KdiH

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52.3.1. Hall in Tirol, Pfarrarchiv, o. Sign.

Bearbeitet von Nicola Zotz

KdiH-Band 6

Datierung:

1508/09.

Lokalisierung:

Hall in Tirol.

Besitzgeschichte:

Erstbesitzer und Hauptschreiber der Handschrift war Florian Waldauf von Waldenstein (um 1450–1510), spätestens seit 1487 als königlicher Rat und Protonotar im Dienst Maximilians I. Waldauf gab auch die Holzschnitte bei Hans Burgkmair d. Ä. (1473–1531) in Auftrag. Der Druck war möglicherweise bei Erhard Ratdolt, Lukas Zeissenmair oder Hans Pirlin in Augsburg oder bei Hans Koberger in Nürnberg geplant (Garber [siehe unten Literatur] S. XLVIIIf.). Nach Waldaufs Tod wurde an der Handschrift weiter gearbeitet, noch im 17. Jahrhundert wurden Korrekturnachträge angebracht.

Inhalt:
1r–186v Haller Heiltumsbuch (unvollständig)
1r–3v Vorrede; 4r–14r 1. Teil: Über die Waldauf’sche Stiftung des Heiltums; 14r–25v 2. Teil: Die Geschichte der Waldauf’schen Stiftung; 26r–50v 3. Teil: Inhalt der Stiftung; 51r–90v 4. Teil: Päpstliche und kaiserliche Privilegien (Schluss fehlt); 117r–186v 5. Teil: Darstellung der Reliquien (Anfang und Schluss fehlen)
I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, (noch) 148 Blätter, zeitgenössische Foliierung (1–186; es fehlen insgesamt 31 Blätter: in der Mitte 20, 21, 91–116 sowie am Schluss 187–189; in der Zählung übersprungen sind die Blattnummern 121 und 171–179; acht Einschaltblätter), 320 × 230 mm. Kursive, eine Hand (Florian Waldauf von Waldenstein) plus zwei Korrekturhände, einspaltig, wobei die Abbildungen im Druck teilweise in ainer columpnen (z. B. 54r), teilweise in peiden columpnen (z. B. 60r) vorgesehen waren, 39–44 Zeilen, Initialen (über drei bis vier Zeilen) nicht ausgeführt.

Schreibsprache:

südbairisch.

II. Bildausstattung:

Erhalten sind 145 der ursprünglich 151 Holzschnitte, die in die Handschrift eingeklebt wurden: XXIII der ehemals XXVII Holzschnitte zu den Texten über die Waldauf’sche Stiftung (im Holzschnitt römisch am oberen Rahmen durchgezählt; es fehlen Nr. IX, XVI, XXV und XXVI) gefolgt von 122 der ehemals 124 Reliquiarholzschnitte (arabisch von einer der Korrekturhände durchgezählt; es fehlen Nr. 115 und 118). Auch bei den Reliquiarholzschnitten keine Wiederholung. Alle Holzschnitte sind Hans Burgkmair d. Ä. zuzuschreiben (keine Künstlersignaturen).

Format und Anordnung:

Die römisch gezählten Holzschnitte variieren in ihrer Größe (neunmal ca. 170 × 120 mm, achtmal ca. 75 × 55 mm, sechsmal Zwischengrößen); die Reliquiarholzschnitte haben demgegenüber eine recht einheitliche Größe (45–60 × 30–50 mm, einige wenige Holzschnitte sind größer). Großformatige Holzschnitte sind auf einer leeren Seite eingeklebt, wohingegen die kleineren auf vom Schreiber freigelassenem Raum im Text oder (wenn der freigelassene Raum nicht ausreichte) am Rand eingefügt wurden. Der Raum, der für die Holzschnitte ausgespart wurde, ist manchmal zu groß, manchmal zu klein: Anzahl, ungefähres Format und Zuordnung der Holzschnitte zum Text waren dem Schreiber also von Anfang an bekannt, ihre konkrete Ausführung hingegen nicht. Die römisch gezählten Holzschnitte sind einfach oder doppelt gerahmt, die Reliquiarholzschnitte nicht. Alle Holzschnitte sind in unmittelbarer Nähe der Texte eingeklebt, auf die sie sich beziehen; dass diese Nähe auch für den Druck vorgesehen war, bezeugen beigeschriebene Anweisungen an den Drucker (z. B. 10v).

Bildaufbau und -ausführung:

Viele der Darstellungen der Teile 1–4 in Innenräumen, die perspektivisch gestaltet und häufig durch Architekturelemente (Säulen, Fenster) strukturiert sind. Etwaiges Personal wird geschickt im Raum angeordnet (vgl. z. B. die knienden und stehenden Menschen, die den Raum vor dem Altar in Nr. VI füllen, oder die Vorlagerung des Volkes vor dem Heiltumsstuhl in Nr. XXVII). Außenraum kommt nur bei den Prozessionsholzschnitten X und XI und auch dort nur in sehr zurückgenommener Form zur Darstellung: Einzig bei den beiden Städten, die Ausgangs- und Zielpunkt der Prozession bilden, ist bergige Umgebung angedeutet. Als wiederkehrendes Motiv auf Thronen sitzende Ganzfiguren (meist im Halbprofil nach links gewandt) für die kirchlichen und weltlichen Würdenträger und Bestätiger der Stiftung. Die Reliquiare sind stets frontal und ohne räumliche Bezugspunkte dargestellt (Ausnahme: die auf Kissen ruhenden Kopfreliquiare sind in Aufsicht wiedergegebenen).

Stilistisch zeichnen sich Burgkmairs Holzschnitte durch ihre sichere und präzise Wiedergabe von Details aus. Sowohl die wiederkehrenden und einander ähnelnden Formtypen (wie die zahlreichen Büsten) als auch die Holzschnitte, die verschiedene Menschen darstellen, zeugen dabei von einer Freude an der Variation und der Ausgestaltung von Charakteristika, die sich beispielsweise in unterschiedlichen Perspektiven, Kopfhaltungen oder Ausstattungen niederschlägt. Dies ist nicht allein auf die zugrundeliegenden, unterschiedlichen Realien zurückzuführen, denn auch solche hätte man (wie andere Holzschnitte in Heiltumsbüchern, beispielsweise des Bamberger Heiltums [z. B. 52.2.b.] zeigen) stärker abstrahieren können. West deutet diese Variation als Ausdruck der Augenzeugenschaft Burgkmairs, an die auch die Augenzeugenschaft eines Lesers hätte anknüpfen können: Wer das Haller Heiltumsbuch nach einer Heiltumsweisung erworben hätte, hätte seine eigenen schillernden und variierenden Eindrücke von Reliquien in solchen Darstellungen gespiegelt gefunden (vgl. West [1998] S. 268–270).

Dem Nürnberger Heiltumsbuch von 1487, gedruckt bei P. Vischer (GW M27302) nachempfunden sind die Titelseite mit Wappen 1r (Nürnberg 1r) und der Heiltumsstuhl 125v (Nürnberg 4r), vgl. Cárdenas (2013a) S. 208; wie insbesondere der Vergleich der Nürnberger mit der auffällig ähnlich komponierten Haller Darstellung des Heiltumsstuhls zeigt, legte Burgkmair Wert auf weiche Zeichnung der Gesichter, fließende Gewänder und differenzierte Ausführung von Grauschattierungen und Schraffuren (z. B. bei den Holzbalken oder den gewölbten Brustpanzern der Geharnischten). Gleichzeitig verfolgen gerade die Reliquiarholzschnitte auch ein Ideal der Einfachheit, in dem sich nach West (1998) S. 255 »artistic restraint and accurate rendering« verbanden. Gerade bei den Reliquiarholzschnitten dürfte Wirklichkeitsnähe ein wesentliches Ideal gewesen sein, wie sich bei Holzschnitt Nr. 123 und dem ihm zugrunde liegenden, heute noch erhaltenen Reliquiar (an dessen Fuß ebenfalls die Nr. 123 eingraviert ist) zeigen lässt. Die Abbildung dieses Kreuzreliquiars, dem aufgrund seiner Bedeutung die Schlussposition bei der Weisung zukam (es war das einzige Stück, das im letzten Gang gezeigt wurde), gibt seinen Aufbau sehr genau wieder: den Viereck-Fuß, über dem ein Vierpass herausgetrieben ist, der sich zum Schaft aufwölbt, welcher von drei profilierten Wulstringen geziert wird, die Struktur des Längs- und des Querbalkens ebenso wie die zwei das Mittelstück mit der Kreuzholzreliquie haltenden Engel. Diese freilich sind im Verhältnis deutlich größer dargestellt, so dass sie auch im Medium des Holzschnitts klar als Engel erkennbar sind.

Bildthemen:

Die Holzschnitte illustrieren in den Teilen 1–4 die Geschichte und die einzelnen Bestandteile der Stiftung, in Teil 5 sind die aufgezählten Reliquiare dargestellt.

I (1r): Wappen der Stadt Hall mit der von Kaiser Maximilian 1501 erlassenen Erweiterung;

II (3v): Zu Füßen der im oberen Drittel angeordneten Dreifaltigkeit samt Maria knien im mittleren Teil betende Stifter mit ihren Wappen; im unteren Drittel weitere Männer, Frauen und Kinder;

III (6r): Seenot Maximilians in der Zuidersee, die der Anlass für die Stiftung war (Text 6v–8v); es vergleichen sich ähnliche, wohl später (und möglicherweise mit Kenntnis dieses Drucks) entstandene Seenot-Darstellungen im Theuerdank-Druck (Nürnberg: Johann Schönsperger d. Ä. 1517 [VD16 M 1649]; vgl. Stoffgruppe 86. Maximilianea);

IIII (Einschaltblatt nach 9v): Prediger auf Kanzel, durch den die Gründung eines Predigtamtes für die Stiftung (Text 10v) illustriert wird;

V (11r): Betender Priester vor Kruzifix, bezogen auf die Vorgabe der Stiftung, das ain andechtiger priester knyende vor ainem Cruzifix alle tag mit andacht lesen vnd peten solte (11r);

VI (11v): Stifter und Stifterin knien mit Familie und Gefolge vor einem Altar; die Erbauung der Heiligen Kapelle war Teil der Stiftung (Text 12r);

VII (11v): Krönung Mariens durch die Dreifaltigkeit (Darstellung der Marienstatue aus dem Umkreis Michael Pachers, die heute noch – stark barockisiert – Bestandteil des Altars ist), am unteren Bildrand sechs Reliquiare; die Erlangung vil stúcks hochwirdigs heyl-thumbs vnd Reliquien war ebenfalls Bestandteil der Stiftung (Text 12r);

VIII (19r): Kaiser Maximilian, nach rechts schauend, hinter ihm König Philipp von Spanien und Florian Waldauf (je mit Wappen zu ihren Füßen) sowie weitere Personen; die dem Holzschnitt gegenüberliegende Seite fehlt (Textbezug nicht rekonstruierbar, grundsätzlich geht es in diesem Abschnitt um die Beziehungen Maximilians nach Spanien);

X (23v) und XI (24r): Überstellung der von Waldauf gesammelten Reliquien von Schloss Rettenberg nach Hall in einer Prozession (Text 24v–25v): Die je dreigeteilten Holzschnitte zerlegen die Prozession in insgesamt sechs fortlaufende Teile, bis unten rechts Hall erreicht ist;

XII (27v): Stifter mit Frau und Sohn sowie Gefolge vor einem Altar kniend; bezieht sich nochmals auf die Stiftung der heiligen Kapelle durch das Stifterpaar (Text 28v), auf die sich auch der folgende Holzschnitt bezieht;

XIII (28r): realitätsnahe Darstellung der heiligen Kapelle samt Krönung Mariens (links, vgl. Holzschnitt VII) als Teil des Kirchen-Innenraums, mit Reliquienschrank im Hintergrund (rechts);

XIIII–XVII: Auf dem Thron sitzend, eine besiegelte Bulle in Händen: Papst Alexander VI. (51v), Papst Julius II. (54r), Kaiser Maximilian I. (67r); sie bestätigten die Stiftung und erließen Privilegien und Ablässe (Text jeweils auf derselben Seite);

XVIII–XXI (alle 68r): Vier Holzschnitte mit je drei Wappen: Kaiser, Erzbischof von Salzburg, Bistum Brixen, Bistum Augsburg, Stift Kempten, Domkapitel von Brixen, Stift Wilten, Stadt Kempten, Stadt Meran, Stadt Hall, Stadt Innsbruck, Stadt Sterzing; die Träger dieser Wappen waren zu Bewahrern der Stiftung ernannt worden (Text 67v–68r);

XXII–XXIIII: Auf dem Thron sitzend, eine besiegelte Bulle in Händen: König Philipp von Spanien (87v), der Salzburger Erzbischof (90r), der Brixener Bischof Christoph von Schrofenstein (88r [sic]); ebenfalls Wohltäter der Stiftung (Text jeweils auf derselben Seite);

XXVII (125v): Zweistöckiger Heiltumsstuhl mit Heiltumsweisung: Unter einem Dach im oberen Stock unter anderem der Heiltumsschreier und verschiedene Würdenträger, welche die Reliquien vorführen; im unteren Stock (im mittleren Bild-Teil) Männer in Rüstung und mit Hellebarden; im unteren Bilddrittel das Volk, mit Blick auf den Heiltumsstuhl und diesem vorgelagert; Auf der gegenüberliegenden Seite (126r) beginnt die Aufzählung der Reliquien im ersten Gang, so dass der Holzschnitt den Beginn des 5. Teils wie ein Titelholzschnitt markiert.

Reliquiarholzschnitte: 49 Büsten, 27 Kopfreliquiare auf Kissen, 16 Kästchen, 14 Armreliquiare, acht Tafelreliquiare, vier Monstranzen, ein Banner, ein Kreuz, eine Tafelmalerei mit dem Rock Christi, eine Altarmensa. Die Reliquien sind nach Gängen geordnet, die sich grob, aber keineswegs durchgehend an Form und Typus der Reliquiare orientieren. Bild und Text sind nach einem durchgehenden Schema angeordnet: Zunächst erscheint das Bild, darunter steht dann die (mit der gleichen arabischen Nummer wie der Holzschnitt versehene) Beischrift.

In den narrativen und darstellenden Teilen 1–4 illustrieren die Holzschnitte den Text. Burgkmair dürfte den Text des Heiltumsbuchs gut gekannt haben: So lassen sich etliche Aspekte der Erzählung von Maximilians Seenot im Holzschnitt wiederfinden, etwa die mehrfach erwähnten Ruder, die macht vnd gewalt des Segels vnd wints (7v) und die zugefrorene See mit den Eisschollen, die das Schiff leck schlugen. Die Todesangst von Maximilians Reisegenossen ist ebenso dargestellt wie die Tatsache, dass sich sein kayserlich Mayestat in solchen todes noten gantz trostlich vnd vnerschrocken [hielt] (8r). In Teil 5 sind demgegenüber die Bilder primär (und sicherlich in Kenntnis der Realien angefertigt worden, vgl. oben Bildaufbau und -ausführung), und die Texte, stets den Bildern nachgeordnet, nennen das, was man nicht sehen kann: die in den Gefäßen enthaltenen Reliquien. Stereotyp beginnen die Beischriften mit den Worten: Jn disem pild (Arm/gefess etc.) ist heylthumb, worauf die Aufzählung der enthaltenen Reliquien folgt, manchmal ergänzt durch kurze hagiographische Angaben; wenn die Reliquien ungefasst sind, werden sie direkt benannt, beispielsweise Das ist das hawbt sand Affra etc. (138r). Wie alle Texte in Teil 5 sind auch die Beischriften an der Performanz der Heiltumsweisung ausgerichtet und geben wörtlich wieder, was der Heiltumsschreier anlässlich der Weisungen sagen sollte. Wegen der Präsenz der Reliquien genügt es, sie zu benennen, ohne Aussehen oder Material des Gezeigten zu beschreiben.

Farben:

Holzschnitte nicht koloriert.

Literatur:

Ludwig von Hohenbühel: Die Holzschnitte der Handschrift des Heilthum-Büchleins im Pfarrarchive zu Hall in Tyrol. Ein Beitrag zur Kunst- und Culturgeschichte des beginnenden 16. Jahrhunderts. Innsbruck 1883; Josef Garber: Das Haller Heiltumbuch mit den Unika-Holzschnitten Hans Burgkmairs des Älteren. Jahrbuch der kunst-historischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses 32, H. 6 (1915), S. I–CLXXVII; Kühne (2000) Abb. 22 (3v), 23 (27v), 24 (23v), 25 (125v); Livia Cárdenas: Zwischen Legitimation und Memoria. Florian Waldauf und das unvollendete Projekt des Haller Heiltumsbuches. In: Forum Hall in Tirol. Neues zur Geschichte der Stadt, Band 2. Hrsg. von Alexander Zanesco. Hall in Tirol 2008, S. 234–253; West (2008); Cárdenas (2013a) S. 187–239, 360f., 368–379, Abb. 108–127 (6r, 19v, 1r, 3v, 11v [2], 27v, 28r, nach 9v, 11r, 23v, 24r, 51v, 54r, 67r, 87v, 88r, 90r, 68r, 125v, 133v/134r, 138r, 150v, 154r, 160r), 129–132 (180v, 146r, 163v, 153r).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 52.5: 3v–4r. Anbetung der Dreifaltigkeit mit Maria. Foto: Livia Cárdenas.

Abb. 52.6: 152v–153r. Reliquiare. Foto: Livia Cárdenas.

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Abb. 52.5.
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Abb. 52.6.