KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

68.1. Schondoch, ›Die Königin von Frankreich‹

Bearbeitet von Martin Roland

KdiH-Band 7

Sprachliche Hinweise legen eine Herkunft Schondochs aus dem Alemannischen nahe (Udo Arnold: Schondoch. In: 2VL 8 [1992], Sp. 821). Lebensdaten, außer einer groben Einordnung in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, oder biographische Details sind nicht bekannt.

Der kurze, ca. 700 Verse umfassende Text ist aus zahlreichen Handschriften des 15. Jahrhunderts bekannt (http://www.handschriftencensus.de/werke/935) und damit das bei weitem am häufigsten überlieferte Märe überhaupt. Heintz (1908, S. 2–19), der die Stoffgeschichte ausführlich untersucht, kann die Quellen Schondochs ziemlich genau festlegen: Die Hauptteile entnahm er einer altfranzösischen Dichtung namens ›Macaire‹, u. a. den verleumderischen Marschall (im Original die Figur des Macaire) sowie die Episoden mit dem Zwerg und dem Hund. Er kombinierte diese mit dem bekannten Motiv einer Dame, die an ihrer Handarbeit erkannt wird, und mit Herzog Leopold von Österreich, der einzigen Figur mit einem Namen. Dieser und die Königin, laut Rubrik in der einzigen illustrierten Handschrift (Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2675*: siehe Nr. 68.1.1.) eine geborene Herzogin von Bayern – eine Zuordnung, die sonst keine Handschrift kennt (Strippel [1978] S. 211) –, bilden die beiden am positivsten geschilderten Figuren. Bezeichnenderweise stammen sie beide nicht aus der Heimat des Dichters – Schondoch dichtete in alemannischem Dialekt –, sondern aus dem Südosten. Ob Leopold mit Herzog Leopold III. von Österreich (1386 bei Sempach gefallen) in Zusammenhang steht, wird sich nicht klären lassen, ebensowenig wie die Frage, ob Isabeau von Bayern (1371–1435), die übel beleumundete Gemahlin des französischen Königs Karl VI., den Dichter angeregt haben könnte. Aus der Verbreitung des Werks vor allem im bairisch-österreichischen Raum könnte jedoch auf eine prohabsburgische Vernetzung geschlossen werden.

Die seit dem 13. Jahrhundert vermehrt auftretenden Kurzerzählungen (Märe, Fabliau) sind in der Regel nicht mit einem Bildprogramm versehen (siehe Stoffgruppe 83. Mären und Bîspel bzw. Alison Stones: Notes sur le contexte artistique de quelques manuscrits de fabliaux. In: Les Centres de production des manuscrits vernaculaires au Moyen Âge. Hrsg. von Gabriele Giannini und Fancis Gingras. Paris 2015, S. 217–235). Eine Ausnahme bilden die Illustrationen der Innsbrucker Sammelhandschrift (Ferdinandeum, FB 32001a), die als ›Beginnmarker‹ der Einzeltexte fungieren (zu den Illustrationen Martin Roland: Die Buchmalerei der Gotik. In: Kunst in Tirol. Hrsg. von Paul Naredi-Rainer / Lukas Madersbacher. Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Renaissance. Innsbruck / Bozen 2007, S. 267–294, 426–433, bes. S. 275f., 290f., Kat.-Nr. 187; zur Funktion der Illustrationen Nicola Zotz: Sammeln als Interpretieren. Paratextuelle und bildliche Kommentare von Kurzerzählungen in zwei Sammelhandschriften des späten Mittelalters. ZfdA 143 [2014], S. 349–372), also nicht ›erzählen‹.

Die Wiener Handschrift der ›Königin von Frankreich‹ ist das erste Beispiel einer Kurzerzählung, die ein aus mehreren Szenen bestehendes Bildprogramm aufweist. Quellen dafür sind in Italien zu vermuten. Schon der älteste ›Decamerone‹-Zyklus (Florenz, um 1360/70) bietet zu einigen Novellen Bildstreifen mit mehreren Teilszenen (Paris, ms. it. 482; Boccaccio visualizzato. Hrsg. von Vittore branca. Turin 1999, Bd. 1, S. 5–14, 41, Bd. 2, S. 66–72). Dieser Typus der Bilderzählung wird in Paris um 1414/19 rezipiert und auf alle Geschichten erweitert (Rom, Cod. Pal. lat. 1989; ebd., Bd. 1, S. 29f., Bd. 3, S. 205–214). Einzelne Novellen, vor allem zu Ehethemen, werden ab ca. 1400 auf Cassoni (Hochzeitstruhen) mehrszenig dargestellt (ebd., Bd. 1, S. 22–24, Bd. 2, S. 190–194, 202f.). Zu Dec. X/10 (›Griseldis‹) gibt es eine 1395 datierte, für das Theater adaptierte Versfassung mit 19 Illustrationen (Paris, ms. fr. 2203) und eine 1414 (?) in Paris entstandene Lage mit sieben Miniaturen der französischen Übersetzung von Laurent de Premierfait (Paris, ms. fr. 12459, 135r–142v, ebd., Bd. 3, S. 245f.), eine weitgehende Entsprechung zum Text-Bild-Konzept des Cod. 2675*.

Der Text (eine Lage) gehört der bairisch-österreichischen Textüberlieferung an (weiters Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2800; Cod. 10100a; Innsbruck, Jesuitenkolleg, Cod. 40024). Weder innerhalb dieser Überlieferungseinheit noch überhaupt haben sich Handschriften dieses Textes mit einem derartig hohen Ausstattungsniveau erhalten; es gibt weder Handschriften aus Pergament, noch solche mit anspruchsvollem Buchschmuck, geschweige denn mit Deckfarbenmalereien. Ist die aufwendige Ausstattung unikal, so gibt es für die Überlieferung eines Märe in einem Einzelheft, wie dies für Cod. 2675* gesichert ist, durchaus andere Beispiele (Mihm [1967] S. 13–21, zum Schondoch S. 13–14).

Der von Weingartner (1928, S. 35–45) umfassend behandelte Zyklus von Wandmalereien im Gerichtssaal des Palazzo Nero in Coredo am Nonsberg (Trentino) ist wohl nach 1446, aber sicher vor 1469 entstanden. Die Fresken zeigen so deutliche Parallelen zum Text des Schondoch und zu den Illustrationen des Cod. 2675*, dass sie auch ohne Text dieser Tradition zugeordnet werden können. Es kommen die Verleumdung durch den Marschall (Weingartner [1928] Abb. 33 – Cod. 2675*, 2v rechts), die Tötung des Zwerges (ebd., Abb. 34 – Cod. 2675*, 3r links), die Tötung des Ritters (ebd., Abb. 36 – Cod. 2675*, 4r), der Verkaufsladen (ebd., Abb. 37, 40 – Cod. 2675*, 6v), der Zweikampf mit dem Hund (ebd., Abb. 39 – Cod. 2675*, 5v; in Coredo dem Kontext entsprechend mit Hinweis auf die Hinrichtung des Marschalls durch Rädern) und die Heimkehr (ebd., Abb. 41 – Cod. 2675*, 8r) vor. Unmittelbare Zusammenhänge werden bei der Darstellung der Tötung des Zwerges und bei der Heimkehr deutlich, wo allerdings das Motiv der zwei Figuren auf einem Pferd auf andere Personen bezogen wird. Obwohl die Fresken in Coredo später als Cod. 2675* entstanden, sind die Kompositionen weniger raumhaltig. Die Architekturen (z. B. der Verkaufsladen) bilden zwar auch begehbare Raumkompartimente, sie sind jedoch immer bildparallel angeordnet. Der Figurenstil ist nicht vergleichbar, viel graphischer und ganz unplastisch. Die Fresken belegen aber unzweideutig, dass der Stoff bekannt war und dass es eine Bildtradition gab.

Editionen:

Schondochs Gedichte. Hrsg. von Heinrich Heintz. Breslau 1908 (Germanistische Abhandlungen 30), S. 77–142. – Jutta Strippel: Schondochs ›Königin von Frankreich‹. Untersuchungen zur handschriftlichen Überlieferung und kritischer Text. Göppingen 1978 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 252).

Literatur zu den Illustrationen:

Josef Weingartner: Die profane Wandmalerei Tirols im Mittelalter. Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 5 (1928), S. 1–63, bes. S. 35–45 (zu Coredo). – Arend Mihm: Überlieferung und Verbreitung der Märendichtung im Spätmittelalter. Heidelberg 1967, S. 13–16. – Sibylle Jefferis: Das Bildprogramm für Schondochs Novelle ›Die Königin von Frankreich und der ungetreue Marschall‹ (c. 1400). Fifteenth-Century Studies 29 (2004), S. 111–132. – Sibylle Jefferis: Schondochs Märe Die Königin von Frankreich und der ungetreue Marschall im Vergleich mit dem Sibillenroman von Elisabeth von Nassau-Saarbrücken. In: Text Analyses and Interpretations: In Memory of Joachim Bumke (Kalamazoo papers 2012–2013). Hrsg. von Sibylle Jefferis. Göppingen 2013, S. 105–124.