KdiH

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43.1.43. Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs 70

Bearbeitet von Regina Cermann

KdiH-Band 5

Datierung:

Um 1451 (17r, 19v), später nachgetragen 1453 (226v Anno salutis nostri M.cccc.liij; Zettel im vorderen Innenspiegel anno 1633 ist gerechnet Daß dießes buch alt sey 180 Jahr. Welches geschrieben Anno 1453).

Lokalisierung:

Köln.

Besitzgeschichte:

Allianzwappen auf 22v nicht identifiziert (links, heraldisch rechts: weiß, blau, rot geteiltes Feld, belegt mit grüner Weinrebe; rechts, heraldisch links: drei rote Kardinals- oder Judenhüte mit gekreuzten grünen Bändern [2 : 1] auf Weiß, in der Mitte gelb-grüne Muschel oder Blüte). Aldenhoven (1902) wollte das Wappen der Frau (rechts) für die Kölner Familie Hardenrath, Achten/Knaus (1959) für die Kölner Familie Jüdden in Anspruch nehmen – doch stimmen in beiden Fällen die Tinkturen (Gold auf Blau bzw. Silber auf Rot) nicht überein (vgl. zuletzt Schmid [1993] S. 19, Schmid [1994] S. 351, Anm. 116, Dickmann [2004] S. 33 f.). Hingegen zeigt u. a. das Wappen der westfälischen Familie von Jud[d]en, die wahrscheinlich mit den Kölner Jüdden verwandt war, drei rote Hüte auf Weiß (Spiessen [1901–1903] Bd. 1, S. 78, Bd. 2, Taf. 187, vgl. aber auch Bd. 1, S. 68, 77, 106, Taf. 165, Bd. 2, Taf. 188, 266). Der Stammbaum der Familie von Jud[d]en bietet jedoch – soweit dokumentiert – keinen Anhaltspunkt für das männliche Wappen (vgl. Stammbaum der Familie v. Juden: Münster, Staatsarchiv, Sammlung Spießen, Bl. 128–130; Heidenreich [1985–1986] Teil 1, S. 78–81, Teil 2, Taf. 128) Dickmann ([2004] S. 34) möchte die »Muschel« als persönliches Ehrenzeichen (Andenken an eine Pilgerreise?) und nicht als Bestandteil des Familienwappens verstanden wissen. Auf 173r finden sich zur Kaschierung einer Fehlstelle auf dem unteren Blattrand viermal hintereinander die Initialen w und l in Goldschrift geschrieben, die versuchsweise als Künstler-,Bordürenmaler- bzw. Schreibersignatur (Achten/Knaus [1959] S. 141; Knaus [1973a] S. 445 f.), Devise oder Initialen der Auftraggeber (König [1989] S. 163, Dickmann [2004] S. 34) gedeutet wurden. 1774 vermutlich als Geschenk des Freiherrn Carl Anton Joseph Thadeus von Weipeler, Herrn zu Busche, in den Besitz des Kölner Sammlers Baron Hüpsch (1730–1805; vgl. Lust und Verlust [1995] S. 45–76, 355 f., 527–545) gelangt (dort als Nr. 167 verzeichnet), der seine Sammlung testamentarisch Landgraf Ludewig X. von Hessen-Darmstadt vermacht hat (olim Hs 1972 in der Hofbibliothek).

Inhalt: Sogenanntes Lochner-Gebetbuch (recte Stundenbuch)

1r–1v

leer

2r–13v

Kalender der Diözese Köln (sechs Spalten: Neumond [nur Stunden-, keine Minutenangabe], Goldene Zahl, Mondalter, Sonntagsbuchstabe, astrologischer Buchstabe, Festtage [gold u. a.: 23. 7. Die drij Conynge, 28. 7. S. panthaleon mr., 10. 10. S. Gereon mr., 21.10. Die xjm meghde, 23. 10. S. Seuerijn bus., 22. 11. Cecilie Junff., 13. 12. S. lucie S. Joest S. Odilie])

14r–15r

leer

15v–16r

Aderlaßtafel

16v

leer

17r–18r

Tabelle für Goldene Zahl, Sonntagsbuchstaben, Wochen und Tage von Achterwinter (25.12.) bis Fassnacht (Sonntag Esto mihi) für die Jahre 1451–1501

18v–19r

leer

19v

Tabelle für Goldene Zahl, Sonntagsbuchstaben, Ostertermin für die Jahre 1451–1477

20r–22r

leer

22v–72v

Kleines Marienoffizium

22v

Miniatur: Verkündigung (Innenraum entspricht Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 38v; Nr. 43.1.74., 1v. Figuren seitenverkehrtes Zitat der Mitteltafel des Mérode-Altars vom Meister von Flémalle [New York, Metropolitan Museum, The Cloisters Collection, Inv.-Nr. 1956, 56.70]). In der Bordüre unten modisch aufgeputzte Wappenfrau, zwischen zwei Raubkatzen (?) sitzend, um deren Hälse Wappen gebunden sind (s. o.)

43v

Historisierte Initiale: Heimsuchung (vgl. Nr. 43.1.139., Inv.-Nr. 39857r; Mainz, Martinus-Bibliothek, Hs. 8, 36v; St. Petersburg, Natsionalnaia Biblioteka, Ms. Lat. O.v.I.206, 7v; Figuren reproduziert in Kupferstichen vom Meister des heiligen Erasmus [lehrs 2 und 3] und Meister des Dutuitschen Ölbergs [lehrs 11], in einem Metall- [schreiber 2188h] sowie Holzschnitt (vgl. Rathofer/Schmitz/Gaus [1988])

48v

Historisierte Initiale: Geburt Christi (vgl. Mainz, Martinus-Bibliothek, Hs. 8, 40r; Köln, Diözesan- und Dombibliothek, Dom Hs. 229, 15v)

52v

Historisierte Initiale: Anbetung der Hl. Drei Könige (vgl. Cambridge/Mass., Harvard University, The Houghton Library, Ms Richardson 21, 12v; ehem. Mainz, Martinus-Bibliothek, Hs. 8, 44v [Dezember 2007 mit zwei weiteren Blättern im Wiener Kunsthandel aufgetaucht]; jüngster König entspricht Kupferstich vom Meister der Berliner Passion [lehrs 14])

56v

Historisierte Initiale: Darbringung im Tempel (vgl. St. Petersburg, Natsionalnaia Biblioteka, Ms. Lat. O.v.I.206, 15v)

60v

Historisierte Initiale: Flucht nach Ägypten

68r

Historisierte Initiale: Maria als Himmelskönigin zur Rechten Gottes thronend (vgl. Mainz, Martinus-Bibliothek, Hs. 8, 57r)

73r–91v

Sieben Bußpsalmen mit eingeschobenen Gebeten (s. Nr. 43.1.78.), Litanei (vor den Aposteln werden noch Alle helige drij koninge genannt, außerdem lambert, gereon, cassij; cunibertz, huprecht, seuerijn, matern), Fürbitten, Kollekte

73r

Historisierte Initiale: David im Gebet

92r–94v

leer

95r–141r

Lange Totenvigil (Ottosen [1993] 14/72/24 32/57/28 51/79/38)

95r

Historisierte Initiale: Seelen im Fegefeuer (ähnlich Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 103r; Nr. 43.1.138., 39855r)

141v

leer

142r–149v

Rosenkranz mit Vorrede (vgl. Klinkhammer [1972] S. 222–224; mit nur 47 statt angekündigter 50 Clausulae)

150r–207v

50 Heiligengebete und -suffragien (alle bis auf eines zu Allerseelen illustriert)

150r

Historisierte Initiale: Erzengel Michael (entspricht Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 199r bzw. einem ehem. Israhel van Meckenem zugeschriebenen Kupferstich [lehrs 374])

151r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Petrus

152r

Historisierte Initiale: Martyrium von Johannes d. T.

153r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Paulus

154v

leer

155r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Andreas

157r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Jakobus d. J.

158r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Jakobus d. Ä.

159r

Historisierte Initiale: Martyrium von Johannes d. Ev.

160r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Thomas

161r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Philippus

162r

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Bartholomäus

163v

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels Matthias

164v

Historisierte Initiale: Martyrium der Apostel Simon und Judas Thaddäus

165v

Historisierte Initiale: Martyrium des Apostels und Evangelisten Matthäus

166v

leer

167r

Historisierte Initiale: Evangelist Lukas

168r

Historisierte Initiale: Evangelist Markus

169r

Historisierte Initiale: Schutzengel

171r

Historisierte Initiale: Martyrium des hl. Sebastian

172r

Historisierte Initiale: Antonius (ähnlich Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 186r)

173r

Historisierte Initiale: Christophorus (entspricht Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 189r)

174r

Historisierte Initiale: Kilian mit Totnan und Kolonat

175r

Historisierte Initiale: Maternus

176r

Historisierte Initiale: Leonhard

177r

Historisierte Initiale: Erasmus

179r

Historisierte Initiale: Thomas Becket

180r

Historisierte Initiale: Silvester

181r

Historisierte Initiale: Jodocus (ähnlich Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 17r)

182r

Historisierte Initiale: Zehntausend Märtyrer

183r

Historisierte Initiale: Oswald

184r

Historisierte Initiale: Felix und Adauctus (vgl. Kupferstich vom Meister des Dutuitschen Ölbergs mit dem hl. Laurentius [lehrs 63], Abb. Van der Stock [2002] Nr. 176)

185r

Historisierte Initiale: Nikolaus

186r

Historisierte Initiale: Stephan (seitenverkehrt nach einem Kupferstich mit dem hl. Laurentius vom Meister des Dutuitschen Ölbergs [lehrs 63], Abb. Van der Stock [2002] Nr. 176)

187r–187v

Seelengebet

188r

Historisierte Initiale: Katharina

189r

Historisierte Initiale: Barbara (Turm entspricht Kupferstich vom Meister der Berliner Passion [lehrs 68], kopiert von Israhel van Meckenem [lehrs 389])

191r

Historisierte Initiale: Maria Magdalena

193r

Historisierte Initiale: Kunigunde

194r

Historisierte Initiale: Dorothea (seitenverkehrt in Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 200r)

195r

Historisierte Initiale: Apollonia

196r

Historisierte Initiale: Martyrium der hl. Agnes

197r

Historisierte Initiale: Ursula mit Bräutigam und ihren Gefährtinnen (spiegelbildliche Kopie des linken Innenflügels von Stefan Lochners Altar der Stadtpatrone [Köln, Dom])

198r

Historisierte Initiale: Elisabeth

199r

Historisierte Initiale: Margarete

200r–200v

leer

201r

Historisierte Initiale: Gregor d. Gr.

202r

Historisierte Initiale: Ambrosius

203r

Historisierte Initiale: Augustinus

204r

Historisierte Initiale: Hieronymus

205r

Historisierte Initiale: Quirinus von Neuß (entspricht Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 188r; Rüstung vgl. Kupferstich mit dem hl. Georg vom Meister der Berliner Passion [lehrs 64])

206r

Historisierte Initiale: Cornelius und Cyprian

207r

Historisierte Initiale: Hubertus (seitenverkehrt in Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 185r)

208r–219v

Kommuniongebete

219v–226v

Gebete zum Erzengel Michael und allen hl. Engeln, zu den Patriarchen und Propheten, Aposteln, Märtyrern, Jungfrauen, allen Heiligen

227r–235v

leer
I. Kodikologische Beschreibung:

235 Blätter, extrem feines Pergament, 107–108 × 80–83 mm (beschnitten), moderne Bleistiftfoliierung, Reklamanten bzw. Reste davon auf 30v, 38v, 62v, 70v, 86v, 102v, 110v, 118v, 126v, 134v, 142v, 150v, 215v, 223v. Lagenformel: Vorsatzblatt1, VI13, IV21, IV+130 (+22), 16 IV158, V168, 4 IV200, IV–1207 (vor 201), 3 IV231, III–2235 (als Innenspiegel). Textura von einer Hand, einspaltig, 17 Zeilen, Überschriften in Gold, einzeilige Initialen in Blau und Gold, sehr selten rote Strichelung. 193v, 226v Nachträge von späterer Hand. Beissel (1905) vermutete eine Entstehung in der Schreibstube der Brüder vom Gemeinsamen Leben im Kölner Haus am Weidenbach. Schrade (1928) und zunächst auch Knaus (in: Achten/Knaus [1959]) sowie Meurer (1970) plädierten für eine weltliche Werkstatt. Knaus revidierte 1973 seine Ansicht, da er den Goldrispenstil nunmehr originär für eine Eigenart der Augustinerchorherren vom Kölner Kloster Herrenleichnam hielt, die sich 1451 der Windesheimer Kongregation angeschlossen haben. König (1989) folgte ihm darin nicht, sondern nahm weiterhin eine weltliche Werkstatt an. Auch Jansen (1991) und Woelk (in Staub/Woelk [1996]) meldeten Vorbehalte gegenüber Knaus’ These an, die erst von Dickmann (2004) eingehend widerlegt wurde.

Schreibsprache:

kölnisch (Achten/Knaus [1959]).

II. Bildausstattung:

Eine ganzseitige Miniatur (22v). Neun zwölf- (43v, 48v, 52v, 56v, 60v, 68r, 73r, 95r, 197r), 48 neunzeilige historisierte Initialen (150r, 151r, 152r, 153r, 155r, 157r, 158r, 159r, 160r, 161r, 162r, 163v, 164v, 165v, 167r, 168r, 169r, 171r, 172r, 173r, 174r, 175r, 176r, 177r, 179r, 180r, 181r, 182r, 183r, 184r, 185r, 186r, 188r, 189v, 191r, 193r, 194r, 195r, 196r, 198r, 199r, 201r, 202r, 203r, 204r, 205r, 206r, 207r). Eine zwölf- (23r), eine neunzeilige Buchmalerinitiale (187r). Elf vierseitige (22v, 23r und bei den zwölfzeiligen Initialen), 49 dreiseitige Goldrispenbordüren (bei den neunzeiligen Initialen). Zahlreiche vierzeilige, gelegentlich auch zwei-, drei- oder sechszeilige Blattgoldinitialen auf rotem oder blauem Grund. – Für eine Zuschreibung an Stefan Lochner bzw. dessen Werkstatt sprachen sich Wescher (1930), Winkler (1930) (nur 22v eigenhändig), Förster (1938) (22v, 48v, 60v, 73r, 95r, 171r, 181r, 189v, 191r, 196r, 197r sicher eigenhändig), Jerchel (1938), Stange (1934–1961), Achten/Knaus (1959), Meurer (1971), König (1989) (ausgenommen 68r, 150r, 169r, 198r), Dickmann (1993 und 2004) (zu den von König [1989] ausgeschiedenen Miniaturen Apostelmartyrien hinzugefügt und dem Meister des Anholter Gebetbuchs zugeschrieben, s. Nr. 43.1.78.), Chapuis (2004) aus, dagegen Aldenhoven (1902), Schrade (1928), Jakoby (1987).

Der Goldrispenstil ist eine spezifische Kölner Eigenart, die zuerst im Berliner Lochner-Stundenbuch von ca. 1444 begegnet (Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a) und bis Ende der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts maßgeblich in der Domstadt blieb (vgl. Dickmann [2004]; auf Fragmenten einer liturgischen Handschrift in der Berliner Kunstbibliothek, die mit dem Kölner Stadtwappen versehen und 1529 datiert sind [Inv.-Nr. 4008,2–4008,7], wurden Goldrispen sogar noch mit Streublumen kombiniert; vgl. Hemfort [2001] S. 88 f., 211, Abb. 88). Während andernorts in Deutschland im 15. Jahrhundert der Akanthus die Seitenränder eroberte, hat diese Mode in Köln nie die Oberhand gewinnen können. Im vorliegenden Stundenbuch erblickt man allein gegenüber der Eröffnungsminiatur auf 22v eine vollgültige Akanthusranke, während der Akanthus sonst ebenso wie die phantastischen, gelegentlich auch naturalistischen Blüten, Blätter, Mohnkapseln und die berühmten »Christbaumkugeln« isolierte Farbinseln bilden, die von goldenen Rispenströmen quirlig umspült werden (vgl. z. B. 52v, 56v, 68r, 73r, 95r).

Die Idee für eine derart kostbare Ausstattung könnte aus Böhmen stammen, zumindest findet man um 1410–1420 in der Prager Buchmalerei vergleichbare Bestrebungen, Seitenränder wie ziselierte Goldschmiedearbeiten erscheinen zu lassen (vgl. Eröffnungsminiatur in der Boskovic-Bibel [Olmütz, Universitätsbibliothek, M III 3, IIv] und Einzelminiatur mit Paradiesgärtlein [Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Gem 54], beide vom Josua-Meister, dem partiell auch das Stundenbuch König Wenzels IV. zugeschrieben wird [Oxford, Pembroke College, ms. 20]; Schmidt [1969] Taf. XX [!], S. 222, 255 f.; Prague, The Crown of Bohemia [2005] S. 217 f., Nr. 82, S. 278 f., Nr. 120, S. 292–294, Nr. 133; Karl IV. Kaiser von Gottes Gnaden [2006] S. 247 f., Nr. 83, S. 484, Nr. 153).

Format und Anordnung:

Einzig das Marienoffizium, der wichtigste Text im Stundenbuch, erhielt eine ganzseitige Miniatur (22v) zu Beginn der Matutin (54 × 37 mm), die auf ein separates Einzelblatt gemalt worden ist (recto leer). Die übrigen Stunden des Marienoffiziums mit Ausnahme der Laudes, die übergangslos auf 33r an die Matutin anschließt (43v, 48v, 52v, 56v, 60v, 68r), die Bußpsalmen (73r), das Totenoffizium (95r) und das Gebet zur hl. Ursula mit ihren Gefährtinnen (197r) wurden jeweils mit einer zwölfzeiligen historisierten Initiale und einer vierseitigen Bordüre ausgeschmückt. Die restlichen 48 Heiligengebete wurden dagegen nur mit einer neunzeiligen historisierten Initiale und einer dreiseitigen Bordüre bedacht (wobei merkwürdigerweise auf recto-Seiten stets die Längsseite zum Falz hin, allein bei vier auf verso-Seiten stehenden Initialen [163v, 164v, 165v, 189v] der äußere Rand mit Bordürenstreifen ausgeziert wurde). Insgesamt besitzt die Handschrift durch ihren regelmäßigen, streng hierarchischen Einsatz von Buchschmuck ein sehr ausgereiftes Layout, das sich formal am ehesten an nordniederländischen Gestaltungsprinzipien orientiert (vgl. König [1989] S. 61–63).

Bildaufbau und -ausführung:

Kleine, zierliche Figürchen agieren vor einem knappen Landschaftsprospekt mit tiefliegendem Horizont (43v, 60v, 151r, 153r, 155r, 158r, 163v, 173r, 181r, 188r, 191r, 194r, 196r, 197r, 198r) und/oder einer Architekturkulisse (48v, 52v, 152r, 157r, 159r, 189v) bzw. wurden in einem Innenraum situiert (22r, 56v), wobei der schräg in einen Kapellenraum gelenkte Blick auf 73r exzeptionell wirkt. Bei der Marienkrönung und den meisten Heiligen verschließt ein gemusterter Fond (68r, 161r, 162r, 165v, 167r, 168r, 169r, 171r, 172r, 174r, 175r, 176r, 177r, 179r, 180r, 182r, 183r, 184r, 185r, 186r, 193r, 195r, 201r, 202r, 203r, 204r, 205r, 206r), bei einigen auch nur ein deckend blau gemalter Grund die Sicht (150r, 160r, 164v, 207r). Auf 95r umfängt die dichtgedrängte Menge der Verdammten das Schwarz der Hölle, in das nur drei Engel von oben Licht bringen; auch Margarete auf 199r wird ganz von Dunkelheit umhüllt. Vielfach sind die Protagonisten in ein szenisches Zusammenspiel verwickelt (22v, 43v, 48v, 52v, 56v, 60v, 68r, 73r, 95r, 150r, 151r, 152r, 153r, 155r, 157r, 158r, 159r, 160r, 161r, 162r, 163r, 164v, 165v, 171r, 173r, 182r, 196r, 198r), einige verharren aber auch im Stand und präsentieren nur mehr ihre Attribute (169r, 174r, 176r, 181r, 184r, 186r, 195r, 197r, 205r, 206r) oder nehmen eine sitzende Positur ein (167r, 168r, 172r, 175r, 177r, 179r, 180r, 183r, 185r, 188r, 189v, 191r, 193r, 194r, 199r, 201r, 202r, 203r, 204r, 207r). Die besten Figürchen besitzen in Haltung und Gebaren einen in Bann schlagenden Ausdrucksreichtum, der leicht vergessen läßt, daß sie nur in 27 bzw. 36 mm hohe Initialkörper eingelassen und keineswegs als eigenständige Miniaturen angelegt sind. Maltechnisch gesehen sind sie von äußerster Feinheit. Ein fast pointillistischer Farbauftrag bewirkt, daß Leben durch die Gesichter pulsiert bzw. gleichsam ein zarter Lufthauch durch die Landschaft weht.

Stilistisch nächst verwandt ist das einige Jahre zuvor entstandene lateinische Lochner-Stundenbuch im Berliner Kupferstichkabinett (78 B 1a). Darin finden sich – wenn auch kleiner – die Heiligen Christophorus (189r), Michael (199r) und Quirinus (188r) fast identisch wieder, Hubertus (185r) und Dorothea (200r) erscheinen seitenverkehrt. Ähnlichkeit besitzen auch die Seelen im Fegefeuer (103r), Antonius (186r) und Jodocus (17r). Der Innenraum der Verkündigung mit Tonnengewölbe und Holzspalier auf der Fensterbrüstung taucht außer in der Berliner Handschrift (38v) noch in einem später anzusetzenden Heidelberger Gebetbuch auf (s. Nr. 43.1.74., 1v). Etwa aus derselben Zeit (3. Viertel 15. Jahrhundert) dürfte ein niederrheinisches Gebetbuch-Fragment datieren (Nr. 43.1.139., Inv.-Nr. 39857r; Weekes [2004] Abb. 72), in dem die Begrüßung von Maria und Elisabeth in der Heimsuchung (43v) aufgegriffen wird. Leicht abgewandelt begegnen die Seelen im Fegefeuer als eigenständige Miniatur in einem Gebetbuchfragment (s. Nr. 43.1.138., 39855r) und als Holzschnitt in einem Kölner Stundenbuchdruck von ca. 1485 (erneut verwendet in Dietrich Coeldes ›Christenspiegel‹, Köln: Johann Koelhoff d. Ä., 1489, Nr. 67.8.b., iiijr, vgl. Abb. TIB Bd. 87, S. 789, Nr. 90). Vier historisierte Initialen (43v, 48v, 52v, 68r) werden vergröbert in einem lateinischen Stundenbuch von ca. 1480 wiederholt (Mainz, Martinus-Bibliothek, Hs. 8, 36v, 40r, ehem. 44v [Dezember 2007 im Wiener Kunsthandel]; 57r, vgl. Dickmann [2004] S. 259–263, Abb. 5.12.02, 5.12.03, 5.12.23, 5.12.06). Zwei Kompositionen (43v, 56v) wurden Ende der 80er Jahre des 15. Jahrhunderts in einem Liber precum modifiziert rezipiert (St. Petersburg, Natsionalnaia Biblioteka, MS. Lat.O.v.I.206, 7v, 15v; vgl. Logutova/Marrow [2003]). Die Geburt Christi (48v) taucht nochmals in einem Kölner Graduale von 1498 auf (Köln, Diözesan- und Dombibliothek, Dom Hs. 229, 15v; vgl. Kirschbaum [1972] S. 285, 317, 409, Abb. 85; Dickmann [2004] S. 314–317, Abb. 6.02.08). Das älteste Zitat aus Hs 70 (von 52v) aber findet sich schon in einer um 1455 entstandenen Handschrift, die vermutlich aus der Kölner Kartause St. Barbara stammt (Cambridge/Mass., Harvard University, The Houghton Library, Ms Richardson 21, 12v; Dickmann [2004] S. 139–141, Abb. 2.12.02).

Schon früh muß mit der Werkstatt der Lochner-Gebetbücher (dazu gehören neben den als eigenhändig erachteten Stundenbüchern in Berlin und Darmstadt die zur Nachfolge zählenden Nr. 43.1.67. und 43.1.78., vgl. Dickmann [2004] S. 16–63) eine Gruppe von Kupferstechern assoziiert gewesen sein (die sogenannten Erasmusmeister, zu denen der Meister mit den Blumenrahmen, der Meister des Dutuitschen Ölbergs, der Meister des hl. Erasmus und der Meister der Marter der Zehntausend gerechnet werden, die allesamt Werke des Meisters der Berliner Passion kopiert haben; vgl. Weekes [2004] S. 60–74), die deren Bilderfindungen im Kupferstich reproduzierten, um die Platten zunächst direkt anstelle von Miniaturen auf die Pergamentseiten einer Handschrift zu pressen (s. Nr. 43.1.20., Nr. 43.1.21., Nr. 43.1.92.), dann aber auch separat Papierabzüge anzufertigen und feilzubieten, die unabhängig vom Schreib- bzw. Buchmaleratelier in Manuskripte eingebunden (Nr. 43.1.101.) oder eingeklebt werden konnten (Nr. 43.1.30., 193v, Nr. 43.1.45., Nr. 43.1.46., Nr. 43.1.145., Nr. 43.1.183.).

Schauder hat bereits 1997 auf eine Korrespondenz zwischen einem Stich vom Meister des heiligen Erasmus (Lehrs 2; besser: Lehrs 3, Taf. 105, Nr. 297) und der Heimsuchung im Darmstädter Lochner-Gebetbuch (43v) hingewiesen, die vom Meister des Dutuitschen Ölbergs nochmals nachgestochen wurde (Lehrs 11). Die Figurengruppe der beiden werdenden Mütter hat überdies Auflagen im Metall- (Schreiber 2188h; vgl. Leidinger [1908] Abb. 4) und im Holzschnitt (vgl. Rathofer/Schmitz/Gaus [1988]) erlebt. Weitere Entsprechungen zwischen dem Darmstädter Gebetbuch und Kupferstichen lassen sich beim hl. Michael (150r; Lehrs Bd. IX, S. 302, Nr. 374; ehem. Israhel van Meckenem zugeschrieben; vgl. Hollstein German Bd. 24A, S. 157, Abb. 374, Bd. 24B, S. 147), beim jüngsten König in der Anbetung (52v; Lehrs Bd. III, S. 34 f., Nr. 14; ehem. dem Meister der Berliner Passion zugeschrieben, vgl. Weekes [2004] S. 85, 193, Anm. 59, S. 368, Pl. 15), beim Turm der hl. Barbara (189v; Lehrs Bd. III, S. 108, Nr. 68; Abb. Hollstein Dutch & Flemish Bd. 12, S. 99) sowie bei der Haltung und Gewandung von Felix und Adauctus bzw. Stephan belegen (184r, 186r; Lehrs Bd. III, S. 323, Nr. 63 [Laurentius], Abb. Van der Stock [2002] Nr. 176). Aus der Berliner Handschrift kehrt der hl. Georg im graphischen Medium wieder (78 B 1a, 195r; Lehrs Bd. III, S. 103 f., Nr. 64; Weekes [2004] Pl. 13), der in leicht modifizierter Pose dort (78 B 1a, 188r) ebenso wie im Darmstädter Stundenbuch (Hs 70, 205r) nochmals in der Rolle des hl. Quirin begegnet. Auch den Erzengel Michael (Hs 70, 150r) trifft man bereits im älteren Codex an (Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 199r). Aus dem zur Lochner-Nachfolge gehörenden ehem. Anholter Gebetbuch (Nr. 43.1.78.; Dickmann [2004] S. 48–61, Abb. 1.3.01–1.3.22) wurde das Martyrium des hl. Erasmus (MAI Microfiche 46, Feld A 14) seitenverkehrt im Kupferstich reproduziert (Lehrs Bd. III, S. 274, Nr. 84, Taf. 105, Nr. 293). Daß die Kupferstiche vielleicht schon in der Lochner-Werkstatt als Hilfsmittel gebraucht wurden, legt die seitenverkehrte Wiederholung der hl. Dorothea und des hl. Hubertus in Berlin (200r, 185r) und Darmstadt (194r, 207r), wie auch der Madonna innerhalb des Berliner Stundenbuchs nahe (78 B 1a, 154r, 163r) – doch würde dies eine frühere Tätigkeit der Stecher als bislang angenommen implizieren (um 1444 statt um 1450–1470). Bezeichnenderweise wurde der hl. Michael in der Darmstädter Handschrift von König (1989) und Dickmann (2004) nicht als eigenständige Arbeit Stefan Lochners erachtet; die Repetition in der Graphik könnte zu einer Verhärtung des Stils geführt haben.

Der filigrane Goldrispendekor wurde vom Meister mit den Blumenrahmen auf zwei seiner Kupferstiche zu imitieren gesucht (Verkündigung [Lehrs 42], Kreuzannagelung [Lehrs 57]; s. Nr. 43.1.145.), wobei eines der Blätter (Lehrs 57) aufgrund eines fragmentarisch erhaltenen Wasserzeichens, das 1449 in Köln belegt ist, ca. 1446–1452 datiert werden kann (vgl. Lehrs Bd. III, S. 452 f., Schmidt [2003] S. 425 mit Piccard-Online [http://www.landesarchiv-bw.de/piccard/] Nr. 129064). Vice versa scheinen die Lochner-Gebetbücher ästhetischen Idealen der Goldschmiedekunst verpflichtet zu sein: Die lichten Tonabstufungen der Buchmalerei erinnern an transluzide Emailarbeiten (vgl. Paris 1400 [2004] S. 60–62, Nr. 21 f.). Bezüge zwischen den verschiedenen Metiers treten besonders in einer Goldschmiedearbeit zutage, die ein kleines Gebetbuch aus Silber vorstellt, auf dessen Außenseiten vorn der hl. Christophorus, hinten der hl. Michael graviert und mit schimmernden Emailfarben überzogen sind. Die schmalen Rautenrahmen, mit denen die Heiligenbildchen gesäumt wurden (Paris 1400 [2004] S. 367 f., Nr. 228), begegnen ganz ähnlich auf Kupferstichen vom Meister der Berliner Passion (Lehrs 15–25; Kelberg [1983] S. 229, Gr 8; Weekes [2004] S. 85, Abb. 91), Meister des hl. Erasmus (Lehrs 297), Meister der Marter der Zehntausend (Lehrs 69–70; Deluga [2000] S. 140 f., Nr. 58; Weekes [2004] S. 168, Abb. 164) und ehem. Israhels van Meckenem zugeschriebenen wieder (Lehrs 33 [gehört zum Leben Jesu vom Meister der Berliner Passion, Lehrs 15–25], 301, 324), außerdem auf einem noch nicht zugeordneten Blatt in Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 1272 Helmst., hinterer Innenspiegel (vgl. http://dbs.hab.de/Grafik/).

Stefan Lochners Kunst besitzt allgemein eine ausgeprägte Affinität zu Goldschmiedearbeiten (vgl. zuletzt Chapuis [2004] S. 214–233; Fritz [1993]). 1444 hat der Maler in Köln ein Doppelhaus am Quatermarkt im Kirchspiel St. Alban erworben, eines zome [kleinen] Carbunkel, das andere zome alden Grijn geheißen (Groten [1993] S. 11; Keussen [1910] Bd. 1, S. 175). Der erste Name dürfte Bezug auf ein (in Stein gehauenes?) Zeichen an der Fassade genommen haben (Keussen [1910] Bd. 1, S. 88*f.). Da in den Gebetbüchern der Lochner-Werkstatt mit Ausnahme des Berliner Stundenbuchs stets in einer der Bordüren ein Vierpaß zu erblicken ist, in dem ein Edelstein aufblitzt (Hs 70, 56v; Nr. 43.1.67., 2r [Stein durch Farbverlust »verloren«?]; 43.1.78., 160r), könnte das sich im Gewirr der Ranken wie ein Fremdkörper ausnehmende Schmuckstück bewußt als versteckte Adresse eingefügt worden sein (demnach müßte die Berliner Handschrift vor dem 18.10.1444 fertiggestellt worden sein).

Bildthemen:

Das Marienoffizium wurde mit einem siebenteiligen Kindheitszyklus ausgestattet, der mit der Marienkrönung abschließt (entspricht französischer Usance, vgl. Vanwijnsberghe [1995] S. 286). Bei den 49 Heiligengebeten sind die Darstellungen der vielfigurigen Apostelmartyrien ungewöhnlich, die – obwohl anders in Szene gesetzt – an die Frankfurter Altarflügel Stefan Lochners erinnern (Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Inv.-Nr. 821–832). Bei einigen anderen historisierten Initialen ergeben sich direktere Bezüge zu Tafelgemälden Stefan Lochners, so auf 48v zur Anbetung des Kindes in München (Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 13169), auf 56v zur Darmstädter Darbringung im Tempel von 1447 (Hessisches Landesmuseum, Inv.-Nr. GK 24), auf 197r zur Gruppe der hl. Ursula mit ihrem Gefolge auf dem Altar der Kölner Stadtpatrone (Köln, Dom). Die Komposition der farblich abweichenden Marienkrönung (68r) scheint hingegen ihre nächste Entsprechung im Nordfolk-Triptychon (Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen, Inv.-Nr. 2466) bzw. im sogenannten Albrechtsaltar vom Meister des Albrechtsaltars zu besitzen (Klosterneuburg, Augustiner-Chorherrenstift, Sebastianikapelle), wo Christus seine Rechte nur bis zur Schulter segnend erhebt, während er in einem drei oder vier Jahrzehnte älteren Kölner Stundenbuch seine Hand noch hoch über das gesenkte Haupt Mariens streckt (Avignon, Bibliothèque municipale, Ms. 208, 240v; vgl. http://www.enluminures.culture.fr/).

Die Abfolge der Heiligen entspricht vordergründig derjenigen in einer Litanei: Auf den Erzengel Michael folgen die Apostel mit Johannes d. T. und den Evangelisten, daran schließen sich der Schutzengel sowie 15 männliche und zehn weibliche Heilige an. Nach dem Schutzengel aber wird schon nicht mehr die Hierarchie beachtet, denn die Fürsprecher werden nicht nach Stand (Märtyrer, Beichtiger etc.) geschieden. Hinter der Gruppe der Frauen taucht überdies nochmals auf separater Lage eine »Nachhut« männlicher Heiliger auf, zwei für Köln typische Quaternionen, bestehend aus den vier Kirchenvätern und den vier Marschällen (allerdings ohne Antonius, da dieser schon auf 172r vorkommt). Auffälligerweise stehen gleich hinter dem persönlichen bewaerer (169r) – dessen Seitenränder prononciert mit Nelken bedeckt sind, denen man eine apotropäische Wirkung zugeschrieben hat, deren Saft aber auch als Mittel gegen die Pest gebraucht wurde (Nitz [1992]; Wolffhardt [1954] S. 186–190) – zwei klassische Pestheilige, Sebastian (171r) und Antonius (172r), sowie der vor jähem Tod bewahren sollende Christophorus (173r). Wenig später wird an Erasmus (177r) und Barbara (189r) die Bitte gerichtet, für rechtzeitigen Kommunionempfang und letzte Ölung Sorge zu tragen. Jodocus (181r; im Kalender golden hervorgehoben; bei den westfälischen von Jud[d]en war Jobst als Taufname dereinst über Generationen gebräuchlich), Pilger- und Siechenpatron, der über eine Wallfahrtsstätte in der Eifel verfügte (Kapelle in Nitztal bei Langenfeld), wurde auch als »Arzt« angerufen. Im dazugehörigen Gebet ist davon zwar nicht die Rede (vgl. aber Berlin, Kupferstichkabinett, 78 B 1a, 17r Anxia corda iuuans, et morbida corpora curans, languida [tu] sana, nostris pro finibus ora … [vgl. AH 26, Nr. 92, S. 266]), jedoch dürften die überdimensionierten Mohnkapseln, die sich auf den Seitenrändern finden, darauf Bezug nehmen, da aus Mohnkapseln gewonnenes Opium Todkranken als Schmerzmittel verabreicht wurde; Opium war zudem wesentlicher Bestandteil von Theriak, einem Allheilmittel, das auch gegen die Pest angewandt wurde (Enzyklopädie Medizingeschichte [2005] S. 1393 f.). In Köln wütete 1451 die Pest, zu deren Opfern auch Stefan Lochner zählte (Groten [1993] S. 12 f.). Möglicherweise hat sich der Künstler vor der Epidemie mit wohlriechenden Bisamäpfeln zu schützen gesucht (vgl. Smollich [1983]), die stilisiert als »Christbaumkugeln« in dieser Handschrift verewigt wurden und nachfolgend Stilgeschichte geschrieben haben (falls sie nicht doch prosaischer nur als Ornament zu verstehen und vom böhmischen Vier-Beeren-Motiv abzuleiten sind, vgl. zu letzterem Haidinger [1980] Bd. 1, S. 80 f., Pfändtner [2006] S. 308, Anm. 18).

Farben:

Blau, Rosa, Grün, leuchtendes Gelb, Grau, Hellgrau, Hellblau, Hellviolett, Hellgrün, Rotorange, Violett, Orange, Türkis (gelegentlich abgeplatzt), Graublau, Rot, Rotbraun, Ocker, Beige, Oliv, Braun, Weiß, Schwarz, Silber (oxydiert), Pinsel- und Blattgold (z. T. mit eingeritztem Muster). Sehr zarte, fein nuancierte Farbgebung. Reine, klare Töne, z. T. mit Weiß oder Gelb aufgelichtet bzw. lavierend schattiert. Ungewöhnlich der Einsatz von Schwarz. Marienkrönung auf 68r insgesamt in kräftigeren Farben.

Literatur:

(in Auswahl): Achten/Knaus (1959) S. 138–151, Nr. 32 (mit älterer Literatur), Abb. Vorsatzbl. (22v); König (1989) (Kommentar zum Faksimile; mit älterer Literatur). – MAI Microfiche 389, Feld B8 bis G4 (alle Zierseiten) bzw. unter http://www.bildindex.de; Waagen (1850) S. 307 f.; Waagen (1854) S. 165; Kautzsch (1896) S. 41 f.; Aldenhoven (1902) S. 178 f., 404–406; Beissel (1905) Sp. 39f., Domel (1921) S. 51, Abb. 36 (150r), 37 (103r), S. 53; Theele (1925) S. 17, Taf. 14, Abb. 23 (150r, 95r); Schrade (1928) S. 64–71, Abb. 6–13 (48v, 52v, 56v, 60v, 73r, 68r, 95r, 193r); Winkler (1930) S. 111, Anm. 2; Wescher (1930) S. 114–118, Abb. 111 (73r); Wuthnach (1938); Jerchel (1938) S. 67 f., Nr. 23, S. 82 f.; Förster (1938) Abb. S. 30–33, 48 f., 62f., 65, 74 f., 110, 116 (22v, 23r, 181r, 73r, 60v, 48v, 171r, 196r, 197r, 189v, 191r, 22v, 95r), S. 157 f.; Stange (1934–1961) Bd. 3, S. 107 f., Abb. 134, 135, 136 (22v+23r, 60v, 56v); Gorissen (1968) S. 135–138; Meurer (1970) S. 75 f., Nr. 91; Meurer (1971) S. 303–306, Abb. 195 (189v); Klinkhammer (1972) S. 224, 396, Anm. 49; Kirschbaum (1972) unter Kat. Nr. 26, S. 282–289, 317, 346, Abb. 86 (48v); Knaus (1973a); Knaus (1973b) Sp. 1098–1107, Abb. 1, 2 (164v, 197r); 500 Jahre Rosenkranz (1975) S. 139; Zimmermann/Staub (1980) S. 53, Nr. 18, Farbabb. S. 52 (56v); Achten (1987) S. 84; Jakoby (1987) S. 25–28; Jansen (1991); König (1991) S. 558 f., 563; Dickmann (1993) S. 109–118, Abb. von 197v, 95r, 150r, 173r, 67v+68r, 169r, 198r, 56v+57r, 162r, Kat. Nr. 74, S. 388–393, Farbabb. von 43v, 52v, 60v, 22v+23r; Schmid (1993) S. 19; Overgauuw (1994) S. 219 f.; Schmid (1994) S. 351, Anm. 116; Ochsenbein (1995a) Sp. 470; Corley (1996) S. 528; Staub/Woelk (1996) (Abb. aller Zierseiten; mit älterer Literatur); Brinkmann (1997) Textbd. S. 191, Anm. 172; Schauder (1997) S. 246–248, Abb. 15 (43v); Hemfort (2001) S. 35, 75–78, 102, 143, 248, Abb. 66 (48v+49r); Logutova/Marrow (2003) S. 115, 118, Abb. 12 (43v), 19 (56v); Chapuis (2004) S. 10, 19, 22, 37, Anm. 162, S. 41, 66f., 69, 75, 94–96, Anm. 83 und 93, S. 149, 152, Anm. 54, S. 153, Anm. 87, S. 167, 176, 190, Anm. 100, S. 232, 253, 274, 281, Taf. 56–63 (43v, 22v, 56v, 73r, 160r, 161r, 187r, 197r), Abb. 3 (197r); Dickmann (2004) bes. S. 4, 6, 9, 13–16, 32–48, Abb. 1.2.01–1.2.62 (alle Zierseiten).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Taf. XVII a: 73r. Textseite mit historisierter Initiale: David im Gebet, Goldrispenbordüre.

Taf. XVII b: 150r. Textseite mit historisierter Initiale: Erzengel Michael, Goldrispenbordüre.

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Taf. XVIIa.
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Taf. XVIIb.