KdiH

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12.2.3. Los Angeles (California), The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig XV 9

Bearbeitet von Norbert H. Ott

KdiH-Band 2

Datierung:

1469 (378v).

Lokalisierung:

Elsaß, Werkstatt des Diebold Lauber.

Besitzgeschichte:

Als möglicher Erstbesitzer – wenn nicht Auftraggeber – ist Johann IV. von Falkenstein, Domherr zu Trier und ab 1469 Archidiakon von St. Kastor in Karden an der Mosel, anzunehmen: Auf der unteren Blatthälfte 2r rechts Wappenhalterin mit dem Wappen derer von Falkenstein (in blauem Schild drei silberne Falken, als Helmzier ein Falke), daneben dieß buoch i[st] / hanssen vo[n] / falckenstein. Neben der Initiale oben drei weitere Wappen pfälzischer Geschlechter: schwarzer steigender Löwe in silbernem Feld (wohl das seitenverkehrte Wappen derer von Lichtenberg), silberner Balken in blauem Feld (von Vinstingen), weißes Kreuz in rotem Schild (vielleicht von Eynzych); alle vier Geschlechter sind als Mitglieder der Gesellschaft »im Wolf vom Rheinstrom« miteinander verbunden, die Falkenstein, Lichtenberg und Vinstingen zudem durch verwandtschaftliche Beziehungen (Saurma-Jeltsch [1991], Textband S. 472–474, Katalogband S. 175f.). – Die einst unter der Signatur Zb 35 in Wernigerode, Gräflich Stolbergische Bibliothek, befindliche Handschrift wurde 1930 über das Antiquariat Jacques Rosenthal von der Bibliotheca Bodmeriana, Genf-Cologny, erworben, kam 1974 über H. P. Kraus, New York, in die Sammlung Ludwig, Aachen/Köln (EXLIBRIS IRENE + PETER LUDWIG AACHEN von Pablo Picasso im vorderen Innendeckel), und von dort in das J. Paul Getty Museum, Malibu/California.

Inhalt:
2r–378v Rudolf von Ems, ›Barlaam und Josaphat‹

Hs. I

I. Kodikologische Beschreibung:

Papier, 379 Blätter, teilweise verbunden, mehrere Blätter (möglicherweise bis zu 30) fehlen (ältere Foliierung 1–380 überspringt 189), 285 × 205 mm, Bastarda, eine Hand, einspaltig, 21–25 Zeilen, Zeilenanfänge rot gestrichelt, zweizeilige und wenige drei- bis fünfzeilige rote Lombarden, Bildbeischriften in Rot.

Schreibsprache:

elsässisch.

II. Bildausstattung:

138 ganzseitige kolorierte Federzeichnungen (1v, 2r, 8v, 9v [recte 4v, gehört vor 5r], 10v, 12r, 14v, 18r, 20v, 22v, 24v, 27r, 29v, 31v, 34r, 36r, 38v, 41r, 43v, 45r, 48r, 49v, 53r, 55r, 56v, 59r, 61v, 63r, 64v, 66v, 68v, 70r, 71v, 73v, 75r, 77r, 79v, 82r, 85r, 86v, 88v, 90v, 93r, 95v, 97r, 101r, 106r, 107v, 109r, 117v, 119r, 120v, 123r, 124v, 128r, 130r, 136r, 137r, 141v, 147r, 149v, 156v, 159v, 162v, 165r, 171r, 174r, 176r, 178r, 179v, 185r, 186v, 189r [alte Foliierung springt von 188 auf 190, Blattzählung der Handschrift ab hier um eine Ziffer erhöht], 190v, 192v, 193v, 196r, 204r, 205v, 211v, 213v, 216r, 218v, 222r, 230r, 234r, 235v, 237v, 240r, 241v, 243v, 246r, 248r, 250r, 254r, 257r, 258v, 261r, 262v, 267v, 269v, 273v, 278r, 280r, 282r, 285v, 288r, 289v, 293v, 296v, 298r, 305v, 308v, 310v, 312v, 314v, 316v, 318r, 320v, 323v, 326v, 329r, 332v, 335v, 337r, 339r, 340v, 343r, 347r, 350r, 352r, 354v, 359v, 361v, 364v, 368r, 372r, 375r), ein in der Nachfolge Hans Schillings stehender Zeichner der Illustratorengruppe K.

Eine neunzeilige rote A-Initiale mit grobem Maiglöckchen-Filigran im Binnenraum (2r).

Format und Anordnung:

Ungerahmte, oft bis an den Blattrand reichende Zeichnungen, die Bildelemente häufig durch die seitlichen Blattränder angeschnitten; illustrierte Textstelle in der Regel auf der Folgeseite. Bis 149v ein- bis fünfzeilige, meist zwei- bis dreizeilige rote Bildüberschriften von der Schreiberhand über der Illustration (z. B. 79v Hie vmbfienge Josaphat barlaam den kremer mit grossen frouden, 97r Josaphat der bat sinen meister barlaam daz er in sólte vnder wisen wie er sich zuͦ gotte keren solte vnd gewand grossen rúwen), nicht jedoch 1v, 3v, 12r, 14v, 18r; ab 156v Beischriften nur noch 161v, 177r, 205v, 320v.

Bildaufbau und -ausführung:

Die Illustrationsfolge setzt sich im wesentlichen aus drei Bildmodellen zusammen, von denen nur an wenigen Stellen variierend abgewichen wird: (1) einfache, hintergrundlose, auf einem gewölbten Bodenstück spielende Kompositionen mit wenigen Figuren – oft Dialogszenen –, denen mitunter, wenn handlungsnotwendig, sparsame Attribute, wie Architekturelemente, hinzugefügt sind und die selten zu mehrfigurigen Darstellungen erweitert werden; (2) vielfigurige Handlungsszenen mit oft stark bewegten, dichtgedrängten Personengruppen vor kulissenartigen, aus hohen Bergen, Bäumen und gestaffelten Architekturen gebauten Landschaften; (3) von reichgegliederten, säulenbegrenzten, durch vielerlei Bogenformen überwölbten Architekturgehäusen gerahmte Figurengruppen, oft Gesprächsszenen. Umrisse mit ziemlich dünner Feder, harte, durchgezogene Linien, eckiger Faltenwurf mit Haken und Parallelfalten. Keine Strichelung zur Angabe von Schattenpartien, wohl aber kurze Parallelschraffen für Pelzwerk (z. B. bei Gewandsäumen und Stiefelstulpen). Auffallend »regelmäßige« Frisuren aus parallelen, in Schnörkeln endenden Wellenlinien oder Kringellöckchen, Frauen oft mit geflochtenen Frisuren. Die Kompositionen sind einerseits großflächig angelegt, in Details wie Haaren, Wasserflächen oder Gegenständen (z. B. Flechtkorb 38v) kleinteilig-ornamental strukturiert. Auch die mitunter zu Karikaturen verzerrten Gesichter der schlanken, überdehnten, zuweilen zu dramatischen Gesten erstarrten Figuren wirken durch die akkurat gezeichneten Federlinien für Nasen, Brauenbogen und Münder ornamental gegliedert. Modische, stets variierte Kleidung, sehr spitze Schuhe. Die maßstäblich zu kleinen Hintergrundlandschaften und -architekturen sind – ohne Raumtiefe – deutlich als Kulissen aufgefaßt: Spitze Bergkegel, schräge Felsplatten, kugelige, in der Krone spitz zulaufende Bäume und schmale, hoch aufragende, aus Türmen, Zinnen und verschiedenen Dachformen konstruierte Architektur-»Landschaften« bieten den dazwischen agierenden Personen und Personengruppen nur wenig Handlungsraum, wobei eine Vorliebe des Zeichners für ornamental »verfremdete« geometrische Formen auffällig ist: Wie die Haartrachten sind etwa auch die ziegelgedeckten Dächer aus regelmäßigen Mustern konstruiert.

Auch die Bilderfolge mit den frontalsymmetrischen Architekturgehäusen vertritt diese Tendenz: Aus den Rund-, Spitz- und Eselsrückenbogen wachsen üppige, an Initialranken erinnernde Blattwerkornamente; auf die Rippen der äußerst variationsreich und mit viel Liebe zum Detail gestalteten Gewölbe – Gratkreuz- und Falten-, oft auch hängende Gewölbe – sind häufig zusätzlich plastische Bögelchen gesetzt; Rundsäulen wechseln mit eckigen Pfeilern, deren Kapitelle figürlichen Plastiken als Sockel dienen. Alle Darstellungen, auch die vielfigurigen, durch Landschaften und Architekturen erweiterten Szenen, stehen vor nacktem Papiergrund; Himmel ist nie angegeben. Die zwei- bis dreifigurigen Dialogszenen spielen meist auf einem gewölbten, oft ausgezackten Bodenstück in kreidigem Blaugrün, das mit regelmäßigen, kurzen, waagrechten Pinselschraffen in Oliv übermalt ist; auch auf Bäume oder die zinnoberroten Dächer ist dieses olivgrüne, mit dem Pinsel aufgetragene Schraffenmuster aufgesetzt. Modellierung der Figuren nie durch Federstrichelung, sondern stets durch Pinselschraffen und -linien in dunkleren Abtönungen: Gewänder – wie Architekturen – sind oft mit stumpfem, z. T. bräunlichem Purpurrosa laviert, auf das dunkleres, verlacktes Purpur flächig oder in zügigen Pinselschraffen aufgemalt ist. Stumpfes, wässriges, mitunter ins Graue changierendes Blau wird zur Modellierung häufig großflächig gegen den freigelassenen Papiergrund gesetzt. Mattes, durchsichtiges Gelb für die Haare und z. T. auch für die Kleidung, dann jedoch mit bräunlicher Übermalung. Inkarnat in mattem Orange unter Aussparung von Papiergrund. Die Zeichnungen sind im ersten Teil der Handschrift, auch in der Sorgfalt der Federführung, detaillierter angelegt, Landschaften abwechslungsreicher und mit einer größeren Fülle von Einzelheiten gebaut, die Laubkronen der Bäume kleinteiliger mit Kringeln »gemustert«, sogar Kreuzschraffen kommen hier, wenn auch selten – z. B. an Baumstämmen –, vor; gegen Schluß der Handschrift werden die Kompositionen großflächiger. An mehreren Stellen ist die Bleistift-Vorzeichnung erkennbar.

Für verschiedene Illustrationen des Codex sind nicht-textspezifische Bildvorlagen anzunehmen bzw. nachzuweisen, so etwa für die Planetenbilderfolge 222r–246r, die vermutlich aus astrologisch-astronomischen Handschriften schöpft. Mehrere christologische Szenen lassen sich aus zeitgenössischen Kupferstichen ableiten: so lieferte das Spätwerk des oberrheinischen Meisters E. S. u. a. die Vorlagen für den Sündenfall 1v und die Taufe Christi 68v (Geisberg [1909] Taf. 18.66), sowie für Christus vor Pilatus 71v und die Kreuzigung 73v (Lehrs 2 [1910] Nr. 39.44). Doch nicht nur solche bis in Details gehende Zitate verraten die Kenntnis des Monogrammisten; auch der harte graphische Duktus der Linienführung, die Überdehnung der Gestalten und deren oft grotesk übersteigerte Gesichter verweisen deutlich auf Einflüsse hin, die bereits dem Meister E. S. aus der niederländischen Kunst vermittelt worden waren. Die seitlich hochgezogenen, kantig übereinandergetürmten Landschaftselemente mancher ›Barlaam‹-Illustrationen könnten dem Umkreis des niederländischen Meisters der Bandrollen entstammen, vielleicht auch die wuchernden Pflanzen gleichende Bauplastik, die die Bogen- und Gewölbebildungen in der Serie der Architekturgehäuse schmücken. Dieses Kompositionsmodell – in reichgegliederte, frontalsymmetrische, altarähnliche Gehäuse situierte Szenen – findet sich im Werk des Meisters E. S. u. a. bei drei Madonnen-Kupferstichen (Lehrs 2 [1912] Nr. 68 I. 72.81), und es scheint nicht ausgeschlossen, daß der Handschriftenillustrator mit der Übernahme dieses christologisch besetzten »Altarbild«-Typs auf die christliche Thematik des Texts verweisen wollte, die schon durch die Fülle biblisch-heilsgeschichtlicher Szenen im ›Barlaam‹-Zyklus betont wird.

Der Illustrator der Handschrift, der über beträchtliche Kenntnis der zeitgenössischen Druckgraphik verfügte, war ein Angehöriger der unter der Leitung Hans Schillings stehenden Illustratorengruppe K der Lauber-Werkstatt, der bereits an der ›Weltchronik‹ in Colmar, Bibliothèque de la Ville, Ms. 305, mitgewirkt hatte.

Bildthemen:

Sündenfall mit Gottvater, der die Vertreibung ankündigt, darüber Sonne und Mond, als Titelminiatur zum Prolog (1v); Autorenporträt: Johannes Damascenus steht betend vor einem Altar (9v [4v]). Neben den Illustrationen der äußeren Handlung zahlreiche Darstellungen von Barlaams Lehr- und Gleichnisreden, vor allem aus biblisch-heilsgeschichtlichem Themenkreis: Lehre der beiden Schreine des Armen und des Reichen (49v), Arche Noahs (53r), Gott spricht zu Abraham (55r), Durchzug durchs Rote Meer (56v), David und Saul (59r), Judith tötet Holofernes (61v), Wurzel Jesse mit Joachim und Anna als Sinnbild der Unbefleckten Empfängnis (64v), die Propheten Micha und Habakuk im Gespräch über das Wunder der Unbefleckten Empfängnis (65r), Taufe Christi (68v), Einzug in Jerusalem (70r), Christus vor Pilatus (71v), Kreuzigung (73v), Christi Descensus (75r), Pfingsten (77r), der reiche Prasser und der arme Lazarus (85r), Lazarus in Abrahams Schoß (86v), Gleichnis der Hochzeit (88v), Kreuzigung mit den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen (90v), Jüngstes Gericht (93r, 95v), der verlorene Sohn von den Buhlerinnen empfangen und als Schweinehirt geknechtet (106r), Rückkehr des verlorenen Sohns (107v), Gleichnis vom guten Hirten (109r), Gleichnis von den ungetreuen Freunden (117v, 119r, 120v, 123r), Gleichnis von Aufstieg und Fall des Königs (124v, 128r), Gleichnis von der um ihren Besitz fürchtenden Taube (130r), die zwölf Apostel (258v). Josaphat verweist den königlichen Ratgeber auf seine Vision der apokalyptischen Madonna am Himmel (205v). Sternbilderzyklus, im Rahmen eines Gelehrtenwettstreits betrachten Josaphat, Avenir und Nachor die am Himmel erscheinenden Sternbilder (und heidnischen Götter): Sonne (222r), Saturn (230r), Mars (235v), Vulkan (240r), Bacchus (241v), Adonis (243v), Venus (246r). In Fortsetzung des Gelehrtendisputs erscheinen ihnen biblische Szenen am Himmel: das Goldene Kalb (250r), Mannaregen (254r), Trinität in Form des Gnadenstuhls (257r), Höllenrachen (261r).

Farben:

Bläuliches Malachitgrün, Oliv, lichtes Purpurrosa und bräunlich-rote Brasilholztöne, mattes Gelb, stumpfes Blaugrau, Orange.

Literatur:

Jacques Rosenthal München. Katalog 91. München o. J. [1929], Nr. 5; Jerchel (1932a) S. 50; Schilling, Hans. In: Thieme/Becker 30 (1936) S. 69; Goldschmidt(1944–1946) S. 29, Abb. 104 (18r); Monumenta codicum manu scriptorum. An Exhibition Catalogue of Manuscripts of the 6th to the 17th Centuries [...]. H. P. Kraus. New York 1974, S. 97 Nr. 39, Farbtaf. S. 94 (78r). S. 95 (18r). S. 96 (34r), Abb. S. 152 (285v). S. 153 (1v). S. 154 (85r). S. 155 (109r). S. 156 (106r); Koppitz (1980) S. 38 Anm. 17; Schmid (1981), S. 695 u. Anm. 107; Konrad von Ammenhausen, Das Schachzabelbuch. Die Illustrationen der Stuttgarter Handschrift (Cod. poet. et philol. fol. No 2). In Abbildung hrsg. und erläutert von Carmen Bosch-Schairer. Göppingen 1981 (Litterae 65), S. XIV Anm. 47; Slg. Ludwig 4 (1985) S. 256–266, Farbtaf. S. 259 (38v). S. 263 (285v), Abb. 187–228 (1v, 4v, 8v, 12r, 31v, 34r, 41r, 43v, 55r, 64v, 68v, 70r, 73v, 77r, 79v, 85r, 90v, 93r, 106r, 107v, 109r, 119r, 124v, 141v, 159v, 171r, 193v, 205v, 222r, 246r, 257r, 280r, 289v, 314v, 316v, 329r, 332v, 339r, 354v, 361v, 368r, 375r); Saurma-Jeltsch (1990) S. 48, Abb. 8 (20v); Saurma-Jeltsch (1991), Textband S. 460–462. 472–475. 482f., Katalogband S. 175–181; Ott (1993) passim, Abb. 2 (68v). 3 (285v). 4 (109r). 5 (246r). 6 (18r). 8 (205v).

Weitere Materialien im Internet:

Handschriftencensus

Abb. 3: 82r. Josaphat und Barlaam diskutieren über die Taufe.

Abb. 4: 101r. Josaphat zerstört die Götzenbilder.

Abb. 5: 56v. Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer.

Abb. 6: 66v. Michea und Habakuk.

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