KdiH

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59.4.4. Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs 1

Bearbeitet von Ulrike Bodemann

KdiH-Band 7

Datierung:

Um 1430 (Wasserzeichendatierung Staub/Sänger; Saurma-Jeltsch etwas früher: 1423–1430).

Lokalisierung:

Hagenau, Werkstatt Diebold Laubers.

Besitzgeschichte:

Liber catenatus (aus einer Klosterbibliothek?); nach Knaus (1958/1961) S. 51 eventuell aus der Bibliothek der Grafen Manderscheid-Blankenheim; später in der Sammlung des Barons Hüpsch nach Darmstadt gekommen.

Inhalt: Historienbibel IIa
1v–212vb Alte Ee
1v Bild
2ra–3va Prolog
3va–212vb Prosaauflösung der ›Weltchronik‹ des Rudolf von Ems mit alttestamentlicher Fortsetzung
bis Kap. Also es einen monot vnd drù gontze jor one regen waz, darin Abbruch wegen Blattverlusts
213ra–288vb Neue Ee
213ra–215vb Register
217ra–288vb Prosaauflösung des ›Marienlebens‹ von Bruder Philipp
bricht wegen Blattverlusts im Kap. Also maria mit libe vnd sele zuͦ himel fuͦr ab.
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 288 gezählte Blätter, dazu je ein Vorsatzblatt vorn und hinten, jeweils zwei Blätter sind auf einen Falz geklebt und bilden so einen Bogen, sehr defekt (Blatt 1 um ca. 1/3 beschnitten, auf ein neues Blatt aufgezogen; Verluste von meist einem Blatt nach 13 [2 Blätter?], 47, 53, 63, 76, 125, 153 [2 Blätter?], 160, 162, 175, 185, 186, 187, 189, 210, 212, 231, 233, 246, 247, 269 [2 Blätter], 270, 277, 279, 280, 281, 286 [2 Blätter], 288; Blatt 272 gehört zwischen die beiden verlorenen Blätter nach 286; teilweise verloren [z. T. die Illustrationen herausgeschnitten]: Blatt 3, 9, 76, 179, 195, 220, 222, 232, 243, 244, 245), 425 × 280 mm, zweispaltig, meist 34–35 Zeilen, vier Bastardahände, I: 1r–239rb mit Ausnahme von 213r–215v (34–35 Zeilen), II: 239rb–252r (meist 34 Zeilen), III: 252v–288v (33 Zeilen), IV: 213r–215v (Register); rote Kapitelzählung, rote Überschriften, Strichel, Caput-Zeichen, abwechselnd rote und blaue Kapitellombarden.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

136 von ursprünglich 155(?) kolorierten Federzeichnungen, 108 von ursprünglich 117(?) zur Alten Ee, 28 von ursprünglich 38(?) zur Neuen Ee; zwei Bildinitialen 2ra und 217ra. Gruppe A der Lauber-Werkstatt.

Format und Anordnung:

meist halbseitig (Eingangsbilder 1v und 216v ganzseitig), ungerahmt, zusammen mit Überschrift, die als Bildbeischrift fungiert, dem Text eines Kapitels vorangestellt. Initialen viertelseitig über die gesamte Spaltenbreite.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Initialen bilden mit den oberhalb von Text und Initiale als Kopfillustrationen platzierten halbseitigen Bildern jeweils ein Ensemble, das durch Rankenwerk und Drolerien ergänzt wird (2r Binnenfigur: Phantasiewesen, Kopfillustration: Christus als Weltenrichter, dazu Blüten und Phantasietiere, 217r Binnenfigur: Phantasiewesen, Kopfillustration: Maria mit Kind als thronende Madonna und adorierender junger Mann, dazu Greif, Lindwurm, Blüten).

Die Textillustrationen schöpfen den vorgegebenen Bildraum nicht nur völlig aus, sondern greifen auf die Randstege, gelegentlich auch auf die Spaltenzwischenräume des umgebenden Textes aus. Die Bildszene baut sich auf vorderster Sehebene auf; Hintergrund ist nicht angegeben. Gezeichnet wird in prägnanten Strichen, Schattenpartien gelegentlich mit breiten Schraffen angegeben, sonst wenig Binnenzeichnung. Figuren agieren auf nach unten nahezu linear abschließenden, flächig kolorierten Bodenstücken, die sich nur selten (bei hierfür prädestinierten Themen, z. B. Landverteilung Josuas 137r) zu Ansätzen von Landschaftsformationen entwickeln; Gebäude als Ortsbestimmung sind aus Versatzstücken zusammengewürfelt, die einzige Innenraumdarstellung findet sich bei Simsons Rache an den Philistern 167r: Durch einen Bogenrahmen sieht der Betrachter in einen ansatzweise zentralperspektivisch konstruierten Raum, auch hier bleibt nicht nur Simson, die Säule umgreifend, im Vordergrund, auch die Darstellung der Philister, auf eine von der Säule getragene Balustrade gedrängt, bleibt ohne Tiefe.

Erzeugnis der Mitarbeitergruppe A der Lauber-Werkstatt, deren Markenzeichen die Vorliebe für freistehende, oft schneckenhausförmig ondulierte Kringellocken und Zaddeln, für rhythmisch gewelltes Faltenwerk und für opulente Kostümdetails wie Beutelärmel ist. Kennzeichnend auch die schablonenhaft gezeichneten großflächigen Gesichter sowie die stereotypen Fußhaltungen, »mit der die Figuren schräg auf dem Terrain rutschend zu kleben scheinen« (Saurma-Jeltsch Bd. 1, S. 102). Das Darstellungsinteresse gilt insgesamt nahezu ausschließlich den Figuren; bei Figurengruppen stimmen allerdings Anzahl der Köpfe und der Hände/Füße oft nicht überein (z. B. 164r, 182v), gelegentlich scheint dies nachträglich bemerkt worden zu sein: 178r sind die »überflüssigen« Köpfe durch Überkritzeln quasi unkenntlich gemacht. Liegende Figuren sind in der Regel um 90° gedrehte Standfiguren. Auch bei der Farblavierung wird der Personendarstellung besondere Sorgfalt gewidmet, sie folgt hier behutsam den Faltenlinien der Gewandungen und modelliert unter Einbeziehung des freibleibenden Papiergrunds; andere Formen (Baumkronen, auch Engelsflügel) werden dagegen großzügiger übertuscht. In der Farbgebung auffallend: Blau fehlt völlig; wo blaue Farbe zu erwarten wäre (Wolken, Rüstungen, Wasser), ist sie durch Braun ersetzt. Charakteristisch für die Kolorierung der unabhängig von Konturlinien getupfte Farbauftrag vor allem für den angedeuteten Himmel, ferner 192v für das Blumenschapel Batsebas, gelegentlich auch für Gewanddekor. Gemäuer ist in der Regel in hellem Violettrot laviert, Haare nahezu durchgängig Ockergelb. Gold ist angegeben durch rot übermaltes Gelb (z. B. 93v goldenes Kalb). Rot nachgetragen sind Details wie das Pferdegeschirr 58v, die Schwertknäufe und Schuhe 28r.

Saurma-Jeltsch (Bd. 1, S. 102–103) sieht mehrere Zeichner der Gruppe A beteiligt, so die zögernder und oft neu ansetzend verfahrende Hand A1, die mit feinerer Feder arbeitet und sich durch differenzierteren Faltenwurf auszeichnet (vor allem im zweiten Teil, ab ca. 178r), sowie die Konturen und Physiognomiedetails nachzeichnende Hand A2 mit derberer Linienführung, in größeren Formaten, die neben Randstegen auch Spaltenzwischenräume einbeziehen, und mit einer bezeichnenden Augenform: halbgeöffnete, müde blickende Augen (bis ca. 168v). In diesem Bereich der Handschrift häufige Korrekturen (nach der Kolorierung!): Zunächst mit Deckweiß übermalt und dann neu ausgeführt wurden Details auf Blatt 38v (Isaaks Kopf, Kind), 43r (Engel), 115v (Kopf Moses), 117r (Hinterläufe des Esels), 117v (Kopf des Esels).

Bildthemen:

siehe Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 2, S. 24–26, Bd. 1, S. 246–257 (Konkordanz); Rapp (1998) S. 259–264 (Teilkonkordanz). – Im Vergleich mit zeitgleich entstandenen Historienbibelhandschriften der Werkstattgruppe A fällt die dichte Illustrierung der Mosegeschichte auf; besonders hier gibt es etliche Themen, die in der Bebilderung der Historienbibel IIa keine Parallelen haben: die Heuschreckenplage (78r mit sehr naturalistisch gezeichneten Heuschrecken), das Mannawunder (85r), Mose gibt Gottes Wort an das Volk weiter (88v), Mose bittet Gott für sein Volk (96r), Mose führt das Volk einen anderen Weg (113v); das Motiv der Fürsten Israels beim Bundeszelt (101v) wird nur in der Kopenhagener Historienbibel (Nr. 59.4.8.) aufgenommen. Einzelgängerisch ist Darmstadt auch an anderen Stellen, so mit der Aufnahme der folgenden Bildthemen: Kampf Josuas gegen die 20 heidnischen Könige (135v), der Levit teilt seine Frau in zwölf Stücke (168v), Saul bricht Samuels Gebot (182r), David erhält Goliats Schwert (189r), Opfer Salomos (205r).

Ansatzweise wird ein Bedürfnis nach bewusst eigener Ausschöpfung des biblischen Motivrepertoires sichtbar: Statt der sonst üblicheren Darstellung des Todes Nadabs und Abihus wird die Steinigung der Gotteslästerer dargestellt (100r), statt Mose, wie er Gott um Speisung des Volkes bittet, wird gewissermaßen die Folgehandlung, die Bestrafung der nach Fleisch Gelüstenden, ins Bild gesetzt (105r), statt des Untergangs der Rotte Korach die Flucht ins Bundeszelt (110r), statt der Ernennung Josuas zum Richter Josua vor der Überschreitung des Jordans (126v), statt des Pfingstthemas (Erfüllung durch den Heiligen Geist) der Auszug der Apostel, um zu predigen (284r). Bileam und der Esel sind zweimal in nahezu identischer Ausführung dargestellt (117r und 117v), wohl weil der Buchmaler den Freiraum 117r missverstanden hat.

In markanten Einzelheiten greift die Darmstädter Handschrift eine Traditionslinie auf, die von der Dresdener Handschrift A 49 aus der Werkstatt von 1418 (Nr. 59.4.5.) vertreten wird: so in der Darstellung der Weissagung über den Untergang des römischen Tempels, die nur in Dresden A 49 eine Parallele hat (in Darmstadt Blatt 240r mit Textualis-Inschrift auf der Tempelfront: dis hot vns ein alt wip geseit).

Den adorierenden jungen Mann 217r, in dem Saurma-Jeltsch ein Stifter- oder Schreiberbildnis sehen möchte, darf man mit Rapp wohl einleuchtender als Autorbild deuten. Letzteres Motiv verbindet die Darmstädter Handschrift eng mit der Kölner Historienbibel (Nr. 59.4.5.).

Farben:

Dominierend sind helles Umbra und Rostbraun neben Grün (oft partiell hellbraun übermalt), daneben Ockergelb, Violettrot, selten leuchtendes Rot, Schwarz. Blau fehlt (mit Ausnahme des Rankenwerks der Initiale 217r).

Literatur:

Staub/Sänger (1991) S. 17 f. – Kautzsch (1895) S. 61; Vollmer (1912) S. 106f., Nr. 36; Fechter (1938) S. 13. 138 Anm. 9; Knaus (1958/1961) S. 31; Landolt-Wegener (1963/1964) S. 223 u. ö., Taf. 49a (246v). 50c (249v). 51e (254v). 52e (257v). 53e (257r); Jänecke (1964) S. 116 f.; Buchkunst des Mittelalters. Zimelien der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, ausgewählt und beschrieben von Erich Zimmermann und Kurt Hans Staub. Wiesbaden 1980, S. 46–49, Nr. 16, Abb. 16 (126v). 16a (192v); Bücher als Kunstwerke. Kostbare Handschriften und Pressedrucke aus der Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt. Katalog zur Ausstellung im Schloßmuseum Darmstadt 28. Mai bis 27. Juni 1982 […] von Kurt Hans Staub und Erich Zimmermann. Darmstadt 1982, S. 62 f.; Traband (1982) S. 81; Stamm (1985) S. 306 f., Abb. 1 (21r). 4 (54r); La mémoire des siècles (1988) S. 219; van Buren (1991) S. 229–232. 242; von Bloh (1993) S. 282–284 u. ö., Abb. 19 (1v–2r); Rapp (1994); Rapp (1998) S. 50–53, Nr. 3.2.3., u. ö., Abb. 4.6.7. (Textseiten 225r, 239v, 252r); Saurma-Jeltsch (2001) Bd. 1, S. 102–107 u. ö., Bd. 2, S. 24–26, Nr. 17, Abb. 89 (31v). 91 (241v). 94 (112v). 95 (8v). 262 (24v). 267 (1v). 278 (41r). 288 (236v), Taf. 18/2 (43v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 27: 189r. David erhält Goliats Schwert.

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Abb. 27.