutet. Der Hintergrund bleibt leer, gelegentliche blaue Pinselstriche am oberen Bildrand deuten Himmel an. Mit sehr sparsamem Einsatz von Requisiten sind die Bilder nicht szenisch, sondern plakativ angelegt. Konturzeichnung in kräftigen Linien mit abgeschrägter Feder, charakteristisch für Bote die Bevorzugung rund geschwungener Linienführung. Modelliert wird durch Farbabtönung: Schattenflächen sind mit weniger wässriger Farbe laviert.

Bildthemen:

Zur Vorrede 1r Braunschweiger Stadtknecht, nach Hucker (1981) Inkognitoporträt Botes. Ferner ungerahmt: 2r Rosenzweig als dekorativer Textabschluß.

Zu den fünf ›Schichten‹ und zum Kapitel über den Schulstreit Tierdarstellungen als Illustrationen passender Sprichwörter/Redensarten: 2v Ochse (Schicht de gildemester): seinen eigenen Mist aus dem Stall hinausziehen. – 13v Sau (Schicht des rades): Perlen vor die Säue werfen. Ferner ungerahmt: 20r Wappen der acht Gemordeten, in zwei Viererreihen. – 21v Hund (Papen krich): Hunde aus der Kirche werfen. – 34r Wolf (Schicht der unhorse borger): Wolf als schlechter Schafhüter. Ferner ungerahmt: 39v Hasenwimpel mit Spruchband (hu hasehin), 40r Axt mit Spruchband (Ick hauwe, Ick hauwe), 41r fünf Zeichen von Handwerkerfraktionen (Spruchbänder), 41v Spruchband mit Hase (blode hase), 42v Hase. – 53r Katze auf Podest und Esel (Schicht Holandes): dummer Esel hilft Katze auf den Thron. Ferner ungerahmt: 82r Hollandes Wappenschild. – 148r Pferd (Nachtrag: Uployp van twen schoten): sich seiner Kraft nicht bewußt sein, aber, wenn das Maß voll ist, um sich beißen.

Zum Kapitel Van der pagemunte 113r Zoll- und Akziseschreiber, der einen Sack Geld bei einem Wechsler oder Kämmerer abliefert. Ferner ungerahmt: 119v, 121v(3), 124v, 134v(2), 141r(3), 146r, 146v, 147r, 147v Münzen.

Zum Wappenbuch 165r einleitend zu Teil 1 ganzseitiges Hüftbildnis des Kaisers über dem Reichswappen. Anschließend die Wappen der vier Hansekontore (165v), der Kurfürsten und Bischöfe (166r–168r), der einzelnen Hansestädte (169r–173r). 173r halbseitige Darstellung von Bär und Löwe für Albrecht den Bär und Heinrich den Löwen. Anschließend Wappen der nicht der Hanse angeschlossenen Städte (174r–176r). Einleitend zu Teil 2 drei ganzseitige Bilder: 188r Heinrich der Löwe, 189r Ritter mit Braunschweig-Lüneburger Wappenschild hinter Stadtmauer und Löwe, 190r Herzog Otto mit sechs Wappen. Dann in den Text eingestreut sieben Wappenfähnlein welfischer Territorien (190v–191r), acht sächsische (u.a.) Wappenschilde (191v, 192r[2], 192v, 193r[4]). 194v–199r pro Seite je vier Wappen des Quaternionensystems als Abbild der ständischen Gliederung des Reiches (je ca. 50 × 45) in absteigender Hierarchie von den vier Reichsherzögen über die vier Pfalzgrafen etc. bis hin zu den vier Bauern, d. h. die Bischofsstädte Köln, Regensburg, Konstanz und Salzburg, als Abschluß 199v unter der Krone die Wappen von Rom und Venedig. Danach Wappen sächsischer Geschlechter vom höheren Adel bis hin zu Braunschweiger Patrizierfamilien 200v–202r, 203r–224r, 225r–253r (je sechs Schilde, bis auf 210r [zwei Schilde], gegen Ende der Abteilung jeweils zahlreiche Schilde nicht ausgefüllt); dazwischen 202v Hüftbildnis eines Reichsherolds mit drei Wappenschilden auf der Brust.

Zum Kirchen- und Klösterverzeichnis Patrone der Hauptkirchen der Weichbilde in Hüftbildnissen, mit Attributen: 177r Autor mit Bischofsstab und Kirchenmodell hinter Stadtmauer (Stadt Braunschweig), 178v Blasius mit Bischofsstab und Horn neben Braunschweiger Burglöwe (Burgfreiheit), 180r Martin mit Schwert, Mantel und Bettler (Altstadt), 183r Katharina mit Schwert und halbem Rad (Hagen), 184v Andreas mit Hälfte seines Kreuzes (Neustadt), 185v Magnus mit Buch und Bischofsstab (Altewiek), 187r Ulrich mit Fisch und Bischofsstab (Sack).

Als separates Schlußbild 271r Wappenschild, gehalten von Wappenträgerin, Schild zeigt Brustbild eines vermutlich stadtbraunschweigischen Beamten mit rot-grünem Zaddelumhang mit Kapuze, nach Hucker (1981) Inkognitoporträt Botes.

Farben:

Orangerot, Rot, Grün, Oliv, Hellbraun, Rostbraun, Gelb, Ocker (auch anstelle von Gold: Nimben), Schwarz, Rosa, Blaugrau, Blau, Türkis (v. a. in den Heiligenbildern).

Vgl. auch Stoffgruppe 133. Wappenbücher.

Literatur:

Butzmann (1972) S. 69–72. – Borchling III (1902) S. 125 f.; Hucker (1981) Abb. 4 (271r). 5 (1r). 7 (113r); Blume (1985) Abb. S. 1 (1r). S. 7 (148r). S. 49 (113r). S. 50 (169r). S. 55 (177r). S. 56 (178v). S. 61 (180r). S. 62 (183r). S. 63 (185v). S. 64 (184v). S. 73 (187r). S. 74 (188r). S. 75 (2v); Herbert Blume: 15 ausgewählte Farbdrucke im Originalformat: Hermann Bote Aus dem Schichtbuch 1510 bis 1514. Braunschweig 1985 (Bibliophile Schriften der Literarischen Vereinigung Braunschweig). Matthias Puhle: Die Todesopfer der »Großen Schicht« 1374–1380 in Braunschweig mit ihren Familienwappen in einer Aufstellung im Schichtbuch von 1514, verfaßt von Hermen Bote. Braunschweig 1985 (Miszellen des Städtischen Museums 39); Gerd Spies (Hrsg.): Braunschweig – das Bild der Stadt in 900 Jahre. Geschichte und Ansichten. 2 Bde. Braunschweig 1985, Bd. 2: Braunschweigs Stadtbild. Bearb. von Franz-Josef Christiani [u. a.], S. 31, Abb. 23 (177r); Stadt im Wandel (1985) Bd. 1, S. 565 f., Nr. 487 mit Abb. (53r); Matthias Puhle: Stadt und Geld im ausgehenden Mittelalter. Zur Münzgeschichte »Van der Pagemunte« des Braunschweiger Autors Hermen Bote (ca. 1450–1520). Braunschweig 1988 (Städtisches Museum Braunschweig. Arbeitsberichte 58), Abb. S. 22 (113r), S. 23–29, Abb. 1–14 (Münzdarstellungen 119v–148r); Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos. [Ausstellung Hamburg, Museum für Hamburgische Geschichte]. Hrsg. von Jörgen Bracker. Hamburg 1989, Bd. 1, S. 385–392, Abb. S. 612 (13v). Abb. S. 614 (20r), Bd. 2, S. 407, Nr. 19.3.; Wolfenbütteler Cimelien (1989) S. 249–254, Abb. 122 (1r). 123 (113r). 124 (21v); Hans-Joachim Behr: Volkssprachliche Literatur. In: Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. Hrsg. von Horst-Rüdiger Jarck und Gerhard Schildt. Braunschweig 2000, S. 407–418, Abb. 3 (1r); Blume [2009] S. 53–105 u. ö., Abb. 1 (1r). 2 (53r). 3 (13v). 4 (148r). 5 (165v). 6 (169r). 8 (34r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 206: 13v. Sau (als Sprichwortillustration).

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Abb. 206.