KdiH

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52.4.1. Aschaffenburg, Hofbibliothek, Ms. 14

Bearbeitet von Nicola Zotz

KdiH-Band 6

Datierung:

Kurz nach 1525.

Lokalisierung:

Mitteldeutschland.

Besitzgeschichte:

Handexemplar Albrechts von Brandenburg, durch ihn nach Mainz gekommen, von dort wohl 1794 mit der Erthalschen Bibliothek nach Aschaffenburg überführt.

Inhalt:
1r–428v Hallesches Heiltumsbuch
I. Kodikologische Beschreibung:

Pergament, (noch) 408 Blätter (unbeschriebene Blätter am Ende der Gänge wurden entfernt), 350 × 250 mm (Blatt 262: 317 × 185, Blatt 427: 350 × 343 mm [eingeschlagen]), Schriftspiegel (durch rote Linien eingefasst) 240 × 147 mm (Linien auf den Bildseiten radiert, wo das Bild über den Spiegel hinausragt). Bastarda (Überschriften in einer Auszeichnungsschrift), eine Hand sowie Nachträge und Ergänzungen von zwei weiteren Händen des frühen 16. Jahrhunderts (eine davon Albrecht von Brandenburg), einspaltig, bis zu 33 Zeilen (Beischriften meist kürzer).

Schreibsprache:

mitteldeutsch.

II. Bildausstattung:

339 meist ganzseitige Federzeichnungen mit Deck- und Wasserfarbenkolorierung. Zehn aufwendig gestaltete Zierinitialen (je der Anfang der Vorrede und der Einleitungen zu den neun Gängen: 1r, 3r, 84r, 151r, 174r, 197r, 227r, 306r, 351r, 410r). Weitere Initialen rot, blau oder (selten) rot-blau, aus kalligraphischem Flechtwerk und Schleifen gebildet, etliche mit Köpfen verziert.

An der Handschrift arbeiteten mehrere Maler, teilweise auch miteinander; Halm/Berliner (1931) nehmen eine »Arbeitsgemeinschaft, die vorwiegend aus Goldschmieden bestand« an und unterscheiden mehrere unterschiedlich geübte Hände (S. 9f.). Wenn auch die Unterschiede in Sorgfalt und Können offensichtlich sind (so ist, um nur ein Beispiel zu nennen, die Abbildung des Schreins auf 10v in Gestaltung der Perspektive und malerischer Ausführung als schlicht zu bezeichnen, wohingegen der Tragaltar auf 9v zeichnerisch komplexe Figuren und Muster wiedergibt und durch differenzierten Farbauftrag verschiedene Materialien einfängt), so sind doch im Einzelnen bei der Zuweisung der Bilder an bestimmte Hände Zweifel angebracht.

Format und Anordnung:

Zierinitialen: Die Buchstabenkörper, verziert mit durch Höhungen und Schraffierungen plastischen Akanthusranken, auf quadratischem oder rechteckigem farbigen Grund, ebenfalls mit Akanthusranken gefüllt, sind in einen Rahmen eingezogen; Buchstabe, Hintergrund und Rahmen sind je farblich voneinander abgesetzt (Buchstabe oder Hintergrund golden oder silbern). Außen am Rahmen Fadenwerk.

Die meisten Reliquiar-Abbildungen sind ganzseitig, d. h., dass je nach Format des Reliquiars entweder (z. B. bei Monstranzen oder Kreuzen) die ganze Höhe oder (z. B. bei Kästchen oder Altären) die ganze Breite der Seite ausgenutzt wurde. Wenige Abbildungen sind kleiner (mindestens aber 100 mm hoch und 40 mm breit).

Auf die Abbildung eines Reliquiars folgt stets die Beischrift, streng geschieden auf je einer Bildseite und einer (selten mehreren) Textseiten (nur auf 13v, 18v und 306v steht Text auf der Bildseite). Bereits Térey (siehe unten Literatur) S. 19 hat gesehen, dass die lückenlose Verzahnung von Bild und Text für eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Schreiber und den Malern spricht. Freie Seiten gab es nur am Ende der Gänge, wo offensichtlich Platz für Nachträge gelassen wurde.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Reliquien und Reliquiare sind isoliert und ohne Rahmen dargestellt. Ein Bezug zum sie umgebenden Raum ist nur durch die Schatten angedeutet, die sie auf Boden und Wand werfen; mitunter spiegeln sich Fenster in den polierten oder geschliffenen Teilen.

Bei allen Abbildungen hat man zunächst die Linien vorgezeichnet, anschließend die deckende oder lavierte Farbe aufgetragen und schließlich in schwarz die Linien wiederum nachgezogen. Die meisten Abbildungen sind durch Einsatz von Linearperspektive gestaltet, wobei Sockel und Füße tendenziell in Aufsicht, andere Teile frontal dargestellt sind. Mitunter hat man um der besseren Lesbarkeit des Dargestellten willen auf allzu starke Verkürzung oder Verzerrung verzichtet (so z. B. bei narrativen Szenen auf Deckeln von Kästchen). Rundungen und im Schatten liegende Teile sind nicht durch die Zeichnung, sondern stets durch den Farbauftrag herausgearbeitet.

Das Hauptinteresse bei der Wiedergabe der Reliquiare bestand offenbar darin, die Kostbarkeit der verwendeten Materialien einzufangen. Die Leuchtkraft des Goldes wird durch die geschickte Kombination verschiedener deckender Gelb- und Brauntöne mit weiß-gelben Höhungen erreicht, Silber kommt durch laviertes Blau-Grau zur Darstellung, wobei die spiegelnden Teile entweder durch freigelassenes Pergament oder aufgesetztes Weiß wiedergegeben sind, der Effekt von Bergkristall und Glas wird durch verdünntes Weiß in unregelmäßigen senkrechten Linien erreicht; die unterschiedliche Materialität von Edelsteinen, Perlen, geschliffenen Steinplatten, Email, Korallen, Elfenbein, Alabaster, Straußen-Eiern, Samt oder bestickten Stoffen ist ebenso eingefangen wie die der Reliquien selbst (Knochen- und Stoffpartikel, Haare, Hostie, Dornen).

Wesentliches Ziel der Darstellung war die Wirklichkeitsnähe, wie sich gerade an der Herausarbeitung der verschiedenen Materialien und Herstellungstechniken zeigen lässt. (Anders Halm/Berliner [1931], die daneben auch »Prinzipien subjektiv malerischen Vortrages« am Werk sehen [S. 7].) Dass die Maler die Stücke dabei dem Zeitgeschmack angepasst haben, ist erwartbar und ändert nichts an dem grundsätzlichen Anspruch der Realitätsnähe. Dieser ist es auch, der einen wesentlichen Unterschied zur fünf Jahre zuvor im Druck entwickelten Darstellungstradition (siehe Nr. 52.4.a.) ausmacht. Gerade da stark davon auszugehen ist, dass die Maler der Handschrift den Druck kannten, ist es auffällig, dass sie sich nicht an Wolf Trauts Ideal der freien Ausdeutung anlehnten, sondern die Charakteristik, die Formgebung und Bildsprache des tatsächlichen Objekts so genau wie möglich einzufangen versuchten.

Bildthemen:

Das Heiltum ist in neun Gänge eingeteilt. Der erste Gang ist dabei unter anderem den persönlichsten Stücken Albrechts vorbehalten: So ist gleich das erste Stück die goldene Rose, die er von Papst Leo X. erhalten hatte. Auch hat Albrecht einen Großteil der Stücke, die er nach 1520 (also seit der Veröffentlichung des Drucks, siehe Nr. 52.4.a.) zu seiner Sammlung hinzugewonnen hatte, dem ersten Gang hinzugefügt, und zwar an ganz unterschiedlichen Stellen. Wenn es einen Grund für Zusammenstellung und Reihenfolge der Reliquiare im ersten Gang gab, so ist dieser heute nicht mehr ersichtlich. Auch die Vorrede weist den ersten Gang als heterogen aus; hier war nicht zuletzt der Ort, an dem unbestimmte Reliquien versammelt wurden (Heyligthumb welcher schrifft vnd czedeln vorblichen vnd von alter gancz vnleszlich wordenn seyndt, 1r). Die anderen Gänge folgen klareren Mustern und stellen die Reliquien nach Personenkreisen (mit abnehmender Bedeutung) zusammen. Der zweite enthält Reliquien von Jesus, der dritte Marienreliquien, der vierte ist den Kirchenvätern und Propheten, der fünfte den Aposteln und Evangelisten vorbehalten. Der sechste Gang versammelt Reliquien von Märtyrern, der siebte von kirchlichen Würdenträgern, der achte von Jungfrauen und der neunte schließlich von Witwen.

Nach einer Kopfzeile mit der Nummer des Reliquiars im Gang geben die Beischriften in den meisten Fällen das Material des Reliquiars an, wobei das Augenmerk auf den kostbaren und, in der Regel, den sichtbaren Bestandteilen liegt, so dass die Beischriften in dieser Hinsicht die Abbildungen unterstreichen, nicht aber über sie hinausweisen. Ferner benennen sie den Typus des Reliquiars (Monstrantz, Creútz, sarch, búchsse, kestleyn, glaß oder auch strawß Eye). Hier darf man freilich keine moderne Systematik erwarten (Halm/Berliner [1931] S. 10 beklagen die »unterentwickelte Terminologie«), denn wichtig ist vielmehr, dass das Stück über seine Benennung der im Zentrum des Interesses stehenden Abbildung zuzuordnen ist. Daher werden auch nur sehr selten weitere Charakteristika gegeben, wie altformisch (175r) oder welscher arbeyt (34r, 35r), und Angaben zu Größe oder Gewicht fehlen ganz.

Daran anschließend wird in Beischriften sehr akribisch aufgelistet, was sich in den Reliquiaren befindet. Hier lag – neben dem Nachweis der Kostbarkeit der Materialien – natürlich das Hauptinteresse des Buches. Nur in seltenen Fällen sind die eigentlichen Reliquien auf den Abbildungen zu erkennen (so z. B. der hinter Glas sichtbare Leichnam beim Margarethensarg auf 352v); in der Regel aber erfüllen die Beischriften die Funktion, das zu benennen, was das Auge nicht sieht, und weisen insofern über die Abbildungen hinaus.

Farben:

deckend: Gelb, Braun, Grün, Purpurrot, Zinnoberrot, Dunkelblau, Weiß, Schwarz; laviert: Blau, Graubraun.

Digitalisat:

Das Halle’sche Heiltum. Reliquienkult und Goldschmiedekunst der Frührenaissance in Deutschland – Hofbibliothek Aschaffenburg, Codex Ms. 14. Augsburg 2002 (Handschriften aus bayerischen Bibliotheken auf CD-ROM, hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek und dem Haus der Bayerischen Geschichte).

Literatur:

Josef Hofmann und Hans Thurn: Die Handschriften der Hofbibliothek Aschaffenburg. Aschaffenburg 1978, S. 43f. – Térey (1892); Paul Redlich: Cardinal Albrecht von Brandenburg und das neue Stift zu Halle 1520–1541. Eine kirchen- und kunstgeschichtliche Studie. Mainz 1900; Halm/Berliner (1931); Jörg Rassmussen: Untersuchungen zum Halleschen Heiltum des Kardinals Albrecht von Brandenburg. Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst, 3. Folge, 27 (1976), S. 59–118; Albrecht von Brandenburg. Kurfürst – Erzkanzler – Kardinal. Zum 500. Geburtstag eines deutschen Renaissancefürsten. Hrsg. von Berthold Roland, bearbeitet von Horst Reber [Ausstellungskatalog]. Mainz 1990 (bes. Kap. 3); Cárdenas (2002) Abb. 52; Cárdenas (2013a) S. 240–281, Abb. 106 (234v), 148 (312v), 150 (409v), 154 (121v), 157 (256v); Ainsworth u. a. (2015) Abb. 17, 26 (je 227v), 27 (228v), 28 (94v), 29 (15v).

Weitere Materialien im Internet:

Hanschriftencensus

Taf. 52.IV: 289v. Reliquiar mit Einhornfigur.

Taf. 52.V: 354v–355r. Marthareliquiar.

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Taf. 52.IV.
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Taf. 52.V.