KdiH

KdiH

_ (der Unterstrich) ist Platzhalter für genau ein Zeichen.
% (das Prozentzeichen) ist Platzhalter für kein, ein oder mehr als ein Zeichen.

Ganz am Anfang und ganz am Ende der Sucheingabe sind die Platzhalterzeichen überflüssig.

ß · © ª º « » × æ œ Ç ç č š Ł ł ́ ̀ ̃ ̈ ̄ ̊ ̇ ̋ ͣ ͤ ͥ ͦ ͧ ͮ Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ σ ς τ υ φ χ ψ ω ͅ ̕ ̔

60. Williram von Ebersberg, Hoheliedkommentar

Bearbeitet von Nicola Zotz

KdiH-Band 7

So breit Willirams von Ebersberg ›Expositio in Cantica Canticorum‹ im Mittelalter überliefert wurde (Gärtner zählt 42 deutschsprachige Handschriften; Kurt Gärtner: Zu den Handschriften mit dem deutschen Kommentarteil des Hoheliedkommentars Willirams von Ebersberg. In: Deutsche Handschriften von 1100 bis 1400. Hrsg. von Volker Honemann / Nigel F. Palmer. Tübingen 1988, S. 1–34; weitere vier Neufunde ergänzt ders. in 2VL 10 [1999], Sp. 1156–1170), so ist doch die Ausstattung seines Textes mit Bilderschmuck eine Ausnahme geblieben. Die einzige mit figürlichen Illustrationen versehene Williram-Handschrift liegt im Codex Ms. theol. lat. quart. 140 der Staatsbibliothek zu Berlin vor (Nr. 60.0.1., um 1180).

Die früheren Handschriften folgen in ihrer Gestaltung der auf den Autor zurückgehenden dreispaltigen Mise en page (in der Mitte der Vulgata-Vers in größerer Schrift, links eine lateinische Paraphrase und Kommentar, rechts eine Übersetzung der lateinischen Textbestandteile in spätalthochdeutsch-lateinischer Mischsprache), die durch geometrische Initialen geschmückt sein kann: so in München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 10 (2. Hälfte 11. Jahrhundert), Roma, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 73 (Ende 11. Jahrhundert), bei der die drei Spalten mit einer Arkatur versehen sind, und Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2686 (2. Viertel 12. Jahrhundert). Dieses anspruchsvolle Layout wurde bald aufgelöst und durch ein einspaltiges ersetzt (zur Überlieferung grundsätzlich zuletzt Bohnert [2006]; siehe auch Michael Rupp / Henrike Lähnemann: Von der Leiblichkeit eines ›gegürteten Textkörpers‹. Die ›Expositio in Cantica Canticorum‹ Willirams von Ebersberg in ihrer Überlieferung. Wolfram-Studien XIX [2006], S. 95–116).

Eine Bildlücke in der Berliner Handschrift (Nr. 60.0.1.) lässt möglicherweise darauf schließen, dass es weitere illustrierte Handschriften gegeben hat. Im Anschluss an den Prolog auf 124v ließ der Schreiber elf Zeilen frei und notierte darunter, bevor er auf der nächsten Seite den eigentlichen Text beginnen ließ, das Incipit sowie ein Epigramm Willirams: Prenotat a longe Salomon dotalia sponse Quam thalami summi dignam scit federe fungi. Die Positionierung des Epigramms unter der Bildlücke und unmittelbar vor dem Beginn des eigentlichen Textes lässt es denkbar erscheinen, dass eine Vorlage dieser Handschrift hier ein Titelbild eingefügt hatte, dem das Epigramm als Bildunterschrift diente. Darauf, dass es eine solche Tradition gegeben hat, deutet auch ein sehr viel späteres Textzeugnis: Im Jahr 1528 veröffentlichte der Humanist und Reformator Menrad Molther eine Übersetzung von Willirams Text ins Lateinische: VVilrammi Abbatis Olim Eberespergensis in Cantica Solomonis mystica explanatio, Hagenau: Wilhelm Seltz 1528 (VD16 B 3704; vgl. zuletzt Michael Rupp: Aurea vetustas. Die Bedeutung des frühen Mittelalters für Humanismus und Reformation bei Menrad Molther. In: Das Mittelalter des Historismus. Formen und Funktionen in Literatur und Kunst, Film und Technik. Hrsg. von Mathias Herweg / Stefan Keppler-Tasaki. Würzburg 2015 [Rezeptionskulturen in Literatur- und Mediengeschichte 3], S. 91–105). Auch er stellte dem Hoheliedkommentar Willirams Epigramm zur Seite, bei ihm wird es aber explizit durch einen Begleittext als ehemalige Bildunterschrift gekennzeichnet: ad Solomonis et Sponsæ depictas imagines (vgl. Bohnert [2006] S. 156 mit Anm. 214 und S. 179 Anm. 276). Wenn nicht auch Molther aus dem Epigramm auf eine entsprechende Bildtradition schloss, liegt es nahe anzunehmen, dass ihm eine derart illustrierte Handschrift vorgelegen hat.

Was die Ikonographie der Hohelied-Illustrierung betrifft, wären Vergleiche zur lateinischen Kommentar-Tradition, zur Illustration des Hohenliedes im Kontext von Bibeln sowie zu vom Bibeltext unabhängigen Hohelied-Darstellungen zu ziehen.

Zur lateinischen Kommentar-Illustration siehe Marchesin (2008) S. 278, Anm. 3f.; vgl. auch Michael Curschmann: Imagined Exegesis. Text and Picture in the Exegetical Works of Rupert of Deutz, Honorius Augustodunensis, and Gerhoch of Reichersberg. Traditio 44 (1988), S. 145–169. Zur Illustration des Hohenliedes in Bibeln siehe grundsätzlich Marchesin (2008); siehe auch Judith Glatzer Wechsler: A Change in the Iconography in the Song of Songs in 12th and 13th Century Latin Bibles. In: Texts and Responses. Studies Presented to Nahum N. Glatzer on the Occasion of his Seventieth Birthday by his Students. Hrsg. von Michael A. Fishbane / Paul R. Flohr. Leiden 1975, S. 73–93; zur Sponsus-Sponsa-Darstellung siehe Ruth Bartal: Le Cantique des cantiques. Texte et images. Les Cahiers de Saint-Michel de Cuxa 25 (1994), S. 121–128; zur Hohelied-Illustration in deutschen Bibeln siehe in diesem Katalog Stoffgruppe 14. Bibeln, besonders die Furtmeyr-Bibel, Nr. 14.0.1. Bezogen auf die Ikonographie der vom Bibeltext unabhängigen Hohelied-Darstellungen (Wandmalerei, Textilien, Skulptur, Blockbücher etc.), sind im Wesentlichen einzelne Werke (etwa Marilyn Aronberg Levin: An Allegory of Devine Love. The Netherlandish Blockbook Canticum canticorum. Philadelphia 2014) oder ausgewählte Motive erforscht (Brian E. Daly: The ›Closed Garden‹ and the ›Sealed Fountain‹. Song of Songs 4:12 in the Later Medieval Iconography of Mary. In: Medieval Gardens. Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture. Hrsg. von Elizabeth B. MacDougall. Washington 1986, S. 253–278; Karin Lerchner: Lectulus floridus. Zur Bedeutung des Bettes in Literatur und Handschriftenillustration des Mittelalters. Köln / Weimar / Wien 1993, bes. S. 245–269). Grundlegend siehe LCI s. v. Hoheslied, Bräutigam und Braut, Ecclesia.

Grundsätzlich ist bei der Illustration von Bibelkommentaren zu fragen, ob die Darstellung auf die literale oder die typologische Ebene zu beziehen ist. Für das Hohelied mit seinem weltlich-erotischen Inhalt gilt, dass in der Regel die Auslegungsebene illustriert wurde: Der Bräutigam ist als Christus, die Braut als Ecclesia oder, ab dem 13. Jahrhundert, als Maria dargestellt (Marchesin [2008] S. 278). Auch bei Williram steht die typologische Ebene klar im Vordergrund.

Die Berliner Williram-Handschrift stellt eine der ersten Handschriften überhaupt dar, in denen ein deutschsprachiger Text mit Illustrationen versehen wurde. Angeregt durch die Illustration lateinischer Hoheliedkommentare, z. B. des Honorius Augustodunensis, war der Schritt nicht weit, einen lateinisch-deutschen Text derselben Gattung zu illustrieren und so die Illustration in deutschsprachige Handschriften einzuführen.

Editionen:

Die älteste Überlieferung von Willirams Kommentar des Hohen Liedes. Edition – Übersetzung – Glossar. Hrsg. von Rudolf Schützeichel / Birgit Meineke. Göttingen 2001 (Studien zum Althochdeutschen 39). – Williram von Ebersberg: Expositio in Cantica Canticorum und das ›Commentarium in Cantica Canticorum‹ Haimos von Auxerre. Hrsg. von Henrike Lähnemann / Michael Rupp. Berlin 2004.

Literatur zu den Illustrationen:

Siehe die Literatur zu Nr. 60.0.1.

Siehe auch: